Minderjähriger in Verwaltungshaft

Der Palästinenser Abed al-Rahman Awad Kmail wurde am 4. Februar mitten in der Nacht von israelischen Sicherheitskräften festgenommen. Es wurde eine viermonatige Verwaltungshaftanordnung gegen ihn erlassen. Er ist im Gefängnis 17 Jahre alt geworden.

Appell an

VERTEIDIGUNGSMINISTER
Moshe Ya’alon
Ministry of Defence
Kaplan Street, Hakirya
Tel Aviv 61909, ISRAEL
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 3 691 6940
E-Mail: minister@mod.gov.il oder
pniot@mod.gov.il

KOMMANDANT DER ISRAELISCHEN
VERTEIDIGUNGSSTREITKRÄFTE - WESTJORDANLAND
Major-General Roni Numa
GOC Central Command
Military Post 01149, Battalion 877
Israel Defense Forces, ISRAEL
(Anrede: Dear Major-General Roni Numa /
Sehr geehrter Herr Generalmajor)
Fax: (00 972) 2 530 5741 oder (00 972) 2 530 5724

Sende eine Kopie an

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Gilad Erdan
Kiryat Hamemshala
PO Box 18182
Jerusalem 91181, ISRAEL
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 2 584 7872
E-Mail: gerdan@knesset.gov.il

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S. E. Herrn Yacov-David Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76
14193 Berlin
Fax: 030 8904 5555 oder
030 8904 5309
E-Mail: botschaft@israel.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 10. Juni 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie Abed al-Rahman Awad Kmail und alle weiteren minderjährigen Verwaltungshäftlinge frei, sofern sie nicht einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und in einem Verfahren vor Gericht gestellt werden, in welchem internationale Standards des Jugendstrafrechts beachtet werden.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass alle minderjährigen Verwaltungshäftlinge gemäß internationalen Standards des Jugendstrafrechts regelmäßigen Zugang zu ihren Familien und Rechtsbeiständen erhalten und getrennt von Erwachsenen untergebracht werden, sofern nicht ein anderes Vorgehen als dem Wohl der Minderjährigen dienlich erachtet wird.

  • Bitte ergreifen Sie sofort Maßnahmen zur Beendigung der Praxis der Verwaltungshaft.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to release Abed al-Rahman Awad Kmail and all other child administrative detainees unless they are charged with recognizable criminal offences and tried in proceedings that adhere to international standards of juvenile justice.

  • Calling on them to ensure all child administrative detainees are allowed regular visits from their family and lawyers and kept separately from adults at all times, unless this is counter to their best interests, in line with international standards of juvenile justice.

  • Urging them to take immediate steps to end the practice of administrative detention.

Sachlage

Gegen Abed al-Rahman Awad Kmail aus Qabatiya, einer Stadt südlich von Dschenin, wurde am 11. Februar eine sechsmonatige Verwaltungshaftanordnung erlassen, die am 16. Februar von einem Militärrichter auf vier Monate reduziert worden ist. Abed al-Rahman Awad Kmail hat seinen 17. Geburtstag im Gefängnis verbracht.

Mithilfe von Verwaltungshaftanordnungen können die israelischen Behörden Personen über unbestimmte Zeiträume hinweg ohne Verfahren und Anklage festhalten. Diese Form der Inhaftierung wird vom israelischen Militär überwiegend gegen Palästinenser_innen und seit Ende 2015 vermehrt gegen Minderjährige verhängt. Die Familie von Abed al-Rahman Awad Kmail sagte Amnesty International gegenüber, dass israelische Sicherheitskräfte den zu diesem Zeitpunkt noch 16-Jährigen am 4. Februar um 2 Uhr nachts festgenommen hätten, als dieser bereits schlief. Anschließend wurde er drei Tage lang im nahegelegenen Kontrollpunkt in Jalamah festgehalten, bevor man ihn in das Megiddo-Gefängnis im Norden Israels brachte. Abed al-Rahman Awad Kmail hat erklärt, dass man ihn nicht verhört habe und er den Grund für seine Inhaftierung nicht kenne.

Mohammed Ghaith, Fadi Abbasi und Kathem Sbeih, drei 17-jährige Palästinenser aus Ostjerusalem, die im Oktober 2015 festgenommen wurden, waren die ersten Minderjährigen, die seit Dezember 2011 in Verwaltungshaft genommen wurden. Weitere Informationen zu ihrem Fall finden Sie in UA-248/2015, online unter: https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-248-2015/minderjaehrige-haft. Die drei Jugendlichen wurden am 19. Januar 2016 nach Ablauf ihrer Haftanordnung freigelassen. Seitdem sind mindesten 13 weitere Minderjährige unter Verwaltungshaft gestellt worden. Am 26. April befanden sich elf von ihnen noch immer in Haft. Einer der Inhaftierten, ein 17-Jähriger aus Ya’bad in Dschenin, wurde am 2. März 2016 um 4 Uhr morgens im Schlaf von israelischen Sicherheitskräften überrascht, die die Tür zu seinem Haus aufbrachen und ihn festnahmen. Er gibt an, in der Salem-Hafteinrichtung im besetzten Westjordanland 39 Stunden im Zusammenhang mit Vorwürfen der Anstiftung zu Gewalt über soziale Medien befragt worden zu sein. Er streitet die Vorwürfe ab. Gegen den 17-Jährigen wurde am 14. März eine dreimonatige Verwaltungshaftanordnung erlassen. Er befindet sich im Megiddo-Gefängnis.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Abed al-Rahman Awad Kmail macht in Dschenin eine Ausbildung im Fertigungsbereich. Seine derzeitige Verwaltungshaftanordnung läuft am 11. Juni 2016 aus.

