Drohende Abschiebung

Fünf syrische Flüchtlinge, darunter auch ein Minderjähriger, befinden sich ohne Kontakt zur Außenwelt im Abschiebelager Aşkale in Erzurum im Osten der Türkei in Haft. Ihnen droht die Abschiebung nach Syrien. Insgesamt sollen sich in dem Abschiebelager 150-200 Asylsuchende und Flüchtlinge befinden.

Appell an

INNENMINISTER
Mr Selami Altınok
İçişleri Bakanlığı
Bakanlıklar, Ankara
TÜRKEI
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 90) 312 425 85 09
E-Mail: ozelkalem@icisleri.gov.tr

GENERALDIREKTION FÜR MIGRATION
Mr. Atilla Toros
Director General, Lalegül Çamlıca Mahallesi 122. Sokak No: 2/3
06370 Yenimahalle Ankara
TÜRKEI
(Anrede: Dear Director General / Sehr geehrter Herr Generaldirektor)
Fax: (00 90) 312 422 09 00 oder (00 90) 312 422 09 99
E-Mail: gocidaresi@goc.gov.tr

Sende eine Kopie an

VORSITZENDER DER MENSCHENRECHTSINSTITUTION
Dr. Hikmet Tülen
Yüksel Caddesi No. 23, Kat 3
Yenişehir
06650 Ankara
TÜRKEI
Fax: (00 90) 312 422 29 96

BOTSCHAFT DER REPUBLIK TÜRKEI
S. E. Herrn Hüseyin Avni Karslioğlu
Tiergartenstr. 19-21
10785 Berlin
Fax: 030-275 90 915
E-Mail: botschaft.berlin@mfa.gov.tr

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Türkisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 21. Dezember 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte stoppen Sie die Abschiebung von Flüchtlingen und Asylsuchenden.

  • Bitte lassen Sie D. H., R. H., N. B., F. A. und A. A. frei und gewähren Sie ihnen vorübergehenden Schutzstatus.

  • Sorgen Sie bitte dringend dafür, dass alle inhaftierten Flüchtlinge die Möglichkeit erhalten, mit Verwandten und Rechtsbeiständen zu kommunizieren bzw. sich mit ihnen zu treffen, wie es das türkische Ausländer- und Asylgesetz vorsieht.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Turkish authorities to not forcibly return any refugees or asylum-seekers.

  • Calling on them to release D.H., R.H., N.B., F.A., and A.A. and grant them temporary protection status.

  • Urging them to ensure that all detained refugees are given the opportunity to communicate and meet with relatives and legal representatives as provided for by the Turkish Law on Foreigners and International Protection.

Sachlage

Hunderte Flüchtlinge, darunter auch D. H., R. H., N. B., F. A. und der 16-jährige A. A. (die vollständigen Namen werden aus Sicherheitsgründen nicht genannt), nahmen in der türkischen Grenzstadt Edirne an friedlichen Protesten teil, die am 15. September begonnen hatten. Die Flüchtlinge forderten die Erlaubnis, über die Grenze nach Griechenland weiterreisen zu dürfen.

Ein Verwandter von D. H., R. H., N. B. und F. A. sagte gegenüber Amnesty International, dass seine Angehörigen ihm am 23. September telefonisch mitgeteilt hätten, sie seien zusammen mit weiteren Flüchtlingen wenige Tage nach Beginn des Protests von der Polizei auf einen offenen Platz gebracht worden, der normalerweise für Sportveranstaltungen genutzt werde. Dieselbe Quelle gab an, dass die Flüchtlinge auf diesem Platz von Polizist_innen geschlagen und zwei Tage lang nicht mit Nahrung versorgt worden seien. Am 22. September habe man die Flüchtlinge dann in Polizeifahrzeugen an einen anderen Ort gebracht. Angehörige der Polizei sollen den Flüchtlingen gesagt haben, dass sie entweder in ihre Länder zurückkehren könnten oder aber in der Türkei "wie Feinde der Regierung behandelt" würden. Nach dem Telefongespräch am 23. September konnte der Verwandte von D. H., R. H., N. B. und F. A. tagelang keinen direkten Kontakt zu den Flüchtlingen aufnehmen.

