Willkürliche Inhaftierung

In der irakischen Region Kurdistan befindet sich eine Frau seit dem 25. Oktober 2014 willkürlich in Haft. Vor ihrer Festnahme war sie von der bewaffneten Gruppe "Islamischer Staat" festgehalten worden.

Appell an

PRÄSIDENT DER KURDISCHEN REGIONALREGIERUNG
Masoud Barzani
über
VERTRETUNG DER REGIONALREGIERUNG-KURDISTAN IRAK IN DEUTSCHLAND
Herrn Dilshad Mustafa Barzani
P.O. Box 150 101
10633 Berlin
Fax: 030 – 2888 495 29
E-Mail: germany@gov.krd

LEITER DES SICHERHEITSRATS DER KURDISCHEN REGIONALREGIERUNG
Masrour Barzani
Kurdistan Region Security Council
Erbil
IRAK
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: piris.alzibari@gmail.com
(Betreffzeile: Care of Dr Dindar Zebari,
Head of the High Committee to Evaluate and Respond to International Reports)

Sende eine Kopie an

RICHTER DES JUSTIZRATS DER KURDISCHEN REGIONALREGIERUNG
Bengeen Qasim Mohamed Kattany
Kurdistan Region Judicial Council
Erbil
IRAK
E-Mail: piris.alzibari@gmail.com
(Betreffzeile: Care of Dr Dindar Zebari,
Head of the High Committee to Evaluate and Respond to International Reports)

VERTRETUNG DER REGIONALREGIERUNG-KURDISTAN IRAK IN DEUTSCHLAND
Herrn Dilshad Mustafa Barzani
P.O. Box 150 101
10633 Berlin
Fax: 030 – 2888 495 29
E-Mail: germany@gov.krd

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 17. November 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE ODER E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie Bassema Darwish Khidr Murad bitte umgehend frei.

  • Bitte lassen Sie jegliche Anklagen gegen sie fallen, sollte sie nicht einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und in einem fairen Verfahren vor ein Zivilgericht gestellt werden. Selbst in diesem Fall sollte sie auf freien Fuß gesetzt werden, bis ein Zivilgericht über ihren Fall entschieden hat.

  • Gewähren Sie Bassema Darwish Khidr Murad bitte zudem umgehend Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl und zu jeder nötigen medizinischen Versorgung, psychosozialer Betreuung und Therapie, die sie benötigt, um ihre Gefangenschaft zu verarbeiten.

  • Leiten Sie bitte eine unabhängige, unparteiische und vollständige Untersuchung der Vorwürfe, dass sie in der Hafteinrichtung der Einheit zur Terrorismusbekämpfung gefoltert und anderweitig misshandelt wurde, ein.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to release Bassema Darwish immediately.

  • Urging them to drop the case against her unless she is charged with a recognizably criminal offence, tried in a civilian court in proceedings meeting fair trial standards and kept at liberty until a civilian court rules on the merits of any accusation against her.

  • Urging them to ensure that she has access to lawyers of her own choosing and is provided with all necessary medical and psychosocial assistance, as well as counselling, to help her overcome her ordeal in captivity.

  • Urging them to conduct independent, impartial and full investigations into claims that she was tortured and otherwise ill-treated at the Anti-Terrorism Directorate.

Sachlage

Die 34-jährige Jesidin Bassema Darwish Khidr Murad überlebte eine Entführung durch die bewaffnete Gruppe "Islamischer Staat" (IS) und wird mit ihrer kleinen Tochter nach wie vor willkürlich in der irakischen Region Kurdistan festgehalten, wo sie sich im Frauen- und Jugendgefängnis von Erbil befindet. Bassema Darwish Khidr Murad wurde am 25. Oktober 2014 in Zumar im Nordwesten des Landes, wo sie damals gefangen gehalten wurde, von der kurdischen Peschmerga festgenommen. Sie war am 3. August 2014 gemeinsam mit ihrem Mann und 33 weiteren Verwandten von IS-Kämpfern entführt worden, als sie versuchten, aus der Stadt Sindschar zu fliehen. IS-Kämpfer waren in die Stadt vorgedrungen und hatten diese eingenommen. Zum Zeitpunkt ihrer Entführung durch den IS war Bassema Darwish Khidr Murad schwanger. Sie brachte ihre Tochter später im Gewahrsam in Erbil zur Welt.

Amnesty International ist besorgt über Berichte, laut denen Bassema Darwish Khidr Murad während ihrer Inhaftierung in einer Hafteinrichtung der Einheit zur Terrorismusbekämpfung der Kurdischen Regionalregierung misshandelt wurde. Sie soll unter anderem mit Kabeln geschlagen worden sein.