Die Praxis der Verwaltungshaft wurde vorgeblich als Sondermaßnahme zur Inhaftierung von Personen eingeführt, die eine große und unmittelbare Gefahr für die Sicherheit darstellen. Israel setzt diese Form der Haft jedoch als Alternative zum Strafjustizsystem ein, um Personen festzunehmen, anzuklagen und vor Gericht zu stellen, denen Straftaten vorgeworfen werden. Verwaltungshaftanordnungen, die beliebig oft verlängert werden können, werden zudem gegen Personen eingesetzt, für deren Festnahme keinerlei Gründe vorliegen. Amnesty International ist der Ansicht, dass einige der Palästinenser_innen, die unter israelischer Verwaltungshaft stehen, gewaltlose politische Gefangene sind, die sich nur deshalb in Haft befinden, weil sie friedlich ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen haben. Seit Oktober 2015 kommt es in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten verstärkt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Wie in anderen Zeiten erhöhter Spannungen gehen die israelischen Behörden mit Massenfestnahmen und vermehrten Verwaltungshaftanordnungen gegen Palästinenser_innen vor. Gleichzeitig wurde wieder damit begonnen, Minderjährige in Verwaltungshaft zu nehmen. Ende Februar 2016 befanden sich laut der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem 627 Personen in Verwaltungshaft. Im Februar 2015 waren es 424. Zwischen 2004 und 2008 befanden sich zahlreiche Minderjährige in israelischer Verwaltungshaft, doch ihre Zahl nahm über die Jahre hinweg stetig ab, bis sich im Dezember 2011 nur noch eine minderjährige Person in Verwaltungshaft befand. Im Oktober 2015 wurden dann nach fast vier Jahren zum ersten Mal wieder drei Minderjährige – drei 17-Jährige, die über einen Jerusalem-Identitätsausweis verfügten – in Verwaltungshaft genommen.

Internationale Menschenrechtsnormen schreiben vor, dass die Inhaftierung von Kindern – also von Personen unter 18 Jahren – nur als letztes Mittel angewendet werden darf und so kurz wie möglich zu halten ist. Minderjährigen, die sich in Israel in Verwaltungshaft befinden, wird ihr Recht, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung vor einem Gericht "oder einer anderen zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Behörde" anzufechten und ihr Recht auf eine "alsbaldige Entscheidung in einem solchen Verfahren" verwehrt. Diese Rechte sind im UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes festgeschrieben, zu dessen Vertragsstaaten Israel gehört. Die Rechte der inhaftierten Minderjährigen auf angemessenen Schutz werden unter anderem dadurch missachtete, dass man sie zusammen mit Erwachsenen inhaftiert. Laut der Kinderrechtsorganisation Defence for Children International-Palestine wurde der 17-jährige Basir Mohammad Al-Atrash aus Hebron am 30. Oktober 2015 verhört und erhielt keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Man warf ihm vor, mit Steinen geworfen und über soziale Medien zu Aufruhr angestiftet zu haben. Er streitet diese Vorwürfe ab. Er wurde in einem im Freien stehenden Metallkäfig zusammen mit fünf erwachsenen Häftlingen festgehalten. Gegen ihn wurde eine dreimonatige Verwaltungshaftanordnung erlassen. Am 26. Januar 2016, zwei Tage vor Ablauf seiner Haftanordnung, erhob die israelische Militärstaatsanwaltschaft dann Anklage gegen ihn. Es wurde ihm vorgeworfen, Molotow-Cocktails hergestellt und auf einen israelischen Militärkontrollpunkt geworfen zu haben. Auch Mohammed Ghaith und Fadi Abbasi, die im Oktober 2015 in Verwaltungshaft genommen worden waren, wurden laut der Familie von Mohammed Ghaith in einem Trakt festgehalten, in dem Erwachsene und Minderjährige gemeinsam inhaftiert waren.

Einige Minderjährige sind ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand langen Verhören ausgesetzt worden und wurden in Einzelhaft festgehalten. Der 17-jährige Palästinenser Mohammad al-Hashlamoun wurde in den frühen Morgenstunden des 3. Dezember 2015 bei sich zuhause im Stadtteil Ras al-Amud in Ostjerusalem festgenommen. Etwa 40 Angehörige der Grenzpolizei und des israelischen Sicherheitsdienstes (ISA) durchsuchten das Mehrparteienhaus, in dem sich insgesamt drei Wohnungen befinden. Man brachte ihn in das Vernehmungszentrum des ISA, das sich in der Hafteinrichtung des Gebäudekomplexes "Russian Compound" in Jerusalem befindet. Dort wurde er 18 Tage lang festgehalten, bevor man ihn für vier Tage in das Ashkelon-Gefängnis im Süden Israels verlegte. Mohammad al-Hashlamoun wurde wiederholt gefragt, ob er Anschläge in Jerusalem plane, was er jedoch abstritt. Man hielt ihn 22 Tage lang in Einzelhaft fest, verwehrte ihm den Zugang zu einem Rechtsbeistand und verhörte ihn wiederholt über lange Zeiträume. In seiner zweiten Anhörung vor dem Amtsgericht von Jerusalem am 20. Januar wurde er zu einer Woche Hausarrest und einer Geldstrafe von gut 1.000 Euro verurteilt. Statt Mohammad al-Hashlamoun allerdings seinen Hausarrest antreten zu lassen, erließ der Verteidigungsminister am nächsten Tag eine sechsmonatige Verwaltungshaftanordnung gegen ihn. Weitere Informationen zu seinem Fall finden Sie in UA-031/2016, online unter: https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-031-2016/minderjaehriger-haft.