15-Jähriger in Gefahr

Bei Demonstrationen in Malawi am 20. waren mindestens 18 Menschen getötet und viele weitere verletzt worden

Bei Demonstrationen in Malawi am 20. waren mindestens 18 Menschen getötet und viele weitere verletzt worden

Im Dorf Nambirikira in Malawi ist ein 15-jähriger Junge mit Albinismus am 24. April "verschwunden". Die Polizei und Dorfbewohner_innen suchen nach ihm. Tausende Menschen mit Albinismus und ihre Angehörigen leben in Malawi in ständiger Angst, verschleppt und getötet zu werden, weil man ihre Körperteile für die Nutzung zur "Hexerei" verkaufen will.

Appell an

PRÄSIDENT
His Excellency Professor Arthur Peter Mutharika
Office of the President and Cabinet

Private Bag 301
Capital City, Lilongwe 3
MALAWI
(Anrede: Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 265) 1 773 954 oder (00 265) 1 789 273

GENERALINSPEKTEUR DER POLIZEI
Mr Lextam Kachama
National Police Headquarters
Private Bag 305
Capital City, Lilongwe 3
MALAWI
(Anrede: Dear Sir / Sehr geehrter Herr Kachama)

Sende eine Kopie an

VORSITZENDER DER VEREINIGUNG DER MENSCHEN MIT ALBINISMUS IN MALAWI
Bonface Massah
Association of People with Albinism
c/o FEDOMA

Private Bag 797

Limbe, Blantyre
MALAWI
E-Mail: albinismassociationmw@gmail.com

BOTSCHAFT DER REPUBLIK MALAWI
S.E. Herr Michael Barth Kamphambe Nkhoma
Westfälische Straße 86
10709 Berlin
Fax: 030-84 31 54 30
E-Mail: malawiberlin@aol.com

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informa¬tionen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 10. Juni 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Angesichts der Berichte über Tötungen und versuchte bzw. tatsächliche Entführungen von Menschen mit Albinismus bin ich in großer Sorge um deren Schutz und Sicherheit.

  • Bitte stellen Sie sicher, dass unverzüglich umfassende und transparente Untersuchungen zu der Entführung und dem Verbleib von David Fletcher eingeleitet werden.

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass Personen, die verdächtigt werden, Verbrechen gegen Menschen mit Albinismus verübt zu haben, in Verfahren vor Gericht gestellt werden, die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen.

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass entsprechend der Verpflichtungen und Zugeständnisse Malawis unter internationalen Menschenrechtsabkommen wirksame Maßnahmen zum Schutz der Menschen mit Albinismus ergriffen werden, darunter auch zum Schutz ihrer Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling for a prompt, thorough and transparent investigation into the whereabouts of David Fletcher.

  • Calling for those suspected to be responsible for crimes against people with albinism including abductions and killings to be brought to justice through trials that meet international standards of fairness

  • Urging the authorities to provide effective protection for people with albinism and ensure their right to life and personal security, in accordance with Malawi's international human rights obligations and commitments.

  • Expressing concern over the safety and security of people with albinism in Malawi following reports of killings, abductions and attempted abductions.

Sachlage

David Fletcher machte sich am 24. April auf, im Dorf Nambirikira (Kachere im Distrikt Dedza) ein Fußballspiel anzuschauen. Seitdem fehlt jede Spur von ihm. Die Polizei sucht nach ihm.

Am 14. April fanden Bauern in einem flachen Grab den Leichnam der 21-jährigen Enelesi Nkhata, einer Frau mit Albinismus. Sie hatte eine Stichwunde in der Brust und ihr waren Arme und Beine abtrennt worden. Enelesi Nkhata hatte ihre Großmutter im Dorf Kumtumba Village im Distrikt Dedza von Kaphula besucht. Offenbar hatte Gerald Phiri, ein Verwandter von ihr, sie glauben lassen, er habe in Madisi im Distrikt Dowa einen Job für sie gefunden. Enelesi Nkhata "verschwand" einige Tage vor dem 14. April. Weil Nachbar_innen sie tagelang nicht gesehen hatten, meldeten sie sie bei der Polizei als vermisst. Mindestens zehn Männer, darunter einige Geschäftsleute, wurden unter dem Verdacht, an der Ermordung von Enelesi Nkhata beteiligt gewesen zu sein, festgenommen. Gerald Phiri bekannte sich schuldig, an der Planung des Mordes und der Entführung mit dem Ziel, sie zu ermorden, beteiligt gewesen zu sein. Er wurde auf der Grundlage der Paragrafen 404 und 261 des Strafgesetzbuchs schuldig befunden und wegen beider Straftaten zu fünf bzw. zwölf Jahren Haft verurteilt.

Am 13. April wurde ein Teil des Schädels und die Kleidung der zweijährigen Whitney Chilumpha in der Region Balantha Hill gefunden. Unbekannte hatten sie aus dem Haus der Familie verschleppt. Im Zusammenhang mit der Ermordung der Zweijährigen sind zwei Personen festgenommen worden, darunter auch ihr Vater.

