Geistlicher zum Tode verurteilt

Scheich Nimr Baqir al-Nimr

Scheich Nimr Baqir al-Nimr

Der bekannte schiitische Geistliche Scheich Nimr Baqir al-Nimr ist in Saudi-Arabien zum Tode verurteilt worden. Gegen ihn waren vage formulierte Anklagen erhoben worden und sein Verfahren wies erhebliche Mängel auf. Amnesty International fordert die Aufhebung des Urteils und die Freilassung von Sheikh Nimr al-Nimr.

Appell an

KÖNIG UND PREMIERMINISTER
King Abdullah bin Abdul Aziz Al Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 966) 11 403 3125 (über das Innenministerium)

JUSTIZMINISTER
His Excellency
Sheikh Mohammed bin Abdulkareem Al-Issa
Ministry of Justice, University Street
Riyadh 11137, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 966) 11 401 1741 oder
(00 966) 11 402 0311

Sende eine Kopie an

VORSITZENDER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Bandar Mohammed 'Abdullah Al-Aiban
President, Human Rights Commission
P.O. Box 58889, Riyadh 11515
King Fahad Road, Building No. 373
Riyadh
SAUDI-ARABIEN
Fax: (00 966) 11 461 2061
E-Mail: hrc@haq-ksa.org

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S. E. Herrn
Prof. Dr. med Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi
Tiergartenstr. 33-34
10785 Berlin
Fax: 030-8892 5179

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 12. Dezember 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Sachlage

Am 15. Oktober ist Scheich Nimr Baqir al-Nimr vom Sonderstrafgericht in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad zum Tode verurteilt worden. Die ihm vorgeworfenen Straftaten umfassen unter anderem "Ungehorsam und Loyalitätsbruch gegenüber dem Herrscher", "Aufruf zum Umsturz des Regimes", "Aufruf zu Demonstrationen", "Anstiftung zu konfessionellen Konflikten", "Anzweifeln der Integrität der Justiz", "Treffen mit und Unterstützen von gesuchten Verdächtigen" und "Eingriff in die Angelegenheiten eines Nachbarstaates" (Bahrain).

Die Beweise für die Anklagepunkte, in denen Scheich Nimr Baqir al-Nimr schuldig gesprochen wurde, stammten aus religiösen Predigten und aus Interviews, die dem Geistlichen zugeschrieben werden. Eine Überprüfung dieser Texte durch Amnesty International hat ergeben, dass er darin lediglich Gebrauch von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gemacht und nicht zu Gewalt aufgerufen hat. Viele der Anklagepunkte, wie zum Beispiel "Ungehorsam gegenüber dem Herrscher", dürfen eigentlich keine Straftaten darstellen, da es sich lediglich um die friedliche Wahrnehmung des Rechts auf Meinungsfreiheit und anderer Menschenrechte handelt. Andere Anklagen sind vage gehalten und wurden missbraucht, um die Wahrnehmung von Menschenrechten zu bestrafen.

Das Verfahren gegen Scheich Nimr Baqir al-Nimr hatte am 25. März 2013 vor dem Sonderstrafgericht begonnen und wies von Anfang an schwere Mängel auf. Dem Geistlichen wurden die grundlegendsten Dinge, die zur Vorbereitung seiner Verteidigung erforderlich waren, verweigert. Unter anderem hatte er keinen regelmäßigen Zugang zu seinem Rechtsbeistand und weder einen Stift noch Papier, um auf die gegen ihn erhobenen Anklagen reagieren zu können. Im Widerspruch zu in Saudi-Arabien geltenden Gesetzen durften sich wichtige Augenzeug_innen weigern, vor Gericht auszusagen, und der Rechtsbeistand von Scheich Nimr Baqir al-Nimr wurde nicht über alle Verhandlungstermine in Kenntnis gesetzt.

Scheich Nimr Baqir al-Nimr ist der Imam der al-Awamiyya-Moschee in al-Qatif im Osten Saudi-Arabiens. Er wurde am 8. Juli 2012 ohne Haftbefehl festgenommen. Sicherheitsbeamt_innen zwangen ihn, sein Auto anzuhalten und schossen auf ihn, als er sich weigerte, mit ihnen zu kommen. Seit seiner Inhaftierung hat er die meiste Zeit in Einzelhaft in Militärkrankenhäusern und im al-Ha’ir-Gefängnis in Riad verbracht. Infolge des Vorfalls bei seiner Festnahme ist eines seiner Beine gelähmt. Eine Kugel in seinem Rücken muss dringend entfernt werden.

[SCHREIBEN SIE BITTE ]

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, die Verurteilung und das Todesurteil gegen Scheich Nimr Baqir al-Nimr fallenzulassen und ihn in Verbindung mit den gegen ihn erhobenen Anklagepunkten sofort freizulassen.

  • Bitte sorgen Sie zudem dafür, dass er jegliche erforderliche medizinische Behandlung erhält.

  • Bitte verfügen Sie ein Hinrichtungsmoratorium, als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe in Saudi-Arabien.

