Künstler in Haft

Hossein Rajabian und Mehdi Rajabian

Hossein Rajabian und Mehdi Rajabian

Der iranische Musiker Mehdi Rajabian und sein Bruder, der Filmemacher Hossein Rajabian, mussten am 4. Juni ihre dreijährige Gefängnisstrafe antreten. Sie sind gewaltlose politische Gefangene. Yousef Emadi, der gemeinsam mit ihnen festgenommen und vor Gericht gestellt worden war, bleibt auf freiem Fuß.

Appell an

(bitte senden Sie Ihre Appelle über die Botschaft)
RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT
Hassan Rouhani
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch, Spanisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 27. September 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, E-MAILS UND FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie Mehdi Rajabian und Hossein Rajabian bitte unverzüglich und bedingungslos frei und stellen Sie sicher, dass der Schuldspruch und das Urteil gegen Yousef Emadi aufgehoben werden, da die drei Männer nur wegen der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit bestraft werden.

  • Stellen Sie bitte unbedingt sicher, dass die beiden inhaftierten Männer Zugang zu jeglicher benötigten medizinischen Versorgung haben. Sorgen Sie bitte insbesondere dafür, dass Mehdi Rajabian die erforderlichen Medikamente erhält.

  • Ordnen Sie bitte unverzüglich eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Vorwürfe über Folter und anderweitige Misshandlungen an und stellen Sie die mutmaßlichen Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht, in denen nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird.

  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten der Iran gehört, das Recht auf freie Meinungsäußerung schützt. Dies schließt auch künstlerische Tätigkeiten ein.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Iranian authorities to immediately and unconditionally release Mehdi Rajabian and Hossein Rajabian and ensure that Yousef Emadi’s conviction and sentence are quashed, as the three are being punished solely for exercising their rights to freedom of expression and association.

  • Urging them to ensure that those detained have access to any health care they require and, in particular, that Mehdi Rajabian is provided with his essential medication.

  • Urging them to order a prompt, independent, impartial investigation into their allegations of torture and other ill-treatment, bringing to justice anyone suspected of responsibility in a fair trial without recourse to the death penalty.

  • Reminding them that Article 19 of the International Covenant on Civil and Political Rights, to which Iran is a state party, protects the right to freedom of expression, including in the form of art.

Sachlage

Der Musiker Mehdi Rajabian und sein Bruder, der Filmemacher Hossein Rajabian, traten am 4. Juni ihre dreijährige Haftstrafe im Evin-Gefängnis in Teheran an. Am 26. Mai hatten sie die Anweisung erhalten, innerhalb von fünf Tagen bei der Staatsanwaltschaft im Evin-Gefängnis in Teheran zu erscheinen, um ihre Haftstrafen anzutreten. Im Anschluss an seine Inhaftierung wurden Mehdi Rajabian fast zwei Monate lang Medikamente verweigert, die laut seinem Arzt notwendig sind, um den Ausbruch einer Autoimmunerkrankung zu verhindern. Erst Anfang August bekam er die Injektion, die er einmal im Monat benötigt. Der Musiker Yousef Emadi, der gemeinsam mit ihnen festgenommen und vor Gericht gestellt worden war, bleibt auf freiem Fuß.

Mehdi Rajabian, Hossein Rajabian und Yousef Emadi wurden im Oktober 2013 festgenommen. Während der ersten 18 Tage nach ihrer Festnahme wurden sie an einem unbekannten Ort festgehalten. Dann verlegte man sie in den Trakt 2A des Teheraner Evin-Gefängnisses in Einzelhaft, bevor sie gegen Kaution freigelassen wurden. Sie sagten, dass man sie geschlagen und ihnen Elektroschocks versetzt habe, um sie zu "Geständnissen" zu zwingen, die dann als Grundlage für ihre Verurteilung verwendet wurden. Der Prozess, der am 26. April 2015 vor der Abteilung 28 des Revolutionsgerichts in Teheran stattfand, war grob unfair und dauerte nur drei Minuten. Das Gericht verurteilte die Künstler wegen "Beleidigung islamischer Heiligkeiten", "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und "Ausübung illegaler audiovisueller Tätigkeiten" zu sechs Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe. Die Anklagen gegen sie sind allein auf ihre künstlerische Tätigkeit zurückzuführen, so auf Hossein Rajabians Film über das Recht auf Scheidung für iranische Frauen und die Verbreitung nicht lizenzierter Musik von iranischen, im Ausland lebenden Sänger_innen durch Mehdi Rajabian und Yousef Emadi, deren Texte teilweise politisch sind oder von Tabuthemen handeln. Im Februar 2016 informierte man sie, dass das Berufungsgericht in Teheran entschieden hatte, dass sie drei Jahre der sechsjährigen Haftstrafe verbüßen müssen. Das Gericht setzte die restliche Haftstrafe für fünf Jahre zur Bewährung aus, vorbehaltlich ihres "guten Benehmens".

Hintergrundinformation

Hintergrund

Hossein Rajabian, Mehdi Rajabian und Yousef Emadi wurden am 5. Oktober 2013 von Angehörigen der Revolutionsgarde während der Arbeit in ihrem Büro in der nordiranischen Stadt Sari in der Provinz Mazandaran festgenommen. Dabei setzten die Sicherheitskräfte Elektroschockpistolen ein und verbanden ihnen die Augen. Während der folgenden 18 Tage wurden sie an einem unbekannten Ort festgehalten. In dieser Zeit sollen sie gefoltert oder anderweitig misshandelt worden sein, unter anderem durch Elektroschocks. Dann wurden sie in den der Revolutionsgarde unterstellten Trakt 2A des Teheraner Evin-Gefängnisses in Einzelhaft verlegt und dort zwei Monate lang festgehalten. Unter Androhung lebenslanger Haft zwang man sie bei Verhören offensichtlich zu "Geständnissen", die auf Video aufgezeichnet wurden. Alle drei Männer wurden im Dezember 2013 gegen Kaution freigelassen. Während eines Großteils ihrer Haft befanden sich Hossein Rajabian, Mehdi Rajabian und Yousef Emadi in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt.

