Im Visier der Behörden

In Ägypten gehen die Behörden auf beispiellose Weise gegen Menschenrechtsorganisationen vor. So wurde die Schließung einer bekannten NGO zur Rehabilitation für Folteropfer angeordnet, und zahlreiche Menschenrechtler_innen wurden verhört, mit Reiseverboten belegt und am Zugriff auf ihre Konten gehindert.

Appell an

SOZIALMINISTERIN
Her Excellency Ghada Waly
Ministry of Social Solidarity
19 Maraghi Street, Giza, ÄGYPTEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2 794 8257 oder
(00 202) 3 337 5390

STELLVERTRETENDE AUSSENMINISTERIN
Mahy Hassan Abdel Latif
Deputy Assistant Minister for Human Rights and NGO Affairs, Ministry of Foreign Affairs
Cairo, ÄGYPTEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2574 9713
E-Mail: contact.us@mfa.gov.eg

KOPIEN AN
VORSITZENDER DES NATIONALEN MENSCHENRECHTSRATS
Mohamed Fayek
69 Giza St. - next to the Embassy of Saudi Arabia
Cairo, ÄGYPTEN
Fax: (00 202) 3 762 4852

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN
S. E. Herrn Badr Ahmed Mohamed Abdelatty
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. Mai 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Sachlage

Die ägyptischen Behörden versuchen zunehmend, Menschenrechtsorganisationen schließen zu lassen, und Menschenrechtsverteidiger_innen befürchten, unter repressiven Gesetzen über ausländische Finanzierung zu Haftstrafen von bis zu 25 Jahren angeklagt und verurteilt zu werden.

Am 5. April versuchten Beamt_innen des Gesundheitsministeriums und der Kommunalregierung, die NGO El Nadeem Center for Rehabilitation of Victims of Violence ("El-Nadeem-Zentrum für die Rehabilitation von Gewaltopfern") schließen zu lassen. Mitarbeiter_innen der NGO sagten Amnesty International, dass die Beamt_innen sie aufforderten, das Bürogebäude zu verlassen, sich jedoch weigerten, ein offizielles Dokument zur Schließung der Organisation vorzulegen. Die Mitarbeiter_innen weigerten sich, das Büro zu verlassen, fürchten jedoch, dass die Behördenvertreter_innen bald mit Verstärkung der Sicherheitskräfte zurückkommen könnten.

In einem anderen Fall wurden die Gerichte im Zuge eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zur Finanzierung von NGOs angewiesen, die Vermögenswerte zweier bekannter Menschenrechtler einzufrieren. Hierbei handelt es sich um Hossam Baghat, Investigativjournalist und Gründer der Menschenrechtsgruppe Egyptian Initiative for Personal Rights ("Ägyptische Initiative für persönliche Rechte"), und Gamal Eid, Gründer und Leiter der Organisation Arabic Network for Human Rights Information ("Arabisches Netzwerk für Menschenrechtsinformationen"), sowie zwei seiner Familienangehörigen. Ein Gerichtstermin ist für den 20. April angesetzt.
Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens wurden bereits zahlreiche Menschenrechtler_innen und NGO-Mitarbeiter_innen zu ihrer Registrierung, ihren Aktivitäten und ihren Finanzierungsquellen befragt – darunter mindestens sieben seit Anfang März. Angestellte bei Menschenrechtsorganisationen und Gruppen, die sich für politische Reform einsetzen, sowie zahlreiche weitere Personen sind zudem in den vergangenen Monaten von den Behörden an der Ausreise aus Ägypten gehindert worden.

[SCHREIBEN SIE BITTE ]

FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte widerrufen Sie Ihre Entscheidung, die Menschenrechtsorganisation El Nadeem Center for Rehabilitation of Victims of Violence zu schließen.

  • Heben Sie bitte die Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger_innen und andere Mitarbeiter_innen von NGOs auf, die nur ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit wahrnehmen, und geben Sie die eingefrorenen Gelder wieder frei.

  • Bitte verabschieden Sie ein neues Vereinigungsgesetz, das sowohl internationalen Standards als auch der ägyptischen Verfassung entspricht, und gewähren Sie NGOs eine angemessene Frist, um sich unter dem neuen Gesetz zu registrieren.

[APPELLE AN]

SOZIALMINISTERIN
Her Excellency Ghada Waly
Ministry of Social Solidarity
19 Maraghi Street, Giza, ÄGYPTEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2 794 8257 oder
(00 202) 3 337 5390

STELLVERTRETENDE AUSSENMINISTERIN
Mahy Hassan Abdel Latif
Deputy Assistant Minister for Human Rights and NGO Affairs, Ministry of Foreign Affairs
Cairo, ÄGYPTEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 202) 2574 9713
E-Mail: contact.us@mfa.gov.eg

KOPIEN AN
VORSITZENDER DES NATIONALEN MENSCHENRECHTSRATS
Mohamed Fayek
69 Giza St. - next to the Embassy of Saudi Arabia
Cairo, ÄGYPTEN
Fax: (00 202) 3 762 4852

