Gefangener in Lebensgefahr

Diese Urgent Action ist beendet.

Der moldauische Geschäftsmann Serghei Cosovan wurde von einem Gericht zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Damit ignorierte das Gericht seinen kritischen Gesundheitszustand und die Tatsache, dass er in Haft keinen Zugang zur Behandlung seiner akuten Leberzirrhose hat.

Ein Mann mit einer Kanüle im Arm sitzt, ein anderer mit einem Tropf in der Hand steht daneben

Der moldauische Geschäftsmann Serghei Cosovan leidet unter Leberzirrhose

Der moldauische Geschäftsmann Serghei Cosovan hat in der Untersuchungshaft keinen Zugang zur Behandlung seiner akuten Leberzirrhose. Die Behörden ignorieren die medizinischen Gründe, die eine Behandlung in einer Fachklinik außerhalb des Gefängnisses begründen und haben seine Untersuchungshaft kürzlich um weitere 30 Tage verlängert. Serghei Cosovans Gesundheitszustand verschlechtert sich zusehends. Sein Leben ist in Gefahr.

Appell an

Direktor der Haftanstalt 16

Igor Patraşcu   

sect. Buiucani

com. Pruncul, Chishinau

REPUBLIK MOLDAU

Sende eine Kopie an

Ombudsmann von Moldau

Mihail Cotorobai

Ombudsman of Moldova

str.Sfatul Țării, nr.16

mun. Chişinău, MD 2012

REPUBLIK MOLDAU

E-Mail: ombudsman@ombudsman.md 

Botschaft der Republik Moldau

S.E. Herrn Oleg Serebrian

Gotlandstraße 16

10439 Berlin

Fax: 030-446 52 972

E-Mail:
office@botschaft-moldau.de

 

Amnesty fordert:

  • Gestatten Sie Serghei Cosovan bitte umgehend eine angemessene, von Fachpersonal für nötig erachtete Gesundheitsversorgung, darunter die Einweisung in eine Fachklinik außerhalb des Gefängnisses.
  • Ich möchte darauf hinweisen, dass in den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen (Mandela-Regeln) steht, "kranke Gefangene, die fachärztliche Behandlung benötigen, werden in Facheinrichtungen oder zivile Krankenhäuser überwiesen (para. 27[1]).

Sachlage

Der moldauische Geschäftsmann und Stadtrat von Codru, Serghei Cosovan, wurde am 26. September 2017 unter den Vorwürfen Betrug und Amtsmissbrauch in Untersuchungshaft genommen. Er kam in die Haftanstalt Nr. 16 in der moldauischen Haupstadt Chișinău. Anschließend verlängerten die Gerichte seine Untersuchungshaft mehrere Male. Laut Angaben seiner Rechtsbeistände – und für die im Gerichtssaal anwesenden Menschen ersichtlich – verschlechterte sich in Haft seine bereits zuvor bestehende Leberzirrhose (Vernarbung der Leber), es kam zu wiederholten Blutungen, die man operativ stoppen muss. Zudem erlitt er eine Hernie (Bruch der Bauchwand). Beide Erkrankungen erfordern eine medizinische Fachbehandlung, die in der Haftanstalt Nr. 16 nicht geleistet werden kann.

Die Rechtsbeistände von Serghei Cosovan haben zahlreiche Versuche unternommen, die Untersuchungshaft in richterliche Aufsicht umzuwandeln und sich dabei auf die Verordnung 331 des Justizministeriums von Moldau aus dem Jahr 2006 bezogen, die besagt, dass einige schwer kranke Gefangene von der Strafe ausgenommen werden sollten. Am 24. April erkannte ein Gericht in Chișinău die Schwere seiner Erkrankung und die Dringlichkeit einer Behandlung an, indem es bestätigte, dass die Verordnung auf Untersuchungsgefangene ausgeweitet werden solle und ordnete für Serghei Cosovan die Freilassung und anschließenden Hausarrest an. Als Serghei Cosovan die Haftanstalt verlassen wollte, nahmen ihn Polizist_innen der Gemeinde Chișinău erneut fest, informierten ihn, dass wegen neuer Betrugsvorwürfe gegen ihn ermittelt werde, und nahm ihn für 72 Stunden in Haft. Am 27. April ordnete ein Gericht seine Rückkehr in Untersuchungshaft an und ignorierte damit seine schwere Erkrankung. Er wurde noch am selben Tag in die Haftanstalt zurückgebracht.

