Zwei Aktivisten weiter in Haft

Kasachstan

Kasachstan

Das Gericht von Atyrau in Kasachstan hat am 29. Juli die Untersuchungshaftanordnung der beiden gewaltlosen politischen Gefangenen Maks Bokaev und Talgat Ayan bis zum 31. August verlängert. Der gewaltlose politische Gefangene Zhanat Esentaev wurde am 15. Juli wegen des "Säens von Zwietracht" zu zweieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt und unter Auflagen aus der Haft entlassen.

Appell an

GENERALSTAATSANWALT
Zhakip Assanov
14 Orynbor Street
Astana, 010000
REPUBLIK KASACHSTAN
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 7) 7172 506 402

INNENMINISTER
Kalmukhanbet Kassymov
Tauelsizdik avenue, 1
Astana, 010000
REPUBLIK KASACHSTAN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Innenminister)
E-Mail: Kense@mvd.kz

Sende eine Kopie an

MENSCHENRECHTSBEAUFTRAGTER
Askar Shakirov
8 Orynbor Street, Astana, 010000
REPUBLIK KASACHSTAN
Fax: (00 7) 7172 740 548

BOTSCHAFT DER REPUBLIK KASACHSTAN
S. E. Herrn Bolat Nussupov
Nordendstraße 14/17
13156 Berlin
Fax: 030-4700 7 125
E-Mail: info@botschaft-kaz.de oder
berlin@mfa.kz

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Kasachisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 13. September 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie bitte alle Anklagen gegen Maks Bokaev und Talgat Ayan fallen und lassen Sie die Männer umgehend und bedingungslos frei, da sie gewaltlose politische Gefangene sind, die lediglich wegen der Wahrnehmung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit und der Absicht der Ausübung ihres Rechts auf Versammlungsfreiheit inhaftiert sind.

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass alle Anklagen gegen Zhanat Esentaev fallengelassen und die an seine Freilassung geknüpften Auflagen aufgehoben werden.

  • Ich fordere Sie auf, die Rechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit für alle Menschen in Kasachstan zu respektieren.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Kazakhstani authorities to drop all charges against Maks Bokaev and Talgat Ayan and release them immediately and unconditionally as they are prisoners of conscience, detained solely for exercising their right to freedom of expression and intending to exercise their right to peaceful assembly.

  • Urging the Kazakhstani authorities to take steps to have all charges against Zhanat Esentaev overturned and to lift the restrictions imposed on him as part of his sentence.

  • Calling on them to respect the rights to freedom of peaceful assembly and freedom of expression for all in Kazakhstan.

Sachlage

Am 29. Juli entschied das Gericht Nr. 2 in der Stadt Atyrau in der gleichnamigen Region im Westen Kasachstans, dass die beiden gewaltlosen politischen Gefangenen Maks Bokaev und Talgat Ayan bis zum 31. August in Untersuchungshaft bleiben müssen. Die gegen sie erhobene Anklage wegen "Propaganda und öffentlichen Aufrufens zur Übernahme oder Erhaltung der Macht, sowie der Übernahme oder Erhaltung der Macht bzw. der gewaltsamen Herbeiführung eines Wechsels in der verfassungsmäßigen Ordnung der Republik Kasachstan" (Artikel 179 des Strafgesetzbuchs von Kasachstan) wurde fallengelassen. Stattdessen wirft man ihnen nun vor, "soziale, nationale, ethnische, klassenbezogene oder religiöse Zwietracht gesät" (Paragraf 174), "falsche Informationen verbreitet" (Paragraf 274) und "nicht genehmigte Treffen und Demonstrationen organisiert" (Paragraf 400) zu haben.

Am 15. Juli sprach das Gericht der Stadt Uralsk im Nordwesten von Kasachstan den Sänger und Aktivisten Zhanat Esentaev schuldig, mit Beiträgen auf Facebook "soziale, nationale, ethnische, klassenbezogene oder religiöse Zwietracht gesät" zu haben. Das Gericht verhängte eine zweieinhalbjährige Haftstrafe gegen ihn, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem wurden folgende Auflagen an seine Haftentlassung geknüpft: Zhanat Esentaev darf nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen, keine Konzerte veranstalten, keine Seminare und Workshops besuchen, an denen internationale Organisationen teilnehmen, und keine Informationen zu sozio-politischen Themen veröffentlichen. Er wurde direkt nach der Urteilsverkündung freigelassen.

In ganz Kasachstan waren für den 21. Mai Demonstrationen gegen Änderungen des Bodengesetzes geplant. Maks Bokaev, Talgat Ayan und Zhanat Esentaev waren gemeinsam mit Dutzenden anderen Aktivist_innen im Vorfeld der Demonstrationen festgenommen worden.