Zehn Tage nach ihrem Verfahren im April 2015 wurde Hossein Rajabian, Mehdi Rajabian und Yousef Emadi mitgeteilt, dass das Urteil gefällt wurde und sie sich zum Gericht begeben sollten, um es zu lesen. Sie wurden zu jeweils fünf Jahren Gefängnis wegen der "Beleidigung islamischer Heiligkeiten", einem Jahr Gefängnis wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" sowie einer Geldstrafe von 200 Mio. Rial (rund 6.000 Euro) wegen "Ausübung illegaler audiovisueller Tätigkeiten" verurteilt. Ihnen wurde kein schriftliches Urteil ausgehändigt, aber ein Gerichtsdiener teilte ihnen mit, dass sie 20 Tage Zeit hätten, um ein Rechtsmittel einzulegen. Bei der Anhörung zu ihrem Rechtsmittel am 22. Dezember 2015 vertraten sie sich selbst, da der Vorsitzende Richter ihnen mitteilte, dass sie keinen Anspruch auf Anwesenheit eines Rechtsbeistandes hätten. Sowohl während des ursprünglichen Gerichtsverfahrens als auch während des Rechtsmittelverfahrens hatten sie dem Vorsitzenden Richter gesagt, dass ihre "Geständnisse" unter Folter und anderen Misshandlungen während ihrer Haft ohne Kontakt zur Außenwelt erzwungen wurden. Der Ermittler der Staatsanwaltschaft im Evin-Gefängnis teilte ihnen mit, dass die Folter in der geheimen Haftanstalt der Stadt Sari in Teheran nicht relevant sei. Der Vorsitzende Richter bei der Rechtsmittelanhörung vor dem Teheraner Berufungsgericht warnte sie davor, ihre Foltervorwürfe zu äußern, und drohte ihnen mit härteren Strafen, sollten sie dies tun. Sie hatten weder bei ihrer Festnahme noch während der Inhaftierung, dem Prozess oder dem Rechtsmittelverfahren Zugang zu einem Rechtsbeistand. Mehdi Rajabian erlitt während seiner Inhaftierung in Sari einen Krampfanfall, nachdem er geschlagen wurde.

Mehdi Rajabian ist der Gründer der iranischen Webseite Barg Music, einer Plattform für nicht lizenzierte Musik, die seit 2009 besteht. Im Iran erhält nur von der offiziellen Zensurbehörde geprüfte Musik eine Lizenz. Musiker ohne Lizenz sind gezwungen, in den Untergrund zu gehen. Barg Music kümmerte sich um den Vertrieb persischer Musik von iranischen Sänger_innen, die im Ausland leben und in ihren Texten und Botschaften auch politische Themen oder gesellschaftliche Tabus ansprechen. Dazu gehört auch der berühmte iranische Rapper Shahin Najafi, der in Deutschland lebt. Ein 2012 veröffentlichter Song von ihm, in dem eine bedeutende schiitische Religionsfigur erwähnt wird, verursachte eine solche Kontroverse, dass einige iranische Geistliche eine Fatwa gegen Shahin Najafi aussprachen und ihn der "Apostasie" beschuldigten, ein Tatbestand, der nach iranischem Recht mit der Todesstrafe geahndet werden kann. Die Website von Barg Music hatte offensichtlich 300.000 Aufrufe täglich und Exklusivverträge mit bekannten iranischen Künstler_innen, die den Namen der Website in ihren Videos erwähnten. Mehdi Rajabian war gerade bei der Aufzeichnung der Geschichte eines iranischen Musikinstruments, der Sitar, als er festgenommen wurde. Bei der Festnahme durchsuchten die Angehörigen der Revolutionsgarde sein Studio und konfiszierten seine Aufnahmen und anderes zu seinem Projekt gehörendes Material. Hossein Rajabian wurde festgenommen, nachdem er seinen ersten Langfilm namens "Inverted Triangle" über das Recht iranischer Frauen auf Scheidung gedreht hatte. Die Revolutionsgarde konfiszierte das gesamte Filmmaterial. Der Film durfte bisher nicht gezeigt werden. Mehdi Rajabian und Yousef Emadi wurden beschuldigt, weiblichen Gesang sowie Gesang von Sänger_innen der "antiislamischen Revolution" verbreitet zu haben. Die iranischen Behörden erlauben weiblichen Gesang nur unter Auflagen; so ist es Frauen beispielsweise verboten, allein vor Männern zu singen. Konservativen Geistlichen zufolge können weibliche Stimmen unmoralische sinnliche Gelüste hervorrufen. Im Februar 2015 sagte der konservative Großajatollah Hassan Nouri Hamedani: "Wir werden alle Filme, Bücher und Musikstücke stoppen, die antiislamisch und antirevolutionär sind (…) Weiblicher Gesang lässt sich durch keine Handlung normalisieren, und wir werden ihn stoppen."

Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten der Iran gehört, schützt das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dies schließt auch künstlerische Tätigkeiten ein.