Hingerichtet

Scheich Nimr Baqir al-Nimr

Scheich Nimr Baqir al-Nimr

Scheich Nimr Baqir al-Nimr wurde am 2. Januar 2016 hingerichtet. Seine Familie war nicht über den Hinrichtungstermin informiert worden, und sein Leichnam wurde ihnen noch nicht übergeben. Das für terrorismusbezogenen Strafsachen zuständige Sonderstrafgericht hatte Scheich Nimr Baqir al-Nimr nach einem von Mängeln durchzogenen Verfahren zum Tode verurteilt.

Appell an

KÖNIG UND PREMIERMINISTER
His Majesty Salman bin Abdul Aziz Al Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riyadh, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Majesty / Majestät)
Fax: (00 966) 11 403 3125 (über das Innenministerium)
Twitter: @KingSalman

INNENMINISTER
His Royal Highness Prince Mohammed bin Naif
bin Abdul Aziz Al Saud
Ministry of the Interior, P.O. Box 2933, Airport Road, Riyadh 11134, SAUDI-ARABIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 966) 11 403 3125

Sende eine Kopie an

VORSITZENDER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Bandar Mohammed 'Abdullah Al-Aiban
Human Rights Commission
P.O. Box 58889, Riyadh 11515
King Fahad Road, Building No. 3
Riyadh, SAUDI-ARABIEN
Fax: (00 966) 11 418 5101

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S.E. Herrn Awwad Saleh A Alawwad
Tiergartenstr. 33-34
10785 Berlin
Fax: 030-8892 5179
E-Mail: deemb@mofa.gov.sa

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. März 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS, TWITTERNACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, unverzüglich den Leichnam von Scheich Nimr Baqir al-Nimr an seine Familie zu übergeben.

  • Bitte verfügen Sie ein offizielles Hinrichtungsmoratorium, als ersten Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe in Saudi-Arabien, und wandeln Sie alle bereits verhängten Todesstrafen um.

  • Bitte stellen Sie sicher, dass umfassende Informationen zur Anwendung der Todesstrafe in Saudi-Arabien öffentlich zugänglich sind. Sorgen Sie bitte außerdem dafür, dass Angehörige und Rechtsbeistände uneingeschränkten Zugang zu zum Tode verurteilten Personen und zu Informationen über deren Fällen erhalten. Dazu gehören auch Benachrichtigungen über festgesetzte Hinrichtungstermine.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Saudi Arabian authorities to return Sheikh Nimr al-Nimr’s body to his family without delay.

  • Urging them to establish an official moratorium on executions immediately, with a view to abolishing the death penalty, and commute all outstanding death sentences.

  • Calling on them to ensure that full information about the use of the death penalty in Saudi Arabia is publicly available and that condemned prisoners’ families and lawyers are given full access to them and information about their cases, including notification of any scheduled execution.

Sachlage

Scheich Nimr Baqir al-Nimr wurde am 2. Januar zusammen mit 46 anderen Gefangenen hingerichtet. Die Behörden hatten seine Familie zuvor nicht über die geplante Hinrichtung in Kenntnis gesetzt. Bisher weigern sie sich trotz zahlreicher Anträge seiner Angehörigen, den Leichnam zur Beerdigung freizugeben, was das Leid der Familie noch vergrößert. Aktivist_innen sind der Ansicht, dass die Behörden den Leichnam von Scheich Nimr Baqir al-Nimr bereits begraben haben.

Der UN-Menschenrechtsausschuss hat betont, dass die Verweigerungen, den Leichnam nach einer Hinrichtung zu überstellen, "eine einschüchternde oder bestrafende Wirkung auf die Angehörigen haben kann, da man sie vorsätzlich in einem Zustand der Ungewissheit und des seelischen Leids zurücklässt".

Das Todesurteil von Scheich Nimr Baqir al-Nimr war zunächst von der Kammer für Berufungsverfahren des Sonderstrafgerichts in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad und später dann Anfang 2015 vom Obersten Gerichtshof des Landes bestätigt worden. Weder er selbst noch seine Angehörigen oder sein Rechtsbeistand waren darüber informiert worden. Es wird angenommen, dass der König von Saudi-Arabien das Todesurteil 2015 ebenfalls bestätigt hatte.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon erklärte, er sei "zutiefst erschüttert über die jüngsten Hinrichtung von 47 Menschen in Saudi-Arabien, unter denen sich auch der Geistliche Scheich Nimr Baqir al-Nimr befand. Scheich al-Nimr und einige der anderen hingerichteten Gefangenen waren nach Verfahren verurteilt worden, die schwerwiegende Zweifel hinsichtlich der Natur der Anklagen und der Fairness der Verhandlungen aufkommen ließen." Der Hochkommissar für Menschenrechte der UN, Zeid Ra’ad Al Hussein, sagte, er "verurteilt die Hinrichtung von Scheich Nimr Baqir al-Nimr und allen anderen Personen, die keine Straftaten begangen haben, welche gemäß Völkerrecht als 'schwerste Verbrechen' eingestuft werden können".

