Filmemacher und Musiker verurteilt

Karte des Iran

Karte des Iran

Der iranische Filmemacher Hossein Rajabian und die Musiker Mehdi Rajabian und Yousef Emadi wurden im Zusammenhang mit ihrer künstlerischen Tätigkeit zu sechs Jahren Haft verurteilt. Sie haben gegen ihre Strafen Rechtsmittel eingelegt. Sollten sie ins Gefängnis müssen, wären sie gewaltlose politische Gefangene.

Appell an

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
Islamic Republic Street - End of Shahid Keshvar Doust Street
Tehran
IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: über die Webseite http://www.leader.ir/langs/en/index.php?p=letter
Twitter: @khamenei_ir (Englisch)

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
c/o Public Relations Office
Number 4, Deadend of 1 Azizi
Above Pasteur Intersection, Vali Asr Street, Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT
Hassan Rouhani
The Presidency
Pasteur Street, Pasteur Square
Tehran
IRAN
Twitter: @HassanRouhani (Englisch) und @Rouhani_ir (Persisch)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 5. April 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, TWITTER-NACHRICHTEN, E-MAILS UND FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte stellen Sie sicher, dass die Urteile gegen Mehdi Rajabian, Hossein Rajabian und Yousef Emadi aufgehoben werden, da diese allein auf der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit in Form von Musik und Film beruhen.

  • Bitte kommen Sie Ihren Verpflichtungen gemäß Artikel 19 und 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte nach, nach denen die Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit geschützt sind.

  • Es bereitet mir große Sorge, dass die Verfahren vor dem Revolutionsgericht nach wie vor schwere Mängel aufweisen und den internationalen Standards für faire Verfahren nicht entsprechen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Iranian authorities to quash the convictions of Mehdi Rajabian, Hossein Rajabian and Yousef Emadi as they arise solely from the men’s peaceful exercise of their rights to freedom of expression and association through music and film.

  • Reminding them that Articles 19 and 22 of the International Covenant on Civil and Political Rights, to which Iran is a state party, protect the right to freedoms of expression and association.

  • Expressing concern that Revolutionary Court hearings continue to be seriously flawed and do not meet international fair trial standards.

Sachlage

Der Filmemacher Hossein Rajabian, sein Bruder Mehdi Rajabian und Yousef Emadi, beide Musiker, wurden zu insgesamt sechs Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von jeweils 200 Mio. Rial (etwa 6.000 Euro) verurteilt. Sie waren am 26. April 2015 nach einem dreiminütigen Gerichtsverfahren vor der Abteilung 28 des Teheraner Revolutionsgerichts der "Beleidigung islamischer Heiligkeiten", der "Verbreitung von Propaganda gegen das System" sowie der "Ausübung illegaler audiovisueller Tätigkeiten" für schuldig befunden worden. Die Anklagen gegen sie sind allein auf ihre künstlerische Tätigkeit zurückzuführen, so auf Hossein Rajabians Spielfilm über das Recht auf Scheidung für iranische Frauen und die Verbreitung nicht lizenzierter Musik durch Mehid Rajabian und Yousef Emadi. Ihr Rechtsmittel wurde am 22. Dezember 2015 vor der Abteilung 54 des Berufungsgerichts in Teheran angehört. Alle drei Männer warten derzeit in Freiheit auf die Entscheidung zu ihrem Rechtsmittel.

