Indonesien: Haftstrafe wegen Whatsapp-Nachricht

Appell an

Ir. H. Joko Widodo

President of the Republic of Indonesia

State Secretariat


Jl. Veteran No. 17-18, Central Jakarta

DKI Jakarta (10110)

INDONESIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Indonesien

S. E. Herrn Arif Havas Oegroseno

Lehrter Straße 16-17

10557 Berlin

Fax: 030-4473 7142

E-Mail: info@kbri-berlin.de

 

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie höflich dazu auf, Saiful Mahdi Amnestie zu gewähren und ihn unverzüglich freizulassen.
  • Ich fordere die Regierung außerdem auf, dafür zu sorgen, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung uneingeschränkt und wirksam eingehalten, geschützt und gefördert wird. Dazu gehört auch, dass alle Vorschriften des ITE-Gesetzes abgeschafft oder abgeändert werden, mit denen das Recht auf freie Meinungsäußerung in einer Weise eingeschränkt wird, die gegen internationale Menschenrechtsabkommen verstößt.

Sachlage

Saiful Mahdi ist Dozent an der Syiah Kuala Universität in der Provinz Aceh. Er wurde am 2. September 2021 in das Gefängnis der Klasse II A in Banda Aceh gebracht, um seine dreimonatige Haftstrafe anzutreten, nur weil er friedlich sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hat.

Der Oberste Gerichtshof lehnte die von Saiful Mahdi eingelegten Rechtsmittel ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Dieses hatte ihn der Verleumdung schuldig gesprochen, weil er in einem WhatsApp-Gruppenchat von ihm vermutete Unregelmäßigkeiten bei einer Prüfung zur Verbeamtung von Dozent_innen an der Technischen Fakultät der Universität kritisiert hatte. Er wurde auf Grundlage von Paragraf 27 Absatz 3 des Gesetzes über Elektronische Informationen und Transaktionen (ITE-Gesetz) verurteilt, welches bereits wiederholt von den indonesischen Behörden oder Privatpersonen eingesetzt worden ist, um kritische Stimmen zu unterdrücken.

Saiful Mahdi hätte nicht strafrechtlich verfolgt werden dürfen, nur weil er seine Meinung geäußert hat. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist in Artikel 19 des UN-Zivilpaktes (ICCPR) festgelegt, den Indonesien ratifiziert hat. Das Urteil gegen Saiful Mahdi stellt neben der Verletzung seiner Menschenrechte eine ernsthafte Bedrohung für die Freiheit der Wissenschaft in Indonesien dar.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im März 2019 sendete Saiful Mahdi, Dozent für Mathematik und Naturwissenschaften, eine Nachricht in einen WhatsApp-Gruppenchat, in der er das Verfahren bei einer Prüfung zur Verbeamtung von Dozent_innen der Technischen Fakultät kritisierte. Er schrieb unter anderem: "Ich habe traurige Nachrichten über den Tod des gesunden Menschenverstandes in den Führungsetagen der Technischen Fakultät bei der letzten Beamtenprüfung erhalten". Außerdem fragte er: "Warum ist eine Fakultät, die einst so ruhmreich war, so engstirnig geworden?"

Die Nachrichten bezogen sich auf einen Ende 2018 durchgeführten Einstellungstest für neue Dozent_innen an der Technischen Fakultät der Universität.  Nach dem Test hatte ein anderer Dozent – der seit zwei Jahren an der Technischen Fakultät tätig war und mit Hilfe des Tests den Beamtenstatus erlangen wollte – gegenüber Saiful Mahdi einen Verdacht auf Unregelmäßigkeiten im Auswahlverfahren für den Test geäußert. Der Kollege teilte Saiful Mahdi mit, dass ein anderer Teilnehmer am Auswahlverfahren teilnehmen durfte und die Prüfung bestand, obwohl er die administrativen Kriterien für die Beamtenprüfung nicht erfüllt hatte. Hingegen war der Dozent, der Saiful Mahdi informierte, durchgefallen, obwohl er in einem Kompetenztest die höchste Punktzahl aller Teilnehmer_innen erzielt hatte.