Hintergrundinformation

Hintergrund

Scheich Nimr Baqir al-Nimr war der Imam der al-Awamiyya-Moschee in al-Qatif im Osten Saudi-Arabiens. Er wurde am 15. Oktober 2014 vom Sonderstrafgericht wegen einer Reihe vage formulierter Anklagen zum Tode verurteilt. Die Beweise für die Anklagepunkte, in denen Scheich Nimr Baqir al-Nimr schuldig gesprochen wurde, stammten fast ausschließlich aus religiösen Predigten und aus Interviews, die dem Geistlichen zugeschrieben wurden. Eine Überprüfung dieser Texte durch Amnesty International hatte ergeben, dass er darin lediglich Gebrauch von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gemacht und nicht zu Gewalt aufgerufen hat. Viele der Anklagepunkte, wie zum Beispiel "Ungehorsam gegenüber dem Herrscher", dürfen eigentlich keine Straftaten darstellen, da es sich lediglich um die friedliche Wahrnehmung des Rechts auf Meinungsfreiheit und anderer Menschenrechte handelt. Andere Anklagen sind vage gehalten und wurden missbraucht, um die Wahrnehmung von Menschenrechten zu bestrafen.

Scheich Nimr Baqir al-Nimr hatte während des gesamten Verfahrens keinen angemessenen Zugang zu den Gerichtsunterlagen und den gegen ihn vorliegenden Beweismitteln. Während seiner Zeit in Untersuchungshaft und in wichtigen Phasen des Verfahrens hatte er zudem keinen Zugang zu seinem Rechtsbeistand. Weiterhin erhielt er nicht ausreichend Zeit und keine angemessenen Räumlichkeiten, um seine Verteidigung vorzubereiten. Das Gericht akzeptierte die schriftlichen Aussagen der beiden Beamten, die Scheich Nimr Baqir al-Nimr festgenommen hatten, verweigerte es der Verteidigung jedoch, sie vor Gericht ins Kreuzverhör zu nehmen. Dies verstößt gegen saudi-arabisches Recht. Sein Rechtsbeistand wurde darüber hinaus daran gehindert, während des Verfahrens mit den Medien zu sprechen und dazu gezwungen, schriftlich zuzusichern, dass er keine Gerichtunterlagen weitergibt.

Gemäß internationalen Menschenrechtsabkommen darf die Todesstrafe nur bei "schwersten Verbrechen" verhängt werden, zu denen laut Auslegung von UN-Expert_innen nur solche Verbrechen gehören, bei denen eine "vorsätzliche Tötung" vorliegt.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.

Die Einwohner_innen der mehrheitlich schiitischen Ostprovinz von Saudi-Arabien berichten schon seit langem von Diskriminierung und Schikane durch die Behörden. Zum Teil ermuntert durch die Proteste im Mittleren Osten und in Nordafrika 2011 organisierten sie Demonstrationen, um gegen die Schikane, die Festnahmen und Inhaftierungen von Angehörigen der schiitischen Gemeinschaft zu protestieren und ihre Unterstützung für die Demonstrant_innen in Bahrain zum Ausdruck zu bringen. Die Behörden nehmen unter anderem das Feiern schiitischer Feste sowie Verstöße gegen die Einschränkungen beim Bau schiitischer Moscheen und religiöser Schulen zum Anlass für diese Repressalien.

Die saudischen Behörden reagieren mit repressiven Maßnahmen gegen diejenigen, die im Verdacht stehen, an den Protesten teilzunehmen, sie zu unterstützen oder sich kritisch gegenüber dem Staat zu äußern. Protestierende werden ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt tage- oder wochenlang in Haft gehalten, wo Berichten zufolge einige gefoltert oder anderweitig misshandelt werden. Seit 2011 wurden mindestens 20 Menschen in Verbindung mit den Protesten in der Ostprovinz getötet, Hunderte wurden inhaftiert. Neben Scheich Nimr Baqir al-Nimr waren mindestens noch sechs weitere Personen im Zusammenhang mit den Demonstrationen von 2011 und 2012 zum Tode verurteilt worden. Drei von ihnen wurden am gleichen Tag wie Scheich Nimr Baqir al-Nimr hingerichtet. Die übrigen drei, die zum Zeitpunkt ihrer Festnahme unter 18 Jahre alt waren und angeben, mit Folter zur Abgabe von "Geständnissen" gezwungen worden zu sein, befinden sich weiter im Todestrakt. Einer von ihnen, Ali al-Nimr, ist der Neffe von Scheich Nimr Baqir al-Nimr. Mehr Informationen zu seinem Fall finden Sie in UA-143/2014-2, unter https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-143-2014-2/drohende-hinrichtung. Informationen zu dem Fall der beiden weiteren Personen, die bei ihrer Festnahme noch minderjährig waren, finden Sie in UA-229/2015, unter https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-143-2014-2/drohende-hinrichtung.