Verwandte von Bassema Darwish Khidr Murad sagten gegenüber Amnesty International, dass sie im August 2016 mindestens einmal ohne Rechtsbeistand vor Gericht erschienen ist. Dort wurde sie offenbar gezwungen, vier Dokumente zu unterschreiben, deren Inhalt sie nicht verstand, da die Texte auf Kurdisch verfasst waren. Anschließend ernannten die Behörden einen Rechtsbeistand für Bassema Darwish Khidr Murad und erschwerten ihr den Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl. Private Rechtsbeistände, die von der Familie beauftragt wurden, versuchten in den vergangenen zwei Wochen, eine Vollmacht zu bekommen, um Bassema Darwish Khidr Murad verteidigen zu dürfen. Sie stehen jedoch vor einigen bürokratischen Schwierigkeiten. Als ein Rechtsbeistand das letzte Mal um die Unterschrift des zuständigen Untersuchungsrichters gebeten hat, wurde sein Antrag abgelehnt. Ihm wurde offenbar mitgeteilt, dass Bassema Darwish Khidr Murad bereits einen staatlichen Rechtsbeistand habe und keinen zusätzlichen Beistand benötige.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die 34-jährige Bassema Darwish Khidr Murad ist Jesidin und Mutter von drei Kindern. Sie stammt aus der Ortschaft Babira in der Provinz Ninewa. Am 3. August 2014 wurde sie gemeinsam mit ihrem Mann und 33 weiteren Verwandten von IS-Kämpfern entführt, als sie versuchten, aus der Stadt Sindschar zu fliehen. Sie war damals schwanger und wurde kurz nach ihrer Entführung von ihrem Mann getrennt. Kämpfer des IS begehen systematische Verbrechen unter dem Völkerrecht, darunter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Jesidische Frauen und Mädchen werden von ihnen entführt und als Sex-Sklavinnen gehalten, vergewaltigt, gefoltert und getötet. In manchen Fällen mussten Frauen die Tötung ihrer männlichen Verwandten mitansehen, wurden gewaltsam von ihren Kindern getrennt oder gezwungen, zum Islam zu konvertieren.

Verlässlichen Quellen zufolge wurde Bassema Darwish Khidr Murad im Rahmen eines Militäreinsatzes der Peschmerga-Kämpfer_innen zur Rückerlangung der Kontrolle über die Stadt Zumar festgenommen. Bassema Darwish Khidr Murad wurde in eine Hafteinrichtung der Einheit zur Terrorismusbekämpfung in Erbil gebracht, wo sie ihre Tochter Nour Hussein Haydar Khalifkou zur Welt brachte. Laut den kurdischen Behörden töteten Kämpfer des IS drei Angehörige der Peschmerga, darunter einen Offizier, als diese in das Haus eindrangen, in dem Bassema Darwish Khidr Murad festgehalten wurde. Ihr wird daher auf der Grundlage von Gesetz 3/2006 (Anti-Terror-Gesetz) vorgeworfen, für diese Tötungen verantwortlich zu sein. Laut Angaben der Einheit zur Terrorismusbekämpfung war Bassema Darwish Khidr Murad "radikalisiert" worden und habe die Peschmerga-Kämpfer_innen vorsätzlich hintergangen, weshalb sie für deren Tod verantwortlich sei. Am 15. August 2016 wurde Amnesty International von der Anti-Terror-Einheit mitgeteilt, dass bisher keine gerichtlichen Anhörungen in ihrem Fall angesetzt seien.

Als Reaktion auf die Untersuchungen von Amnesty International zu der Haft von Bassema Darwish Khidr Murad sagte das Hohe Komitee der Kurdischen Regionalregierung für die Auswertung und Beantwortung Internationaler Berichte am 28. September, dass ihr Fall weiter untersucht werden würde und an ein Kriminalgericht weitergeleitet werden müsse. Familienangehörige von Bassema Darwish Khidr Murad sagten gegenüber Amnesty International, dass sie im August mindestens einmal ohne rechtlichen Beistand vor Gericht erschienen sei und dass sie vier Dokumente unterschreiben musste, die auf Kurdisch verfasst waren und deren Inhalt sie daher nicht verstand.

Bassema Darwish Khidr Murad hatte bisher keinen Zugang zu den Rechtsbeiständen ihrer Wahl und kennt den Inhalt der Dokumente nicht, die sie vor Gericht unterschrieben hat. Es ist daher unklar, ob offiziell Anklage gegen sie erhoben worden ist.

Vertreter_innen von Amnesty International versuchten im August 2016, Bassema Darwish Khidr Murad zu besuchen, was ihnen jedoch von der Einheit zur Terrorismusbekämpfung der Region Kurdistan verweigert wurde.

Amnesty International hat sich im Fall von Bassema Darwish Khidr Murad bereits mehrmals erfolglos an die Behörden gewandt. Am 26. August 2016 schickte die Organisation einen Brief an Masoud Barzani, den Präsidenten der kurdischen Regionalregierung.