Drohende Prügelstrafe

Keywan Karimi

Keywan Karimi

Der iranische Regisseur Keywan Karimi musste am 23. November seine Freiheitsstrafe antreten. Die Behörden haben ihm mitgeteilt, dass auch die gegen ihn verhängte Strafe von 223 Stockhieben vollzogen werden soll. Er ist ein gewaltloser politischer Gefangener.

Appell an

(bitte senden Sie Ihre Appelle über die Botschaft)
RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
Hassan Rouhani

über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 12. Januar 2017 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, E-MAILS UND FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie Keywan Karimi bitte umgehend und bedingungslos frei, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der nur aufgrund der Wahrnehmung seiner Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit inhaftiert ist.

  • Gewähren Sie ihm bis zu seiner Freilassung regelmäßigen Zugang zu seiner Familie, einem Rechtsbeistand seiner Wahl und jeder nötigen medizinischen Versorgung.

  • Ich appelliere an Sie, das Verhängen von Körperstrafen abzuschaffen, da sie gegen das im Völkerrecht verankerte absolute Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe verstoßen.

  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und Privatsphäre durch die Artikel 17, 19, 21 und 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte geschützt sind, zu dessen Vertragsstaaten der Iran gehört. Beenden Sie daher bitte das Unterdrücken künstlerischer Ausdrucksformen und schützen Sie diese Rechte.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Iranian authorities to immediately and unconditionally release Keywan Karimi as he is a prisoner of conscience, held solely for exercising his right to freedom of expression and association.

  • Calling on them, in the meantime, to provide him with regular access to his family and lawyer of his own choosing and to provide him with any medical care he may require.

  • Urging them to abolish flogging sentences, as they violate the absolute prohibition of torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment under international law.

  • Urging them to end their crackdown on artistic expression and protect the rights to privacy, and freedom of expression and association, which are enshrined in Articles 17, 19, 21 and 22 of the International Covenant on Civil and Political Rights, to which Iran is a state party.

Sachlage

Der Regisseur Keywan Karimi gehört der kurdischen Minderheit im Iran an. Am 23. November musste er seine Haftstrafe antreten. Er erhielt nie eine entsprechende offizielle schriftliche Aufforderung, sondern war seit Februar 2016 wiederholt von der Vollstreckungsbehörde angerufen und aufgefordert worden, im Teheraner Evin-Gefängnis vorstellig zu werden und seine Freiheitsstrafe anzutreten. Die Behörden haben ihm zudem mitgeteilt, dass auch die gegen ihn verhängte Strafe von 223 Stockhieben vollzogen werden soll.

Keywan Karimi hatte sich seit Dezember 2013 gegen Kaution auf freiem Fuß befunden. Er konnte ein ärztliches Schreiben vorweisen, das bestätigte, dass seine Mutter sich in Krebstherapie befand, wozu auch Chemotherapie zählte. Keywan Karimi hatte gehofft, seine Haftstrafe erst dann ableisten zu müssen, wenn diese Behandlung abgeschlossen ist. Zudem arbeitet er derzeit an einem neuen Film, den er fertigstellen wollte.

Keywan Karimi war am 14. Dezember 2013 festgenommen und zwölf Tage lang im Evin-Gefängnis in Einzelhaft und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand festgehalten worden. Er befand sich im Trakt 2A, welcher den Revolutionsgarden untersteht. Im Oktober 2015 wurde er in einem unfairen Gerichtsverfahren vor einem Teheraner Revolutionsgericht zu sechs Jahren Gefängnis und 223 Stockhieben verurteilt. Die Anklage lautete auf "Beleidigung islamischer Heiligkeiten" und "rechtswidrige Beziehungen, bei denen es sich nicht um Ehebruch handelt". Der erste Vorwurf steht mit einem Musikvideo in Verbindung, das die Behörden auf der Festplatte von Keywan Karimi gefunden hatten. Der zweite Vorwurf hing damit zusammen, dass er einer Frau, die "ihren Kopf und Nacken nicht bedeckt hatte", "die Hand geschüttelt" hatte und mit ihr "unter einem Dach" gewesen war. Am 20. Februar 2016 teilte man Keywan Karimi mit, dass ein Berufungsgericht die gegen ihn verhängte Körperstrafe bestätigt und zudem angeordnet habe, dass er ein Jahr seiner sechsjährigen Haftstrafe ableisten müsse. Die restliche Freiheitsstrafe wurde unter der Voraussetzung "guten Benehmens" für fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Keywan Karimi wurde am 14. Dezember 2013 in seiner Wohnung in Teheran von Angehörigen der Revolutionsgarden festgenommen. Sie brachten ihn in das Evin-Gefängnis, wo er im Trakt 2A zwölf Tage lang in Einzelhaft festgehalten wurde. Eine Woche nach seiner Festnahme durfte er seine Familie kurz anrufen. Man verbot ihm jedoch, ihnen zu sagen, dass er festgenommen wurde und wo man ihn festhielt. Nach zwölf Tagen wurde er gegen Kaution freigelassen. Das Verfahren gegen Keywan Karimi fand vom 11. Mai 2014 bis 13. Oktober 2015 vor der Abteilung 28 des Revolutionsgerichtes statt. Der Prozess bestand aus insgesamt sieben Anhörungen, die jeweils nur etwa 15 - 20 Minuten dauerten. Sein Rechtsbeistand war während des Verfahrens zwar anwesend, erhielt aber offenbar nicht genügend Zeit, um die Verteidigung angemessen vorzubereiten. Darüber hinaus gab es Unregelmäßigkeiten, was den Schuldspruch und die Strafzumessung anging. Gegen Keywan Karimi war ursprünglich Anklage wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" aufgrund eines 2012 gedrehten Films erhoben worden. In dem Film Neveshtan Rooye Shahr ("Auf der Stadt schreiben") geht es um Graffiti an den Häuserwänden in den Straßen Teherans. Dieser Vorwurf wurde in der Urteilsverkündung jedoch nicht erwähnt. Stattdessen wurde er wegen "Beleidigung islamischer Heiligkeiten" zu sechs Jahren Haft verurteilt – ein Vorwurf, über den der Angeklagte erst in der letzten gerichtlichen Anhörung informiert wurde. Am 23. Dezember 2015 fand seine Anhörung vor dem Berufungsgericht statt, bei der Angehörige der Sicherheitskräfte und des Geheimdienstes anwesend waren.