Saiful Mahdi, der schon seit 25 Jahren an der Universität arbeitete, analysierte daraufhin die Testergebnisse und kam zu dem Schluss, dass es Unregelmäßigkeiten bei der Punktevergabe gab, die überprüft werden sollten. Später postete er seine Kritik in einer WhatsApp-Gruppe, die 100 Dozent_innen umfasste. Seine Nachrichten verbreiteten sich unter den Mitarbeiter_innen der Fakultät und so erfuhr schließlich auch der Dekan der Fakultät davon, der nicht Teil der Chatgruppe war.

Der Dekan meldete Saiful Mahdi dem Senat der Universität, der ihn am 18. März 2019 zu einer Klärung des Sachverhalts vorlud. Danach sendete der Senat am 6. Mai 2019 einen Brief an Saiful Mahdi, in dem er ihn aufforderte, sich in einem Entschuldigungsschreiben an die Fakultätsleitung dazu zu bekennen, mit seiner Kritik gegen den Verhaltenskodex verstoßen zu haben. Saiful Mahdi weigerte sich jedoch, ein solches Schreiben zu verfassen. Er wies den Vorwurf des Senats, gegen den Verhaltenskodex verstoßen zu haben, zurück und argumentierte, dass zu den Vorwürfen gegen ihn nie eine Anhörung vor dem Ethikrat stattgefunden habe.

Am 4. Juli 2019 wurde Saiful Mahdi von der Polizei der Stadt Banda Aceh als Zeuge in einem Verleumdungsfall vorgeladen. Ihm wurde vorgeworfen den Dekan verleumdet zu haben, obwohl er in seinen WhatsApp-Nachrichten keine Namen genannt hatte. Nachdem der Fall vor Gericht gebracht worden war, verurteilte das Bezirksgericht von Banda Aceh Saiful Mahdi am 21. April 2020 zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe und einer Geldstrafe von 10 Millionen IDR (ca. 590 Euro), obwohl keine stichhaltigen Beweise gegen den Dozenten vorlagen. Später legte Saiful Mahdi beim Obersten Gericht von Banda Aceh Rechtsmittel gegen das Urteil ein – doch diese wurden abgewiesen. Am 29. Juni 2021 wies auch der Oberste Gerichtshof von Indonesien die Kassationsbeschwerde zurück und bestätigte das Urteil des Bezirksgerichts.

Am 2. September 2021 wurde Saiful Mahdi von der Staatsanwaltschaft in das Gefängnis der Klasse II A in Banda Aceh gebracht, wo er seine dreimonatige Haftstrafe verbüßen muss. Am selben Tag reichten seine Rechtsbeistände ein Amnestiegesuch bei Präsident Joko Widodo ein. Nach indonesischem Recht kann der Präsident erst nach einer Beratung durch das Repräsentantenhaus Amnestie gewähren.

Das ITE-Gesetz – einschließlich Paragraf 27, der Bestimmungen in Fällen von Verleumdung enthält – wird zunehmend eingesetzt, um jene Menschen strafrechtlich zu verfolgen, die friedlich ihr Recht auf freie Meinungsäußerung mittels elektronischer Kommunikation wahrnehmen. Dazu zählt das Verfassen von Nachrichten auf Kommunikationsplattformen oder das Äußern der eigenen Meinung in den Sozialen Medien. Die indonesischen Behörden setzen das drakonische ITE-Gesetz wiederholt ein, um friedliche Aktivist_innen, Medienvertreter_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen strafrechtlich zu verfolgen, wenn diese die Regierung kritisieren. Allein zwischen Januar und Juni 2021 dokumentierte Amnesty International mindestens 39 Fälle, in denen einzelne Personen von der Polizei verdächtigt wurden, gegen das ITE-Gesetz verstoßen zu haben.