Hossein Rajabian, Mehdi Rajabian und Yousef Emadi wurden am 5. Oktober 2013 von Angehörigen der Revolutionsgarde während der Arbeit in ihrem Büro in der nordiranischen Stadt Sari in der Provinz Mazandaran festgenommen. Dabei setzten die Sicherheitskräfte Elektroschockpistolen ein und verbanden ihnen die Augen. Während der folgenden 18 Tage wurden sie an einem unbekannten Ort festgehalten. In dieser Zeit sollen sie gefoltert oder anderweitig misshandelt worden sein, unter anderem durch Elektroschocks. Dann wurden sie in den der Revolutionsgarde unterstellten Trakt 2A des Teheraner Evin-Gefängnisses in Einzelhaft verlegt und dort zwei Monate lang festgehalten. Unter Androhung lebenslanger Haft zwang man sie bei Verhören offensichtlich zu "Geständnissen", die im Fernsehen gezeigt wurden. Alle drei Männer wurden im Dezember 2013 gegen Kaution freigelassen. Bei ihrem Rechtsmittelverfahren wurde ihnen vom Gericht mitgeteilt, dass es "zwecklos" sei, einen Rechtsbeistand hinzuziehen, und sie selbst "umfassende Erklärungen" beizubringen hätten. Ihre "Geständnisse" wurden als Beweis für das Urteil gegen sie verwendet, obwohl sie dem Gericht mitteilten, dass diese durch Folter erzwungen worden waren. Die drei Künstler hatten weder bei ihrer Festnahme noch während ihrer Haft, ihrem Hauptverfahren oder ihrem Rechtsmittelverfahren Zugang zu einem Rechtsbeistand.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Mehdi Rajabian ist der Gründer der iranischen Webseite Barg Music, einer Plattform für nicht lizenzierte alternative Musik, die seit 2009 besteht. Im Iran erhält nur von der offiziellen Zensurbehörde geprüfte Musik eine Lizenz. Musiker ohne Lizenz sind gezwungen, in den Untergrund zu gehen. Barg Music kümmerte sich um den Vertrieb persischer Musik von iranischen Sänger_innen, darunter auch Rap- und Rockmusiker_innen, die im Ausland leben und in ihren Texten und Botschaften auch politische Themen oder gesellschaftliche Tabus ansprechen und somit von offizieller Seite missbilligt werden. Dazu gehört auch der berühmte iranische Rapper Shahin Najafi, der in Deutschland lebt. Ein 2012 veröffentlichter Song von ihm, in dem eine bedeutende schiitische Religionsfigur erwähnt wird, verursachte eine solche Kontroverse, dass einige iranische Geistliche eine Fatwa gegen Shahin Najafi aussprachen und ihn der "Apostasie" beschuldigten, ein Tatbestand, der nach iranischem Recht mit der Todesstrafe geahndet werden kann. Die Website von Barg Music hatte offensichtlich 300.000 Aufrufe täglich und Exklusivverträge mit bekannten iranischen Künstler_innen, die den Namen der Website in ihren Videos erwähnten. Mehdi Rajabian war gerade bei der Aufzeichnung der Geschichte eines iranischen Musikinstruments, der Sitar, als er festgenommen wurde. Bei der Festnahme durchsuchten die Angehörigen der Revolutionsgarde sein Studio und konfiszierten seine Aufnahmen und anderes zu seinem Projekt gehörendes Material. Dieses wurde ihm bisher noch nicht wieder ausgehändigt. Hossein Rajabian wurde festgenommen, nachdem er seinen ersten Langfilm namens "Inverted Triangle" über das Recht iranischer Frauen auf Scheidung gedreht hatte. Die Revolutionsgarde konfiszierte das gesamte Filmmaterial und hat dieses noch nicht zurückgegeben. Der Film durfte bisher nicht gezeigt werden. Mehdi Rajabian und Yousef Emadi wurden beschuldigt, weiblichen Gesang sowie Gesang von Sänger_innen der "antiislamischen Revolution" verbreitet zu haben. Die iranischen Behörden erlauben weiblichen Gesang nur unter Auflagen; so ist es Frauen beispielsweise verboten, allein vor Männern zu singen. Konservativen Geistlichen zufolge können weibliche Stimmen unmoralische sinnliche Gelüste hervorrufen. Im Februar 2015 sagte der konservative Großajatollah Hassan Nouri Hamedani: "Wir werden alle Filme, Bücher und Musikstücke stoppen, die antiislamisch und antirevolutionär sind … Weiblicher Gesang lässt sich durch keine Handlung normalisieren, und wir werden ihn stoppen."

