Erzwungenes Beweismaterial

Irakische Region Kurdistan im Norden des Landes

Irakische Region Kurdistan im Norden des Landes

Eine ehemalige Gefangene des Islamischen Staats (IS) ist unter dem kurdischen Antiterrorgesetz angeklagt worden und soll am 21. Februar 2017 vor Gericht gestellt werden. Berichten zufolge wurde sie nach ihrer Festnahme am 25. Oktober 2014 gefoltert und dazu gezwungen, Dokumente zu unterschreiben, die sie zuvor nicht lesen durfte. Sie befindet sich mit ihrer kleinen Tochter im Gefängnis. Sollte sie schuldig gesprochen werden, droht ihr lebenslange Haft.

Appell an

PRÄSIDENT DER KURDISCHEN REGIONALREGIERUNG
Masoud Barzani
Kurdistan Region Presidency
Diwan P.O. Box 60
Erbil
IRAK
Twitter: @masoud_barzani
über
VERTRETUNG DER REGIONALREGIERUNG-KURDISTAN IRAK IN DEUTSCHLAND
Herrn Dilshad Mustafa Barzani
P.O. Box 150 101
10633 Berlin
Fax: 030 – 2888 495 29
E-Mail: germany@gov.krd

LEITER DES SICHERHEITSRATS DER KURDISCHEN REGIONALREGIERUNG
Masrour Barzani
Kurdistan Region Security Council
Erbil
IRAK
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: piris.alzibari@gmail.com
(Betreffzeile: Care of Dr Dindar Zebari,
Head of the High Committee to Evaluate and Respond to International Reports)

Sende eine Kopie an

RICHTER DES JUSTIZRATS DER KURDISCHEN REGIONALREGIERUNG
Bengeen Qasim Mohamed Kattany
Kurdistan Region Judicial Council
Erbil
IRAK
E-Mail: piris.alzibari@gmail.com
(Betreffzeile: Care of Dr Dindar Zebari,
Head of the High Committee to Evaluate and Respond to International Reports)

VERTRETUNG DER REGIONALREGIERUNG-KURDISTAN IRAK IN DEUTSCHLAND
Herrn Dilshad Mustafa Barzani
P.O. Box 150 101
10633 Berlin
Fax: 030 – 2888 495 29
E-Mail: germany@gov.krd

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 31. Januar 2017 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, LUFTPOSTBRIEFE, TWITTER-NACHRICHTEN ODER E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte garantieren Sie Bassema Darwish Khidr Murad ein faires Verfahren, dazu gehören der Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl, das Recht sich selbst nicht zu belasten und das Recht auf eine öffentliche Anhörung. Darüber hinaus sollten unabhängige Beobachter_innen ungehinderten Zugang zu ihren Anhörungen vor Gericht erhalten.

  • Leiten Sie bitte eine unabhängige, unparteiische und vollständige Untersuchung der Vorwürfe ein, dass sie beim Geheimdienst der Kurdischen Regionalregierung in Dohuk gefoltert und anderweitig misshandelt wurde. Stellen sie zudem sicher, dass Beweismittel, die unter Folter oder Zwang erpresst wurden, vor Gericht nicht zugelassen werden.

  • Gewähren Sie Bassema Darwish bitte umgehend Zugang zu jeder nötigen medizinischen Versorgung, psychosozialen Betreuung und Therapie, die sie benötigt, um ihre Gefangenschaft zu verarbeiten.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the authorities to guarantee her right to a fair trial including her right to have access to lawyers of her own choosing, her right not to incriminate herself and her right to a public hearing. Independent monitors should be allowed unimpeded access to her trial hearings.

  • Urging them to conduct independent, impartial and full investigations into claims that she was tortured and otherwise ill-treated at the General Security Directorate in Dohuk and to ensure that any information extracted under torture or duress is inadmissible as evidence in proceedings.

  • Urging them to ensure that she is provided with all necessary medical and psychosocial assistance, as well as counselling, to help her overcome her ordeal in captivity.

Sachlage

Die 34-jährige Jesidin Bassema Darwish Khidr Murad überlebte eine Entführung durch die bewaffnete Gruppe Islamischer Staat (IS) und wird mit ihrer kleinen Tochter nach wie vor willkürlich im Frauen- und Jugendgefängnis in Erbil in der irakischen Region Kurdistan festgehalten. Sie wird am 21. Februar 2017 vor das Zweite Strafgericht von Erbil gestellt, dort werden die Anklagen gegen sie unter dem Antiterrorgesetz der kurdischen Regionalregierung verhandelt. Die kurdischen Behörden haben einen Rechtsbeistand für Bassema Darwish gestellt. Die Suche nach einem Rechtsbeistand ihrer Wahl zur Sicherstellung einer angemessenen Verteidigung war von den kurdischen Behörden behindert worden. Laut ihrem staatlich bestellten Rechtsbeistand wird ihr vorgeworfen, einer terroristischen Vereinigung anzugehören und an der Tötung von Mitgliedern der als Peschmerga bekannten kurdischen Streitkräfte beteiligt gewesen zu sein.