Tausende Menschen mit Albinismus sind in Malawi in Gefahr, verschleppt und getötet zu werden, weil man ihre Körperteile für die Nutzung zur "Hexerei" verkaufen will. Seit Dezember 2014 sind bereits mindestens zwölf Betroffene getötet worden. Fünf weitere wurden verschleppt und werden seither vermisst. Zwischen Dezember 2014 und April 2016 wurden darüber hinaus mindestens 69 anderweitige Straftaten gegen Menschen mit Albinismus angezeigt, darunter versuchte Entführungen und das Öffnen von Gräbern auf der Suche nach Knochen von verstorbenen Betroffenen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die meisten Menschen mit Albinismus in Malawi leben in ländlichen Gebieten unter extremer Armut. Irr- und Aberglaube gefährden die Sicherheit und das Leben der Betroffenen, die sich in Gefahr befinden, verschleppt, verstümmelt und getötet zu werden. Rituelle Tötungen von Menschen mit Albinismus gehen auf den Aberglauben und Mythos zurück, ihre Knochen oder Körperteile würden Reichtum bringen. Den meisten Fällen von versuchten und tatsächlichen Entführungen und anderweitigen Gewalttaten gegen Menschen mit Albinismus in Malawi liegt eben dieser Irrglaube zugrunde. Die wenigen Täter_innen, die in der Vergangenheit festgenommen wurden, sind entweder freigesprochen oder nur sehr milde bestraft worden. Die Regierung hat bislang keine wirksamen Maßnahmen ergriffen oder Programme umgesetzt, um die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Albinismus zu ändern, somit befinden sich Betroffene noch immer in großer Gefahr. Es kommt sogar zu Fällen, in denen Kinder von ihren Angehörigen verschleppt und verkauft werden.

Albinismus bezeichnet eine Gruppe seltener, nicht-ansteckender, angeborener Stoffwechselerkrankungen. Nur wenn beide Eltern ein entsprechendes Gen aufweisen, kommt ein Kind mit Albinismus zur Welt, die Eltern selbst müssen dabei jedoch nicht betroffen sein. Albinismus tritt geschlechterübergreifend, in allen ethnischen Gruppen und Regionen der Welt auf. Bei den Betroffenen ist die Pigmentbildung (Melanin) in den Haaren, der Haut und den Augen gestört, sodass sie in der Folge sehr empfindlich auf Sonne und Licht reagieren. Fast alle Menschen mit Albinismus leiden daher an Sehstörungen und erkranken zudem häufig an Hautkrebs. Es gibt keine Möglichkeit, die fehlende Pigmentbildung zu heilen.

Malawis Präsident Arthur Peter Mutharika hat am 19. März 2015 eine Erklärung herausgegeben, in der er die Angriffe gegen Menschen mit Albinismus verurteilte und die Polizei dazu aufforderte, die Täter_innen festzunehmen und die Betroffenen zu schützen. Obwohl einige Festnahmen vorgenommen wurden, gibt es noch immer Zweifel an der Angemessenheit der polizeilichen Ermittlungen und der verhängten Strafen.

Ein Kollege von David Fletcher, der zuletzt mit ihm gesehen wurde, wird ebenfalls vermisst und kann telefonisch nicht erreicht werden. Er hat keinen Albinismus. Die Polizei sucht nun auch nach ihm.

In der Nacht zum 4. April drangen Unbekannte in dem Dorf Chiziya im Distrikt Kasungu in das Haus ein, in dem die zweijährige Whitney Chilumpha neben ihrer Mutter schlief, und entführten das Kind. Am 3. April waren Mutter und Tochter um 20 Uhr ins Bett gegangen. Als die Mutter am 4. April gegen vier Uhr morgens aufwachte, war Whitney nicht mehr da. Sie alarmierte sofort die Nachbar_innen, die sich auf die Suche nach dem zweijährigen Mädchen machten, sie jedoch nicht fanden. Der Fall wurde der Polizei gemeldet. Am 13. April wurden der Teil eines Schädels, einige Zähne und Kleidung gefunden. Die Mutter bestätigte, dass es sich bei den Kleidungsstücken um die Sachen handelte, die ihre Tochter in jener Nacht getragen hatte.

In der Nacht des 26. Februar 2016 wurde Harry Mokoshini, ein neunjähriger Junge mit Albinismus aus dem Dorf Moto im Distrikt Machinga, von einer Gruppe unbekannter Männer verschleppt, die in das Haus seiner Familie eindrangen. Die Männer bedrohten die Mutter von Harry Mokoshini und verletzten sie, als sie ihn mitnahmen. Am 3. März wurde der abgetrennte Kopf des Jungen in einem benachbarten Dorf gefunden. Im Zusammenhang mit der Ermordung von Harry Mokoshini wurden mehrere Personen festgenommen, darunter auch ein Onkel des Jungen und ein Mann, der im Jahr 2015 bereits wegen des Besitzes von Knochen von einer Person mit Albinismus festgenommen und zu einer Geldstrafe von 20.000 Malawi-Kwacha (ca. 27 Euro) verurteilt worden war.

Die 53-jährige Eunice Phiri wurde am 23. Januar von drei Männern, unter denen sich auch ihr Bruder befand, überredet, sie auf eine Reise nach Sambia zu begleiten. Ihr Leichnam wurde am 28. Januar von einem Viehhirten im Kasungu-Nationalpark gefunden. Man hatte ihre Arme abgetrennt.

Aufgrund der zunehmenden Angriffe gegen Menschen mit Albinismus nehmen immer mehr Familien aus Angst betroffene Kinder von der Schule. Einige sind in Städte gezogen, um dort Schutz zu suchen.