Oppositionelle vor Gericht

Karte von Kambodscha

Karte von Kambodscha

Zehn Mitglieder des Jugendflügels und ein Funktionär der größten Oppositionspartei Kambodschas sollen am 25. Dezember vor Gericht gestellt werden. Die Vorwürfe gegen sie scheinen politisch motiviert zu sein und hängen mit ihrer Teilnahme an einer Demonstration am 15. Juli zusammen. Bei einer Verurteilung drohen den Männern bis zu 30 Jahre Haft.

Appell an

INNENMINISTER
Sar Kheng
No. 75 Norodom Blvd.
Khan Chamkarmon
Phnom Penh
KAMBODSCHA
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 855) 23 426 585

JUSTIZMINISTER
Ang Vong Vathana
No. 240 Sothearos St 3
Phnom Penh
KAMBODSCHA
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 855) 23 364 119
E-Mail: moj@cambodia.gov.kh

Sende eine Kopie an

AUSSENMINISTER
Hor Nam Hong
No. 3 Samdech Hun Sen Street
Khan Chamcar Mon
Phnom Penh
KAMBODSCHA
Fax: (00 855) 23 216 141

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS KAMBODSCHA
S. E. Herrn Chun Thai
Benjamin- Vogelsdorff- Straße 2
13187 Berlin
Fax: 030-48 63 79 73
E-Mail: rec-Berlin@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Khmer, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. Januar 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Stellen Sie bitte sicher, dass die elf Mitglieder der CNRP, die am 25. Dezember vor Gericht gestellt werden sollen, gemäß internationaler Menschenrechtsnormen und -standards behandelt werden. Dazu gehören auch ihre Rechte auf Schutz vor willkürlicher Inhaftierung und auf ein faires Verfahren.

  • Ermöglichen Sie allen Untersuchungshäftlingen eine faire Anhörung zur Festsetzung einer Kaution, bei der ihnen eine Entlassung gegen Kaution gestattet wird, sofern nicht überzeugend dargelegt werden kann, dass die Freilassung gegen Kaution aus bestimmten rechtlichen Gründen nicht möglich ist.

  • Ich fordere Sie eindringlich auf, die Unabhängigkeit der Gerichte in Kambodscha sicherzustellen und rechtliche Schritte nicht weiter für politische Zwecke einzusetzen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to ensure that the 11 men facing trial on 25 December are treated in accordance with international human rights law and standards, including freedom from arbitrary detention, and fair trial rights.

  • Demanding that those in pre-trial detention are given a fair bail hearing at which they are granted bail unless the authorities can demonstrate convincingly that no less restrictive measure can attain any legitimate aim.

  • Urging the authorities to ensure the independence of the courts and an end to their use for political ends.

Sachlage

Elf Angehörigen der Opposition wird vorgeworfen, Gewalttaten begangen und an "einem Aufstand" teilgenommen zu haben. Diese Anklagen stehen in Verbindung mit einer Demonstration, bei der es am 15. Juli zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Unterstützer_innen der oppositionellen Kambodschanischen Nationalen Rettungspartei (CNRP) und Ordnungskräften gekommen war. Bei einer Verurteilung könnten den Männern bis zu 30 Jahre Haft und hohe Geldstrafen drohen.

Vier der Männer befinden sich seit ihrer Festnahme im Gefängnis Prey Sar CC1 in Phnom Penh in Untersuchungshaft. Sum Puthy, Mitglied des CNRP-Bezirksrats, wurde am 29. September festgenommen, und Parteifunktionär Meach Sovannara kam am 25. Oktober in Haft. Tep Narin, ein Mitglied des Jugendflügels, und Ouk Pich Samnang wurden zwischen dem 11. und 13. November festgenommen. Das Berufungsgericht lehnte am 12. Dezember einen Antrag auf Freilassung von Meach Sovannara und Ouk Pich Samnang gegen Kaution ab.

Khin Chamrouen, der Vorsitzende des Jugendflügels der CNRP, wurde am 2. August zusammen mit Neang Sokhun und San Kimheng, führenden Mitgliedern des Jugendflügels, festgenommen. Alle drei Männer wurden am 22. August gegen Kaution freigelassen. Oeur Narith wurde am 16. Juli gemeinsam mit sieben CNRP-Parlamentarier_innen festgenommen. Alle acht kamen nach einer Woche gegen Kaution frei, offenbar infolge einer politischen Einigung zwischen der CNRP und der amtierenden Kambodschanischen Volkspartei. Ke Khim, der ebenfalls an der Protestveranstaltung teilgenommen hatte, sowie die Mitglieder des CNRP-Jugendflügels An Bak Tham und San Seyhak, befinden sich derzeit zwar nicht in Haft, sind aber auch in Verbindung mit den Ereignissen des 15. Juli vorgeladen worden.