Keywan Karimi hat bei zwölf Filmen Regie geführt, darunter Dokumentar- und Spielfilme. Sein Film The Broken Border erhielt beim Internationalen Filmfestival in Beirut 2013 den Preis für die beste Kurzdokumentation. Der Film behandelt das Schmuggeln von staatlich gefördertem Benzin vom Iran in den Irak durch einen verarmten Teil der kurdischen Gemeinschaft in der westlichen Provinz Kurdestan. Ein weiterer Film von Keywan Karimi, The Adventure of a Married Couple, wurde auf Filmfestivals in Freiburg, San Sebastián und Zürich gezeigt.

Keywan Karimi ist einer von zahlreichen Künstler_innen, die im Iran aufgrund ihrer friedlichen künstlerischen Aktivitäten festgenommen und verurteilt wurden. So wurden beispielsweise der Musiker Mehdi Rajabian und sein Bruder, der Filmemacher Hossein Rajabian, zu jeweils sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Sie waren am 5. Oktober 2013 gemeinsam mit einem weiteren Musiker, Yousef Emadi, festgenommen worden. Bei ihrer Festnahme setzten Angehörige der Revolutionsgarden Elektroschockpistolen ein und verbanden ihnen die Augen. Während der folgenden 18 Tage wurden sie an einem unbekannten Ort festgehalten. In dieser Zeit wurden sie eigenen Angaben zufolge gefoltert, unter anderem durch Elektroschocks. Dann wurden sie zwei Monate lang im Trakt 2A des Teheraner Evin-Gefängnisses in Einzelhaft gehalten. Im Dezember 2013 kamen sie gegen Kaution frei. Nach einem unfairen Verfahren im April 2015 wurden die drei Männer wegen "Beleidigung islamischer Heiligkeiten", "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und "Ausübung illegaler audiovisueller Tätigkeiten" schuldig gesprochen. Die Anklagen gegen sie sind allein auf ihre künstlerische Tätigkeit zurückzuführen, so auf Hossein Rajabians Film über das Recht auf Scheidung für iranische Frauen und die Verbreitung nicht lizenzierter Musik von iranischen, im Ausland lebenden Sänger_innen und Bands durch Mehdi Rajabian, deren Texte teilweise politisch sind oder von Tabuthemen handeln bzw. von solchen Themen, die von den iranischen Behörden als "unislamisch", "pervers" oder "revolutionsfeindlich" betrachtet werden. Drei Jahre dieser sechsjährigen Haftstrafen wurden später im Berufungsverfahren auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Mehdi und Hossein Rajabian traten ihre Freiheitsstrafen am 4. Juni 2016 an und sind bereits zweimal aus Protest gegen ihre Inhaftierung und mangelnde medizinische Versorgung in den Hungerstreik getreten. Weiter Informationen zu ihrem Fall finden Sie in UA-041/2016 unter http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-041-2016-5/brueder-im-hungerstreik.

Im November 2016 starteten Amnesty International und die bekannte iranische Band Kiosk eine gemeinsame Kampagne, um weltweit auf die Unterdrückung von Künstler_innen, wie Musiker_innen und Regisseur_innen, im Iran aufmerksam zu machen. Ziel ist es, dass die iranischen Behörden möglichst viele Briefe für inhaftierte Künstler_innen im ganzen Land erhalten. Im Zuge des scharfen Vorgehens gegen Künstler_innen im Iran werden Personen, die lediglich im Rahmen ihrer Arbeit friedlich ihre Rechte auf Meinungsfreiheit wahrnehmen, zu unverhältnismäßigen Freiheitsstrafen und Körperstrafen verurteilt und als Kriminelle dargestellt.

Weitere Informationen finden Sie in der englischsprachigen Pressemitteilung: Iran: Musicians and activists launch campaign to free jailed artists, 8. November 2016, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2016/11/iran-musicians-and-activists-launch-campaign-to-free-jailed-artists/