Oppositionelle verurteilt

Elf Mitglieder der größten Oppositionspartei Kambodschas wurden zu Haftstrafen zwischen sieben und 20 Jahren verurteilt. Das Urteil stützt sich auf willkürliche und politisch motivierte Anklagen, die im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem "Aufstand" stehen. Der Urteilsspruch vom 21. Juli wurde am Ende eines Verfahrens verkündet, in dem das Recht auf ein faires Verfahren verletzt wurde, das sowohl im kambodschanischen Gesetz als auch im Völkerrecht verankert ist.

Appell an

PREMIERMINISTER
Hun Sen
Office of the Prime Minister
Jok Dimitrov Boulevard
Phnom Penh, KAMBODSCHA
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 855) 23 360 666 oder (00 855) 23 880 624 (c/o Council of Ministers)

INNENMINISTER
Sar Kheng
No. 75 Norodom Blvd.
Khan Chamkarmon
Phnom Penh, KAMBODSCHA
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 855) 23 426 585
E-Mail: moi@interior.gov.kh

Sende eine Kopie an

AUSSENMINISTER
Hor Nam Hong
No. 3 Samdech Hun Sen Street
Khan Chamcar Mon
Phnom Penh, KAMBODSCHA
Fax: (00 855) 23 216 141

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS KAMBODSCHA
S. E. Herrn Chun Thai
Benjamin- Vogelsdorff- Straße 2
13187 Berlin
Fax: 030-48 63 79 73
E-Mail: rec-Berlin@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Khmer, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 8. September 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie, die Urteile gegen die elf Männer unverzüglich aufzuheben.

  • Bitte lassen die elf Männer sofort frei, sofern sie keiner international als Straftaten anerkannten Handlung angeklagt und in Verfahren verurteilt werden, die den internationalen Standards für faire Verfahren entsprechen. Zudem muss eine erneute Untersuchungshaft von einem unabhängigen Gericht angeordnet werden.

  • Ich fordere Sie eindringlich auf, die Unabhängigkeit der Gerichte in Kambodscha sicherzustellen und rechtliche Schritte nicht weiter für politische Zwecke einzusetzen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to immediately overturn the convictions of the 11 men.

  • Calling on them to release the 11 men, unless they are charged with internationally recognisable offences, are tried in proceedings which meet international standards of fairness, and are remanded by an independent court.

  • Urging the authorities to ensure the independence of the courts and to cease their use for political ends.

Sachlage

Die Schuldsprüche basieren auf Anklagen, die in Verbindung mit einer Protestveranstaltung stehen, die am 15. Juni 2014 von der oppositionellen Kambodschanischen Nationalen Rettungspartei (CNRP) organisiert worden war. Dabei war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Unterstützer_innen der Oppositionspartei und Angehörigen einer Hilfstruppe gekommen, die regelmäßig eingesetzt wird, um Demonstrationen zu überwachen und niederzuschlagen. Drei der verurteilten Männer, Meach Sovannara, Oeur Narith und Khin Chamrouen, wurden gemäß den Paragrafen 456, 457 und 459 des kambodschanischen Strafgesetzbuches wegen der Zugehörigkeit zu und des Anführens von einer "aufständischen Bewegung" zu jeweils 20 Jahren Haft verurteilt. Sum Puthy, Tep Narin, Ouk Pich Samnang, Neang Sokhun, San Kimheng, Ke Khim, An Bak Tham und San Seyhak wurden wegen der "Zugehörigkeit zu einer aufständischen Bewegung" nach den Paragrafen 456 und 457 des Strafgesetzbuches zu jeweils sieben Jahren Haft verurteilt.

Nach mehreren Verhandlungsterminen im Dezember 2014 entschied das Stadtgericht von Phnom Penh den Fall unnötigerweise zu beschleunigen. Daraufhin boykottierten die meisten Rechtsbeistände das Verfahren, so dass bei der Anhörung am 21. Juli 2015 lediglich der Rechtsbeistand eines der Angeklagten anwesend war. Die Richter_innen forderten an diesem Tag unerwartet die Schlussplädoyers und lehnten einen Antrag der Angeklagten auf Verschiebung, bis ihre Rechtsbeistände anwesend sein könnten, ab. Nach nur 15-minütiger Beratung verkündeten sie die Urteile und das Strafmaß. Während des Verfahrens wurden keine Beweise zur Unterstützung der Anklagen vorgelegt. Die Vorwürfe gegen die elf Männer basierten auf einem Gesetz, das sehr weit gefasst ist und missbräuchlich verwendet werden kann.