Das Justizsystem von Kambodscha ist nicht unabhängig, und politisch motivierte Festnahmen und Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Auch das Recht auf ein faires Verfahren wird in Kambodscha immer wieder ignoriert. Bei einem politisch brisanten Verfahren, das für den ersten Weihnachtsfeiertag angesetzt ist, besteht eine besonders große Gefahr von Unregelmäßigkeiten, da wahrscheinlich nur wenige Beobachter_innen von internationalen Botschaften oder NGOs anwesend sein werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

In Kambodscha wird das Recht auf friedliche Versammlung derzeit verstärkt eingeschränkt. In derselben Woche, in der Tep Narin und Ouk Pich Samnang festgenommen wurden, wurden zehn Landrechtsaktivistinnen und ein Mönch festgenommen, vor Gericht gestellt, schuldig gesprochen und zu je einem Jahr Haft verurteilt, weil sie friedlich ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrgenommen hatten (siehe UA-288/2014).

Zur Zeit der Proteste vom 15. Juli und der damit zusammenhängenden Festnahmen und Vorladungen verhandelte die regierende Kambodschanische Volkspartei (CCP) mit der CNRP über eine politische Einigung, die den bereits über ein Jahr anhaltenden Konflikt über das Ergebnis der Parlamentswahlen im Juli 2013 beenden sollte. Am 22. Juli 2014 kam es endlich zu einer solchen Einigung. Die acht Mitglieder der CNRP, die eine Woche zuvor festgenommen worden waren, wurden noch am Tag der Einigung gegen Kaution aus der Haft entlassen.

Gegen die genannten sieben CNRP-Parlamentarier_innen wurde keine Anklage erhoben, vermutlich weil sie parlamentarische Immunität genießen. Tep Narin, San Seyhak und Meach Sovannara waren bereits vor ihrer Inhaftierung in Verbindung mit den Ereignissen vom 15. Juli vorgeladen worden. Tep Narin wurde von den Lokalbehörden festgenommen, weil er nicht wie aufgefordert bei einer Polizeistation in Phnom Penh vorstellig wurde.

Gegen Ouk Pich Samnang sind noch weitere Anklagen anhängig. Sie beziehen sich auf eine Protestveranstaltung, die am 20. Oktober von Landrechtsaktivist_innen aus Preah Vihear im Norden des Landes in Phnom Penh abgehalten wurde und lauten auf Gewaltausübung, Behinderung eines Beamten in seiner Arbeit, Sachbeschädigung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Die Protestveranstaltung wurde gewaltsam von Sicherheitskräften aufgelöst. Ouk Pich Samnang hat dabei Schläge auf den Kopf erhalten.

Amnesty International betrachtet die ergriffenen rechtlichen Schritte als willkürlich, politisch motiviert und als Versuch, abweichende Meinungen zu unterdrücken. Dies stellt eine Verletzung der Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung sowie den Schutz vor willkürlicher Inhaftierung dar. Insbesondere die Anklagen wegen Anführens "eines Aufstands" oder der Teilnahme an einem solchen, die bei einem Schuldspruch Haftstrafen von bis zu 30 Jahren nach sich ziehen können, erscheinen abwegig und erhärten diese Annahme.

Seit den umstrittenen Parlamentswahlen vom 28. Juli 2013 hat die CNRP eine Reihe von überwiegend friedlichen Massendemonstrationen in Phnom Penh und an anderen Orten im ganzen Land durchgeführt. Die Partei weigerte sich wegen mutmaßlicher massiver Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen, ihre Mandate im Parlament anzutreten, und verlangte eine unabhängige Untersuchung der Durchführung der Wahlen. Nach der Einigung vom 22. Juli 2014 haben die Abgeordneten der CNRP ihre Sitze im Parlament nun eingenommen.

Im Dezember 2013 fielen die Demonstrationen streikender Arbeiter_innen der Bekleidungsindustrie, die einen höheren Mindestlohn forderten, mit den anhaltenden Demonstrationen der Unterstützer_innen der oppositionellen CNRP zusammen, die das Ergebnis der Parlamentswahlen anzweifelten. Die Demonstrationen erreichten ein in Kambodscha zuvor noch nicht gekanntes Ausmaß. Um die überwiegend friedlich verlaufenden Streiks und Versammlungen der Opposition zu beenden, setzten die Behörden ab dem 2. Januar 2014 drei Tage lang in Folge Gewalt in ungerechtfertigtem und unverhältnismäßigem Maße ein und verletzten so internationale Menschenrechte und Standards zum Einsatz von Gewalt und Schusswaffen. Die kambodschanischen Behörden gaben zwar an, dass eine Untersuchung zu den gewaltsamen Vorkommnissen durchgeführt werden würde, Amnesty International sind jedoch keine Fortschritte in dieser Hinsicht bekannt.