Angehörige von Maks Bokaev und Talgat Ayan haben ihre Sorge bezüglich der Haftbedingungen und des Gesundheitszustands der beiden Männer zum Ausdruck gebracht.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Maks Bokaev und Talgat Ayan wurden am 17. Mai in Atyrau im Westen von Kasachstan festgenommen, nachdem sie angekündigt hatten, an den für den 21. Mai geplanten Demonstrationen teilnehmen zu wollen. Sie hatten auch andere Personen aufgefordert, an den Protestveranstaltungen teilzunehmen. Die beiden Männer wurden unter Paragraf 488 des Gesetzbuchs über Ordnungswidrigkeiten wegen "Verstoßes gegen die Gesetze der Republik Kasachstan zur Organisation und Durchführung friedlicher Versammlungen" zu 15 Tagen Verwaltungshaft verurteilt. Zhanat Esentaev wurde am selben Tag in Uralsk im Nordwesten des Landes festgenommen. Maks Bokaev, Talgat Ayan und Zhanat Esentaev hatten entsprechend der nationalen Rechtsvorschriften bei den lokalen Behörden eine Genehmigung für Demonstrationen am 21. Mai beantragt.

Die Verwaltungshaft von Maks Bokaev und Talgat Ayan hätte am 1. Juni auslaufen sollen. Am 31. Mai wurde jedoch unter Paragraf 179 des Strafgesetzbuchs wegen "Propaganda und öffentlichen Aufrufens zur Übernahme oder Erhaltung der Macht, sowie der Übernahme oder Erhaltung der Macht bzw. der gewaltsamen Herbeiführung eines Wechsels in der verfassungsmäßigen Ordnung der Republik Kasachstan" Anklage gegen sie erhoben. Sie wurden für drei Monate in Atyrau in Untersuchungshaft genommen.

Ende April und Anfang Mai fanden in ganz Kasachstan Demonstrationen gegen die geplanten Änderungen des Bodengesetzes statt. Diese Änderungen sehen vor, dass ungenutzte landwirtschaftliche Flächen privatisiert und an kasachische Staatsangehörige verkauft oder bis zu 25 Jahre lang an ausländische Staatsangehörige verpachtet werden können. Im Mai verhängte der Präsident ein Moratorium über die Gesetzesänderungen, wodurch diese derzeit aufgehoben sind; die Proteste dauerten jedoch weiter an.

Am 21. Mai hätten erneut Proteste stattfinden sollen. Überall dort, wo die Organisator_innen im Vorfeld Genehmigungen für die Protestveranstaltungen von den Lokalbehörden einholen wollten, wie es die nationale Gesetzgebung vorschreibt, wurde diese Genehmigung willkürlich verweigert. Dennoch unternahmen Menschen in vielen Städten des Landes den Versuch, am 21. Mai friedlich in den Stadtzentren zu demonstrieren. Hierbei handelte es sich ausnahmslos um relativ kleine Versammlungen von meist einigen Dutzend bis zu mehreren Hundert Personen. In den meisten Fällen wurden die Versammlungen von der Polizei aufgelöst. Berichte über Gewalt gab es keine.

Im Vorfeld des 21. Mai wurden mindestens 34 Aktivist_innen festgenommen und zu Verwaltungshaftstraften von bis zu 15 Tagen verurteilt. Ziel der Behörden war es, auf diese Weise Informationen über die geplanten Proteste zu unterdrücken und die mutmaßlichen "Organisator_innen" hinter Gitter zu bringen. In den meisten Fällen hatten die zwischen dem 17. und 21. Mai festgenommen Personen nichts weiter getan, als ihre Absicht zur Teilnahme an den geplanten Demonstrationen in sozialen Medien mitzuteilen oder Informationen dazu bereitzustellen. Die meisten inhaftierten Personen wurden nach einiger Zeit wieder freigelassen; einige wurden jedoch mit einer Geldstrafe belegt oder zu Verwaltungshaftstrafen von 10-15 Tagen verurteilt.

Das Recht auf friedliche Versammlung ist in Kasachstan stark eingeschränkt. Demonstrationen erfordern eine Genehmigung seitens der lokalen Behörden. Diese wird jedoch häufig verweigert, oder es wird nicht erlaubt, die Veranstaltung an einem zentralen Ort durchzuführen. Verstöße gegen Rechtsvorschriften zu Versammlungen, so z. B. die Organisation einer unerlaubten Demonstration oder die Teilnahme daran (Paragrafen 155 und 400 des Strafgesetzbuchs und Paragraf 488 des Gesetzbuchs über Ordnungswidrigkeiten), werden mit bis zu 75 Tagen Verwaltungshaft bestraft.

Das Recht auf friedliche Versammlung wird durch internationale Menschenrechtsabkommen geschützt, zu deren Vertragsstaaten Kasachstan gehört und die in der Folge rechtlich bindend für das Land sind, wie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Artikel 21). In internationalen Standards zum Recht auf friedliche Versammlung ist klar festgelegt, dass die Ausübung des Rechts auf friedliche Versammlung nicht der Genehmigung staatlicher Behörden unterliegen sollte. Staaten können die vorherige Anmeldung – jedoch nicht die Billigung ihrerseits – von Versammlungen erforderlich machen, um die Ausübung des Rechts auf friedliche Versammlung zu gewährleisten bzw. zu vereinfachen und Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder der Rechte anderer zu ergreifen.