[APPELLE AN]

KÖNIG UND PREMIERMINISTER
King Abdullah bin Abdul Aziz Al Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
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Fax: (00 966) 11 403 3125 (über das Innenministerium)

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Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 12. Dezember 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Einwohner_innen der mehrheitlich schiitischen Ostprovinz von Saudi-Arabien berichten schon seit langem von Diskriminierung und Schikane durch die Behörden. Zum Teil ermuntert durch die Proteste im Mittleren Osten und in Nordafrika 2011 organisierten sie Demonstrationen, um gegen die Schikane, die Festnahmen und Inhaftierungen von Angehörigen der schiitischen Gemeinschaft zu protestieren und ihre Unterstützung für die Demonstrant_innen in Bahrain zum Ausdruck zu bringen. Die Behörden nehmen unter anderem das Feiern schiitischer Feste sowie Verstöße gegen die Einschränkungen beim Bau schiitischer Moscheen und religiöser Schulen zum Anlass für diese Repressalien.

Die saudischen Behörden reagieren mit repressiven Maßnahmen gegen diejenigen, die im Verdacht stehen, an den Protesten teilzunehmen, sie zu unterstützen oder sich kritisch gegenüber dem Staat zu äußern. Protestierende werden ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt tage- oder wochenlang in Haft gehalten, wo Berichten zufolge einige gefoltert oder anderweitig misshandelt werden. Seit 2011 wurden mindestens 20 Menschen in Verbindung mit den Protesten in der Ostprovinz getötet, Hunderte wurden inhaftiert. Anfang und Mitte 2014 wurden mindestens sieben schiitische Aktivist_innen im Zusammenhang mit den Demonstrationen von 2011 und 2012 zum Tode verurteilt. Gegen sie waren wegen ihres Aktivismus vage formulierte Anklagen wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit erhoben worden. Einer der sieben, Ali al-Nimr, war zur Zeit seiner Festnahme erst 17 Jahre alt und wurde mit Folter zur Abgabe eines Geständnisses gezwungen. Er ist der Neffe von Scheich Nimr Baqir al-Nimr.

Scheich Nimr Baqir al-Nimr wurde am 8. Juli 2012 festgenommen. Das Innenministerium gab bekannt, dass der Geistliche als "Anstifter zur Aufruhr" festgenommen wurde und man auf ihn geschossen habe, weil "er und diejenigen, die bei ihm waren, sich an einem Kontrollpunkt den Sicherheitskräften widersetzt, auf die Sicherheitskräfte geschossen und ein Fahrzeug der Sicherheitskräfte gerammt haben, als sie versuchten zu fliehen". Die Behörden veröffentlichten Fotos des Geistlichen, wie er – scheinbar mit einer Schusswunde an einem Bein – auf dem Rücksitz eines Autos liegt.

Scheich Nimr Baqir al-Nimr wurde während seiner gesamten Zeit in Haft, von der er einen Großteil in Einzelhaft in Militärkrankenhäusern und im al-Ha’ir-Gefängnis in Riad verbracht hat, misshandelt. Er hatte nur unregelmäßigen Zugang zu seiner Familie und Rechtsbeiständen und erhielt nicht die erforderliche medizinische Behandlung, zu der das Entfernen einer Kugel aus seinem Rücken und die Behandlung seines noch immer gelähmten rechten Beins gehören.

Das Verfahren von Scheich Nimr Baqir al-Nimr begann vor dem Sonderstrafgericht am 25. März 2013 und war von zahlreichen Mängeln durchzogen. Er hat selbst grundlegende Dinge zur Vorbereitung seiner Verteidigung nicht erhalten. Erst nachdem er Monate lang einen Stift und Papier verlangt hatte, um auf die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft reagieren zu können, erhielt er beides, bevor man ihm die Utensilien dann kurz danach wieder wegnahm. Sein Rechtsbeistand wurde über wichtige Verfahrenstermine nicht informiert und daran gehindert, während des Verfahrens mit den Medien zu sprechen. Außerdem wurde er gezwungen, schriftlich zuzusichern, dass er keine Gerichtunterlagen weitergibt. Zur gleichen Zeit führten die staatliche Medien eine Hetzkampagne gegen den Geistlichen, in der man ihn den "Anführer des Awamiyya-Konflikts" nannte und als Analphabet oder ungebildet bezeichnetet, ihn als einen Befürworter von Gewalt darstellte und behauptete, dass er den Richter angelogen habe.

Die gegen den Geistlichen erhobenen Anklagen sind allgemein und vage gehalten. Einige der Anklagepunkte, wie "Ungehorsam gegenüber dem Herrscher", das Auffordern zu friedlichen Demonstrationen, das Ausdrücken seiner Ansichten hinsichtlich der Legitimation der Herrscher von Saudi-Arabien und dessen Nachbarstaaten sowie das Fordern eines friedlichen Regimewechsels sind gemäß internationalen Menschenrechtsstandards keine als Straftat anerkannten Handlungen. Die gegen Scheich Nimr Baqir al-Nimr vorgelegten Beweise stammen aus zwei Quellen: den Aussagen der Sicherheitskräfte, die ihn festgenommen haben, und neun Predigten und einigen Interviews, die der Geistliche zwischen 2011 und 2012 gegeben hatte. Dennoch durften die Sicherheitskräfte sich weigern, vor Gericht auszusagen oder von der Verteidigung ins Kreuzverhör genommen zu werden. Dies widerspricht den in Saudi-Arabien geltenden Gesetzen. Amnesty International hat die Beweise, die sich auf die neun Predigten sowie auf andere Reden des Geistlichen stützen, untersucht und ist der Ansicht, dass er lediglich sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen und nicht zu Gewalt aufgerufen hat.