Bassema Darwish wurde am 25. Oktober 2014 in Zumar im Nordwesten des Landes, wo sie damals gefangen gehalten wurde, von den kurdischen Peschmerga festgenommen. Sie war am 3. August 2014 gemeinsam mit ihrem Mann und 33 weiteren Verwandten von IS-Kämpfern entführt worden, als sie versuchten, aus der Stadt Sindschar zu fliehen. IS-Kämpfer waren in die Stadt vorgedrungen und hatten diese eingenommen. Zum Zeitpunkt ihrer Entführung durch den IS war Bassema Darwish schwanger. Sie brachte ihre Tochter später im Gewahrsam in Erbil zur Welt.

Amnesty International ist besorgt über Berichte des Bruders von Bassema Darwish, laut denen sie während ihrer Inhaftierung beim Geheimdienst der Kurdischen Regionalregierung in Dohuk gleich nach ihrer Festnahme etwa eine Woche lang mit Kabeln geschlagen und mit Vergewaltigung bedroht wurde. Man habe sie tagelang gefesselt unter einer Treppe festgehalten und in anderer Weise misshandelt. Man zwang sie allem Anschein nach, mit verbundenen Augen Dokumente zu unterzeichnen. Beweismittel, die unter Folter oder Zwang erpresst werden, darf die Kurdische Regionalregierung im Nordirak gemäß den Verpflichtungen aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte nicht vor Gericht verwenden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Verlässlichen Quellen zufolge wurde Bassema Darwish Khidr Murad im Rahmen eines Militäreinsatzes der Peschmerga-Kämpfer_innen zur Rückerlangung der Kontrolle über die Stadt Zumar festgenommen. Bassema Darwish Khidr Murad wurde in eine Hafteinrichtung der Einheit zur Terrorismusbekämpfung in Erbil gebracht, wo sie ihre Tochter Nour Hussein Haydar Khalifkou zur Welt brachte. Laut den kurdischen Behörden töteten Kämpfer des IS drei Angehörige der Peschmerga, darunter einen Offizier, als diese in ein Haus eindrangen, in dem Bassema Darwish festgehalten worden war und das sie als leer beschrieben hatte. Ihr wird daher auf der Grundlage von Gesetz 3/2006 (Antiterrorgesetz) vorgeworfen, für diese Tötungen verantwortlich zu sein.

Am 15. August gab die Leitung der Einheit zur Terrorismusbekämpfung bei einem Treffen mit Amnesty International an, Bassema Darwish sei freiwillig zum Islam konvertiert, "radikalisiert" worden und habe die Peschmerga-Kämpfer_innen vorsätzlich hintergangen.

Die 34-jährige Bassema Darwish Khidr Murad ist Jesidin und Mutter von drei Kindern. Sie stammt aus der Ortschaft Babira in der Provinz Ninewa. Am 3. August 2014 wurde sie gemeinsam mit ihrem Mann und 33 weiteren Verwandten von IS-Kämpfern entführt, als sie versuchten, aus der Stadt Sindschar zu fliehen. Sie war damals schwanger und wurde kurz nach ihrer Entführung von ihrem Mann getrennt. Kämpfer des IS begehen systematische Verbrechen unter dem Völkerrecht, darunter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Jesidische Frauen und Mädchen werden von ihnen entführt und sexuell versklavt, vergewaltigt, gefoltert und getötet. In manchen Fällen mussten Frauen die Tötung ihrer männlichen Verwandten mitansehen, wurden gewaltsam von ihren Kindern getrennt oder gezwungen, zum Islam zu konvertieren.

Vertreter_innen von Amnesty International versuchten im August 2016, Bassema Darwish Khidr Murad zu besuchen, was ihnen jedoch von der Einheit zur Terrorismusbekämpfung der Region Kurdistan verweigert wurde. Weitere Anträge der Organisation, sie zu besuchen, einschließlich einer schriftlichen Anfrage beim Sicherheitsrats der kurdischen Regionalregierung vom 20. Oktober 2016, blieben bisher unbeantwortet.

Amnesty International hat sich im Fall von Bassema Darwish Khidr Murad bereits mehrmals erfolglos an die Behörden gewandt. Am 26. August 2016 schickte die Organisation einen Brief an Masoud Barzani, den Präsidenten der kurdischen Regionalregierung.