Aktionskünstler inhaftiert

Amnesty International

Amnesty International

Der Aktionskünstler Pyotr Pavlensky wurde am 9. November 2015 wegen Vandalismus angeklagt, weil er die Eingangstür des russischen Geheimdienstes FSB in Brand gesteckt hatte. Er ist derzeit in einer psychiatrischen Klinik in Moskau ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert. Seine Frau sorgt sich um seine Gesundheit.

Appell an

GENERALSTAATSANWALT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Yurii Yakovlevich Chaika
Prosecutor General’s Office
ul. B. Dmitrovka, d.15a
125993 Moscow GSP- 3
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Prosecutor General/ Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)
Fax: (007) 495 987 5841 oder (007) 495 692 1725

GESUNDHEITSMINISTERIN DER RUSSISCHEN FÖDERATION
Veronika Igorevna Skvortsova
ul. Neglinnaya d.25
3-y podezd
Moscow
RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Minister/ Sehr geehrte Frau Ministerin)
E-Mail: info@rosminzdrav.ru

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@russische-botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 24. März 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, EMAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Gewähren Sie Pyotr Pavlensky bitte sofortigen Zugang zu seinem Rechtsbeistand und ermöglichen Sie ihm den Kontakt zu seiner Familie.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass Pyotr Pavlensky nicht gegen seinen Willen einer psychiatrischen Zwangsbehandlung unterzogen oder einer anderen Form von Misshandlung ausgesetzt wird.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Russian authorities to grant Pyotr Pavlensky immediate access to his lawyer and contact with members of his family.

  • Calling on them to ensure that Pyotr Pavlensky is not being subjected to non-consensual psychiatric treatment, or any other forms of ill-treatment.

Sachlage

Pyotr Pavlensky wurde am 9. November 2015 festgenommen, nachdem er die Holztür am Eingang der Zentrale des russischen Geheimdienst FSB mit Benzin begossen und angezündet hatte. Er stellte sich vor die brennende Tür und sagte, man solle ihn wegen "Terrorismus" festnehmen. Er beschrieb seine Aktion als Protest dagegen, dass Anklagen wegen Terrorismus genutzt würden, um abweichende Meinungen zu unterdrücken. Er wurde wegen Vandalismus angeklagt, der durch ideologischen Hass motiviert ist. Pyotr Pavlensky ist ein Aktionskünstler, der bereits mehrere Aktionen gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Russland durchgeführt hat. Er hatte unter anderem seinen Mund zugenäht, um gegen die Inhaftierung der Band "Pussy Riot" zu protestieren, seine Hoden auf das Kopfsteinpflaster des Roten Platzes genagelt, und sein Ohrläppchen abgeschnitten, während er auf der Mauer einer psychiatrischen Klinik saß, um gegen den Missbrauch von psychiatrischen Einrichtungen zu protestieren. In ebendieser psychiatrischen Klinik wird er nun festgehalten.

Pyotr Pavlensky war zunächst im Butyrka-Untersuchungsgefängnis in Moskau untergebracht worden. Seine Rechtsbeistände berichteten, dass sich dort vor den Besprechungsräumen, in denen die Gefangenen mit ihren Rechtsbeiständen sprechen können, lange Schlangen bilden, und sie ihn seit Anfang Dezember 2015 nicht treffen konnten. Am 26. Januar 2016 wurde Pyotr Pavlensky für eine psychiatrische Untersuchung in das Serbski-Wissenschaftszentrum für Sozial- und Gerichtspsychiatrie verlegt. Am 27. Januar stellte der dortige Chefarzt das Zentrum wegen einer Grippeepidemie unter Quarantäne, und Besucher_innen müssen seitdem seine Erlaubnis einholen, bevor sie Patient_innen besuchen können. Die Rechtsbeistände von Pyotr Pavlensky haben eine Besuchserlaubnis beantragt, man sagte ihnen jedoch, dass die Bearbeitung des Antrags bis zu 30 Tage in Anspruch nehmen könne. Einer seiner Rechtsbeistände sagte Amnesty International, dass sie glauben, dass die Quarantäne verhindern soll, dass der Fall von Pyotr Pavlensky öffentliche Aufmerksamkeit erhält. Sowohl nach russischen als auch nach internationalen Menschenrechtsstandards müssen Inhaftierte die Möglichkeit bekommen, Besuch von ihren Rechtsbeiständen zu erhalten und mit der Außenwelt zu kommunizieren.

In Abwesenheit von Pyotr Pavlensky verlängerte das Tagansky-Bezirksgericht in Moskau am 3. Februar 2016 seine Haft bis zum 5. März. In einem Facebook-Post äußerte seine Frau Sorge um seine Gesundheit und sein Wohlbefinden: "Wir wissen nicht, ob sie ihm Medikamente spritzen, ob sie versuchen, ihm Pillen zu verabreichen. Wir wissen es nicht."

Hintergrundinformation

Hintergrund

Sowohl das Serbski-Wissenschaftszentrum für Sozial- und Gerichtspsychiatrie als auch die Zentrale des Inlandsgeheimdiensts der Russischen Föderation (FSB) sind von geschichtlicher Bedeutung. Das Serbski-Wissenschaftszentrum für Sozial- und Gerichtspsychiatrie wurde während der Sowjetzeit dafür bekannt, dass dort in den 1960er Jahren das Krankheitsbild der "trägen Schizophrenie" erstmals beschrieben wurde. Diese Form der Schizophrenie wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht anerkannt und wurde nur in der Sowjetunion und in Osteuropa diagnostiziert. Die Diagnose wurde für gewöhnlich bei Dissident_innen gestellt, die dann aufgrund ihres Widerstands gegen das Regime in psychiatrische Kliniken eingewiesen wurden. Das Institut gibt an, seine Sowjet-Vergangenheit hinter sich gelassen zu haben. Die Zentrale des nationalen Geheimdienst FSB, die sich im sogenannten Lubjanka-Gebäude auf dem Lubjanka-Platz befindet, war auch das Hauptgebäude des sowjetischen In- und Auslandsgeheimdienst KGB, in dem viele Dissident_innen inhaftiert wurden und während ihrer Haft Folter und anderer Misshandlung ausgesetzt waren.