Das Justizsystem von Kambodscha ist nicht unabhängig, und politisch motivierte Festnahmen und Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Strafprozesse gegen politische Akteur_innen haben zu Verhandlungen zwischen der Oppositionspartei CNRP und der amtierenden Kambodschanischen Volkspartei (CPP) geführt, infolge derer die Angeklagten oder Verurteilten freigekommen sind. In diesem Fall befanden sich fünf der verurteilten Männer so lange in Untersuchungshaft, bis politische Verhandlungen in diesem Jahr zu ihrer Freilassung gegen Kaution bis zum Prozessbeginn geführt haben. Ein weiteres Mitglied, Oeur Narith, wurde im Juli 2014 gemeinsam mit sieben CNRP-Parlamentarier_innen gegen Kaution freigelassen. Grund dafür war eine politischen Einigung, in der die CNRP einem Ende des Boykotts der Nationalversammlung zugestimmt hatte. Ihnen war ebenfalls das "Anführen einer aufständischen Bewegung" vorgeworfen worden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Verurteilung der elf CNRP-Mitglieder ist eindeutig politisch motiviert. Sie erfolgte nur wenige Tage nachdem CNRP-Mitglieder, unter ihnen auch einige der Verurteilten, die kambodschanisch-vietnamesische Grenze besucht hatten. Damit sollte die Aufmerksamkeit auf die mutmaßliche Beanspruchungen von kambodschanischen Gebiet durch Vietnam gelenkt werden.

Kambodschanische und vietnamesische Behörden haben in jüngster Vergangenheit Gespräche über die Demarkierung der Grenze geführt. Der kambodschanische Premierminister Hun Sen hat Frankreich, das Vereinigte Königreich, die USA sowie die Vereinten Nationen um Karten gebeten, auf denen die Grenze eingezeichnet ist. Sam Rainsy, der kambodschanische Oppositionsführer, ließ verlauten, dass die Schuldsprüche gegen die elf Männer seiner Meinung nach "im Zusammenhang mit dem Grenzkonflikt" stehen und ein "starkes Signal an die Opposition" senden sollen: "Halten Sie sich von der Grenze fern!"

Die Demonstration am 15. Juli stand im Zusammenhang mit einer Blockade des Freedom Parks in Phnom Penh, der offiziell als Ort für Versammlungen und Proteste ausgewiesen ist. Der Platz wurde von den Behörden gesperrt, nachdem Demonstrationen in der Hauptstadt 2014 niedergeschlagen worden waren. Die Protestierenden forderten die Behörden zur Beendigung der Blockade des Parks auf. Als Ordnungskräfte aus dem Distrikt Daun Penh in Phnom Penh mit unnötiger und unverhältnismäßiger Gewalt gegen die Demonstrierenden vorgingen, kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Bei den Ordnungskräften handelte es sich um Angehörige einer Hilfstruppe, die regelmäßig eingesetzt wird, um Demonstrationen zu überwachen und oftmals brutal niederzuschlagen. Dutzende Ordnungskräfte und einige Protestierende wurden bei den Zusammenstößen verletzt.

In den darauffolgenden Stunden und Tagen wurden sieben Oppositionspolitiker_innen sowie Oeur Narith, ein Parteimitglied der CNRP, festgenommen. Alle acht wurden nach Verhandlungen zwischen der CPP und der CNRP gegen Kaution freigelassen. Die Verhandlungen führten zu einer Beendigung des bereits seit einem Jahr andauernden Boykotts der Nationalversammlung seitens der Opposition. Dieser war Ausdruck ihres Protests gegen die Wahlergebnisse im Jahr 2013 gewesen, bei denen sie den Wahlsieg für sich beansprucht hatten. Oeur Narith wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt. Gegen die genannten sieben CNRP-Parlamentarier_innen wurde bisher keine Anklage erhoben, da sie parlamentarische Immunität genießen. Premierminister Hun Sen ließ jedoch verlauten, dass eine Anklage möglich sei, da die betroffenen Personen während der Vorfälle noch nicht im Genuss parlamentarischer Immunität gewesen seien. Dies war erst der Fall, als die Oppositionspolitiker_innen zugestimmt hatten, ihre Sitze in der Nationalversammlung einzunehmen und nicht direkt im Anschluss an die Wahl. Die anderen zehn Männer, die am 21. Juli verurteilt worden sind, wurden in den Wochen und Monaten nach der politischen Einigung zwischen den beiden Parteien festgenommen. Alle elf wurden vor dem Gerichtsverfahren gegen Kaution freigelassen. Ähnlich wie im Fall von Oeur Narith sind fünf weitere Männer infolge einer politischen Einigung im April 2014 gegen Kaution freigekommen.

Während des Strafprozesses gegen die elf Männer wurden keine belastbaren Beweise vorgelegt, die belegen hätten können, dass sie Gewalttaten begangen haben. Ordnungskräfte, die bei den Zusammenstößen verletzt worden waren, hatten in dem Verfahren ausgesagt, konnten jedoch ebenfalls nicht beweisen, dass von den elf Angeklagten Gewalt ausgegangen war. In dem englischsprachigen Bericht Taking to the Streets – Freedom of peaceful assembly in Cambodia (https://www.amnesty.org/en/documents/asa23/1506/2015/en/) von Amnesty International vom Juni 2015 wird die routinemäßige Anwendung unnötiger und unverhältnismäßiger Gewalt durch Angehörige der Hilfstruppe gegen Protestierende dokumentiert. In dem Bericht werden zwei Strafanzeigen hervorgehoben, die gegen die Befehlshaber der Ordnungskräfte erstattet worden sind. Zu Gerichtsverfahren ist es in Bezug auf diese Anzeigen bisher noch nicht gekommen.