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN
S. E. Herrn Badr Ahmed Mohamed Abdelatty
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. Mai 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Menschenrechtsorganisation El Nadeem Center for Rehabilitation of Victims of Violence ist seit 1993 registriert und hat bereits Hunderten von Folteropfern geholfen – z. B. durch Beratungsdienste, rechtlichen Beistand und andere wichtige Dienstleistungen. Der Versuch der Behörden, die Organisation am 5. April zu schließen, war bereits der zweite in diesem Jahr. Am 17. Februar waren Sicherheitskräfte in das Bürogebäude gekommen und hatten den Angestellten eine Schließungsanordnung des Gesundheitsministeriums präsentiert. Die Organisation hat den Betrieb jedoch aufrechterhalten. Am 24. Februar verkündete das Gesundheitsministerium, dass El Nadeem durch seine Menschenrechtsarbeit gegen seine Lizenz verstoßen habe. Die Organisation reagierte darauf mit dem Hinweis, dass diese Vorwürfe falsch seien, da sie ordnungsgemäß registriert sei. Die Anschuldigungen von Regierungsseite seien zudem nach der Veröffentlichung eines Berichts erhoben worden, in dem den Sicherheitskräften Folter und andere Misshandlungen vorgeworfen wurden.

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Menschenrechtsgruppen läuft bereits seit Mitte 2011. Damals leitete die Regierung eine Untersuchung bezüglich der Registrierung und Finanzierung der im Land tätigen NGOs ein. Im Dezember 2011 wurden fünf internationale NGOs und zwei ägyptische Menschenrechtsorganisationen von Angehörigen der Staatsanwaltschaft und Sicherheitskräfte durchsucht. Im Juni 2013 wurden 43 Mitarbeiter_innen internationaler NGOs zu Haftstrafen zwischen einem Jahr und fünf Jahren verurteilt. Man warf ihnen vor, für nicht-registrierte NGOs zu arbeiten und illegale Finanzmittel erhalten zu haben. Die Haftstrafen wurden alle entweder zur Bewährung ausgesetzt oder in Abwesenheit der Angeklagten verhängt.

Die justizielle Untersuchung läuft weiter und konzentriert sich auf ägyptische Menschenrechtsorganisationen. Auch die Regierung übt direkten Druck auf NGOs aus. Mitte Juli 2014 ordnete das Ministerium für Soziale Solidarität an, dass sich alle NGOs unter dem Vereinigungsgesetz (Gesetz Nr. 84 aus dem Jahr 2002) registrieren müssen. Das Gesetz ermöglicht es der Regierung, Gruppen willkürlich aufzulösen, Vermögenswerte einzufrieren, Eigentum zu beschlagnahmen und Kandidat_innen für den Verwaltungsrat abzulehnen.

Das harte Vorgehen gegen NGOs hat sich in den vergangenen Wochen verstärkt. Am 3. März wurde der Rechtsanwalt Negad al-Borei von einem Untersuchungsrichter befragt. Er ist Leiter der United Group, einer Anwaltskanzlei, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen vertritt und Berichte über Folter veröffentlicht hat. Zwischen dem 13. und 15. März wurden drei Angestellte der Nazra for Feminist Studies, zwei Angestellte des Kairoer Instituts für Menschenrechtsstudien und ein Angestellter der United Group zur richterlichen Befragung vorgeladen. Mozn Hassan, die Gründerin und Leiterin von Nazra for Feminist Studies, wurde ebenfalls zur Befragung vorgeladen.

Mehrere Menschenrechtsverteidiger_innen sind zudem von Gerichten, Staatsanwält_innen und Sicherheitsbehörden mit Reiseverboten belegt worden. Darunter sind zum Beispiel Hossam Baghat und Gamal Eid, die beide im Februar 2016 ein Reiseverbot erhielten, sowie Mohamed Lotfy, der Leiter der Ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheiten, der im Juni 2015 nicht nach Deutschland reisen durfte, um vor dem Bundestag zu sprechen. Im Januar 2015 durfte die Aktivistin Esraa Abdel Fattah, die für die Egyptian Democratic Academy – EDA ("Ägyptische Demokratische Akademie") arbeitet, nicht nach Deutschland reisen. Mehrere andere Mitarbeiter_innen der EDA durften ebenfalls nicht ins Ausland reisen.

Die Annahme von Finanzmitteln aus dem Ausland ohne die Genehmigung der Regierung wird sowohl durch das Vereinigungsgesetz als auch durch das Strafgesetzbuch kriminalisiert. Gemäß Paragraf 78 des Strafgesetzbuches können Personen zu einer Haftstrafe von 25 Jahren und einer Geldstrafe von 500.000 Ägyptischen Pfund (ca. 50.000 Euro) verurteilt werden, wenn sie Geld oder Materialien aus dem Ausland erhalten und damit die "nationalen Interessen" Ägyptens verletzen, die "territoriale Integrität" des Landes untergraben oder "den öffentlichen Frieden" stören. Im März 2016 hat der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte seine "große Besorgnis" über das Vorgehen gegen ägyptische Menschenrechtsorganisationen geäußert. Der Kommissar sagte: "Jeder hat das Recht, Gelder zu erhalten, um mit friedlichen Mitteln die Menschenrechte zu unterstützen." Die ägyptischen Gesetze, mit denen der Zugang zu Geldern aus dem Ausland eingeschränkt wird, wurden bereits wiederholt von UN-Gremien kritisiert, die beobachten, ob Ägypten seine Verpflichtungen gemäß internationalen Menschenrechtsabkommen einhält. Das Recht auf Vereinigungsfreiheit ist in Paragraf 75 der ägyptischen Verfassung und in Artikel 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte festgelegt, zu dessen Vertragsstaaten Ägypten gehört.