Amnesty International ist besorgt über den Standard der Gesundheitsversorgung, die in der Krankenstation der Haftanstalt Nr. 16 bereitgestellt wird. Dort kann die notwendige Versorgung von Serghei Cosovans Erkrankung nicht durchgeführt werden. Während seiner ersten Inhaftierung in diesem Gefängnis musste er beispielsweise mindestens dreimal für eine Notoperation seiner Leberzirrhose, die zu starken inneren Blutungen führen kann, mit einem Krankenwagen in eine andere medizinische Einrichtung gebracht werden. Nach jeder Operation empfahlen die behandelnden Ärzt_innen, dass Serghei Cosovan nicht wieder inhaftiert sondern in eine Fachklinik gebracht und dort von Fachärzt_innen engmaschig beobachtet werden solle, da seine Zirrhose im Endstadium und damit lebensbedrohlich ist. Am 24. Mai verlängerte ein Gericht in Chișinău Serghei Cosovans Untersuchungshaft um weitere 30 Tage und brachte ihn damit angesichts seiner sich rapide verschlechternden Gesundheit und der unzureichenden medizinischen Versorgung in Haftanstalt Nr. 16 in große Gefahr.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 18. Mai reichte die Weltorganisation gegen Folter einen Dringlichkeitsantrag für Serghei Cosovans Freilassung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Zudem besuchte eine Delegation des Büros der Ombudsperson von Moldau ihn in Haft und bestätigte seinen schlechten Gesundheitszustand.

Der chronische Mangel an qualifiziertem medizinischen Personal und medizinischen Einrichtungen ist im moldauischen Strafvollzug zu groß, um sicherzustellen, dass Gefangene eine angemessene medizinische Betreuung erhalten. In Moldau muss eine medizinische Einrichtung eine Akkreditierung in Übereinstimmung mit der nationalen Gesetzgebung erhalten, um als qualifiziert zu gelten. Laut Angaben im jüngsten Bericht des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT)/Inf (2016) 16) mangelt es dem Gefängniskrankenhaus der Haftanstalt Nr. 16 an angemessener Ausstattung, und die meisten Zimmer sind überbelegt. Das Krankenhaus ist keine offiziell akkreditierte medizinische Einrichtung. Der Ausschuss sah auch die geringe Zahl von Personal kritisch, das zurzeit seines Besuchs vor Ort war.

2017 gab der UN-Ausschuss gegen Folter (CAT) seiner Sorge über die Qualität der medizinischen Versorgung der Gefangenen im moldauischen Strafvollzug Ausdruck. In seinem Bericht empfahl der Ausschuss den moldauischen Behörden, ihre Bemühungen zu intensivieren, medizinisches Personal anzustellen und auszubilden, angemessene Verfahren zu entwerfen und umzusetzen und Krankenstationen in Gefängnissen dem Gesundheitsministerium zu unterstellen, um zu gewährleisten, dass die Akkreditierungsvorgaben erfüllt werden. In einer Reihe internationaler Dokumente werden Standards für die Gesundheitsversorgung von Gefangenen dargelegt. Insbesondere Regel 27(1) der Mandela-Regeln sieht den Transfer von erkrankten Gefangenen, die eine fachärztliche Behandlung benötigen, in Facheinrichtungen oder zivilen Krankenhäusern vor.

Die Notwendigkeit medizinische Versorgung in Hafteinrichtungen bereitzustellen, wird zudem im UN-Grundsatzkatalog für den Schutz aller irgendeiner Form von Haft oder Strafgefangenschaft unterworfenen Personen betont. Grundsatz 24 legt dar, dass medizinische Versorgung und Behandlung [einer inhaftierten Person] immer dann kostenlos bereitgestellt werden, wenn dies nötig ist. Detailliertere Kriterien wurden im 3. Allgemeinen Bericht des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ausgearbeitet. Insbesondere in Paragraf 38 heißt es, "die Gesundheitsversorgung im Gefängnis sollte medizinische Behandlung und Krankenpflege unter Bedingungen bereitstellen, die mit denen von Patient_innen in Freiheit vergleichbar sind".

Die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze des Europarats legen in Paragraf 40.5 fest: "Alle notwendigen medizinischen, operativen und psychiatrischen Dienste, darunter auch die in der Gemeinde verfügbaren, sollen dem Gefangenen zu diesem Zweck bereitgestellt werden. Darüber hinaus heißt es in Paragraf 45.1 "kranke Gefangene, die fachärztliche Behandlung benötigen, werden in eine Facheinrichtung oder in ein ziviles Krankenhaus verlegt, wenn eine solche Behandlung im Gefängnis nicht zur Verfügung steht".

Die Verweigerung medizinischer Versorgung kann eine Form von Folter bzw. anderer Misshandlung darstellen.