Während eines Großteils ihrer Haft befanden sich Hossein Rajabian, Mehdi Rajabian und Yousef Emadi in Einzelhaft ohne Kontakt zur Außenwelt. In den letzten Wochen ihrer Inhaftierung und nachdem sie vor einer Videokamera zu einem "Geständnis" gezwungen worden waren, erlaubte man ihnen unregelmäßige vierminütige Telefonate mit ihren Familien. Zehn Tage nach ihrem dreiminütigen Verfahren am 26. April 2015 wurde Hossein Rajabian, Mehdi Rajabian und Yousef Emadi mitgeteilt, dass das Urteil gefällt wurde und sie sich zum Gericht begeben sollten, um es zu lesen. Sie wurden zu jeweils fünf Jahren Gefängnis wegen der "Beleidigung islamischer Heiligkeiten", einem Jahr Gefängnis wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" sowie einer Geldstrafe von 200 Mio. Rial (rund 6.000 Euro) wegen "Ausübung illegaler audiovisueller Tätigkeiten" verurteilt. Ihnen wurde kein schriftliches Urteil ausgehändigt, aber ein Gerichtsdiener teilte ihnen mit, dass sie 20 Tage Zeit hätten, um ein Rechtsmittel einzulegen. Dies taten sie ohne Unterstützung eines Rechtsbeistands. Bei der Anhörung zu ihrem Rechtsmittel am 22. Dezember 2015 vertraten sie sich selbst, da der Vorsitzende Richter ihnen mitteilte, dass sie keinen Anspruch auf Anwesenheit eines Rechtsbeistandes hätten. Sowohl während des ursprünglichen Gerichtsverfahrens als auch während des Rechtsmittelverfahrens hatten sie dem Vorsitzenden Richter erzählt, dass ihre "Geständnisse" unter Folter und anderen Misshandlungen während ihrer Einzelhaft ohne Kontakt zur Außenwelt erzwungen wurden. Der Ermittler der Staatsanwaltschaft im Evin-Gefängnis teilte ihnen mit, dass die Folter in der geheimen Haftanstalt der Stadt Sari in Teheran nicht relevant sei. Der Vorsitzende Richter bei der Rechtsmittelanhörung vor dem Teheraner Berufungsgericht warnte sie davor, ihre Foltervorwürfe zu äußern, und drohte ihnen mit härteren Strafen, sollten sie dies tun.

Mehdi Rajabian erlitt während seiner Inhaftierung in Sari nachdem er geschlagen wurde einen Anfall und hat seither noch weitere erlitten. Nach seiner Freilassung wurde bei ihm Epilepsie diagnostiziert, und er nimmt seither täglich Medikamente ein.

Im Dezember 2013 unterzeichneten mehr als 400 Iraner_innen, darunter prominente Musiker_innen, eine Petition an den iranischen Minister für Kultur und islamische Führung. Darin forderten sie ihn auf, dem scharfen Vorgehen gegen Künstler_innen ein Ende zu bereiten und Mehdi Rajabian und Yousef Emadi freizulassen. Die Petition erfolgte angesichts eines fortdauernden scharfen Vorgehens seitens der iranischen Behörden, die ihre Angriffe gegen Künstler_innen, Musiker_innen und Filmemacher_innen weiter verstärkt haben und zahlreiche kulturelle und künstlerische Ausdrucksformen nach wie vor zensieren oder verbieten. Das Ministerium für Kultur und islamische Führung hat in den letzten Jahren die Arbeiten unzähliger Schriftsteller_innen, Publizist_innen, Filmemacher_innen und Musiker_innen verboten oder diese an der Arbeit gehindert. Viele weitere wurden wegen ihrer Arbeit festgenommen und inhaftiert.