Am 1. oder 2. Oktober rief einer der vier Flüchtlinge bei besagtem Verwandten an und teilte ihm mit, dass sie in ein Lager in der westlichen Provinz Aydın gebracht worden seien. Berichten zufolge sollen sie dort 5-7 Tage lang festgehalten worden sein. Am 10. Oktober fand der Verwandte der Flüchtlinge über soziale Medien heraus, dass seine Angehörigen nach Erzurum gebracht worden waren. Um den 13. Oktober herum erfuhr der Verwandte von einem freigelassenen irakischen Flüchtling, dass D. H., R. H., N. B. und F. A. sich im Abschiebelager Aşkale in Erzurum befanden.

Laut Angaben des Bruders des 16-jährigen Flüchtlings A. A. hatte er nur sehr eingeschränkt und heimlich Kontakt mit A. A., seit dieser um den 22. September herum im Zuge der Proteste in Edirne inhaftiert wurde. Sein Bruder geht davon aus, dass A. A. ebenfalls im Abschiebelager in Erzurum festgehalten wird, da er von einem dort inhaftierten Flüchtling eine entsprechende Nachricht sowie die GPS-Koordinaten des Lagers erhalten hatte. A. A. und sein Bruder konnten am 30. Oktober kurz heimlich telefonieren. In dem Gespräch gab A. A. an, dass man die Inhaftierten nicht darüber informiere, was mit ihnen geschehen würde, und dass anderen Flüchtlingen Besuche von ihren Familien verweigert worden seien.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die vier syrischen Flüchtlinge D. H., R. H., N. B. und F. A. leben seit ein bis drei Jahren in der Türkei und sind nicht behördlich registriert.

Amnesty International hat weitere Fälle von Flüchtlingen dokumentiert, die im Zuge der friedlichen Proteste inhaftiert wurden und sich derzeit im Abschiebelager Aşkale in Erzurum im Osten der Türkei befinden. Sie erhalten keinen regelmäßigen Zugang zu Familienangehörigen und rechtlicher Vertretung und laufen Gefahr, abgeschoben zu werden. Weitere Informationen finden Sie in UA-223/2015, online unter: https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-223-2015/drohende-abschiebung.

Das Recht von Flüchtlingen und Asylsuchenden auf Zugang zu einem Rechtsbeistand und zu Verwandten ist im Ausländer- und Asylgesetz der Türkei verankert. Paragraf 59/1-b besagt: "Ausländischen Staatsangehörigen soll der Zugang und die Möglichkeit zu einem Treffen mit Angehörigen, einem Notar bzw. einer Notarin und Rechtsbeiständen sowie der Zugang zu Telefongesprächen gewährt werden."

Haft ohne Kontakt zur Außenwelt wird von internationalen Menschenrechtsorganen scharf kritisiert. Laut dem UN-Menschenrechtsausschuss könnte die Praxis andauernder Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gegen Artikel 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verstoßen, der Folter und andere Misshandlungen verbietet. Zudem könnte sie einen Verstoß gegen Artikel 10 darstellen, der gewisse Schutzmechanismen für Personen vorsieht, denen ihre Freiheit entzogen wurde. Der Sonderberichterstatter über Folter fordert ein Verbot von Haft ohne Kontakt zur Außenwelt.

Der Grundpfeiler des internationalen Flüchtlingsschutzes ist der Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement). Dieser Grundsatz verbietet es, Personen in irgendeiner Weise in Gebiete zu verbringen, in denen ihnen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen drohen – wie es bei Menschen aus Syrien der Fall ist. Der Grundsatz der Nichtzurückweisung ist in der Genfer Flüchtlingskonvention und in zahlreichen weiteren Menschenrechtsinstrumenten verankert, zu deren Einhaltung die Türkei verpflichtet ist. Verstöße gegen diesen Grundsatz können auf verschiedene Weise erfolgen. Einen direkten Verstoß stellt beispielsweise eine Abschiebung in das Herkunftsland dar. Ein indirekter Verstoß liegt vor, wenn Flüchtlingen z. B. der Zugang zu einem Gebiet oder zu einem fairen und zufriedenstellenden Asylverfahren verwehrt wird. Auch das Ausüben von Druck auf Flüchtlinge, um diese zu einer Rückkehr in ein Gebiet zu zwingen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheiten gefährdet sind, stellt einen indirekten Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung dar. Dieses Vorgehen ist als faktisches Refoulement bekannt und gemäß Völkerrecht verboten, welches bindend für die Türkei ist.