Ägypten: Aktivist drohen 25 Jahre Haft wegen Anti-Folter-T-Shirt

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Ein junger Mann mit kurzen, lockigen, schwarzen Haaren lächelt. Es ist Mahmoud Hussein. Im Hintergrund Bäume.

Mahmoud Hussein ist in Ägypten seit dem 30. August 2023 wieder inhaftiert (undatiertes Foto).

Dem willkürlich inhaftierten Aktivisten Mahmoud Hussein drohen bis zu 25 Jahre Haft, nur weil er ein T-Shirt mit einem Slogan gegen Folter getragen hat. Er war in diesem Zusammenhang bereits von Januar 2014 bis März 2016 willkürlich inhaftiert, bevor er gegen Kaution freigelassen wurde. Am 30. August 2023 wurde Mahmoud Hussein erneut festgenommen. Er befindet sich derzeit im Gefängnis Badr 1. Ihm droht ein Verfahren wegen konstruierter terrorismusbezogener und anderer Anschuldigungen vor einem Sondergericht. Die Gefängnisbehörden verweigern ihm den Zugang zu einer angemessenen medizinischen Versorgung. So werden ihm unter anderem die Medikamente vorenthalten, die er für seine Panikattacken benötigt, unter denen er leidet, seitdem er gefoltert und anderweitig misshandelt wurde. Mahmoud Hussein muss unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden, da seine Inhaftierung allein auf der friedlichen Wahrnehmung seiner Menschenrechte beruht.

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Dein Appell

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Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt,

ich bin sehr besorgt darüber, dass der Aktivist Mahmoud Hussein nach wie vor willkürlich inhaftiert ist. Sicherheitskräfte nahmen ihn am 30. August 2023 auf der Rückreise von Kairo nach Beni Suef an einem Kontrollpunkt fest. Anschließend war er fünf Tage lang "verschwunden". In dieser Zeit wurde er, wie sich später herausstellte, in verschiedenen Einrichtungen unter der Kontrolle des Geheimdienstes NSA festgehalten. Mahmoud Hussein wurde schließlich an die Staatsanwaltschaft übergeben, die seine Untersuchungshaft aufgrund konstruierter Anklagen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Besitz von Sprengkörpern und Molotowcocktails sowie Anstiftung zur Gewalt anordnete. Diese Straftaten können mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 25 Jahren geahndet werden. Die Vorwürfe stehen in Verbindung mit einem Fall, der auf Proteste vom Januar 2014 zurückgeht und bei denen der damals 18-Jährige festgenommen worden war, weil er ein T-Shirt mit dem Slogan "Eine Nation ohne Folter" und einen Schal mit dem Emblem der Revolution vom 25. Januar trug. Mahmoud Hussein verbrachte über zwei Jahre in willkürlicher Untersuchungshaft, bevor er nach öffentlichen Kampagnen im März 2016 gegen Kaution freigelassen wurde. 

Am 26. Februar 2018 sprach ihn ein Staatssicherheitsgericht (ESSC) in Abwesenheit für schuldig und verurteilte ihn in einem äußerst unfairen und von Foltervorwürfen überschatteten Verfahren zu lebenslanger Haft. Da sein Fall in Abwesenheit verhandelt wurde, sieht das ägyptische Recht die Wiederaufnahme seines Verfahrens wegen derselben Vorwürfe vor, und zwar erneut vor einem Staatssicherheitsgericht. Verfahren vor den Staatssicherheitsgerichten sind grundsätzlich nicht fair, denn ihre Urteile können nicht vor einem höheren Gericht angefochten, sondern nur vom Präsidenten ratifiziert werden. Die nächste Anhörung wurde für den 23. April 2024 anberaumt. 

Mahmoud Hussein ist derzeit im Gefängnis Badr 1 inhaftiert, das nach Informationen von Amnesty International für grausame und unmenschliche Haftbedingungen und die Verweigerung einer angemessenen medizinischen Versorgung der Gefangenen berüchtigt ist. Am 13. November 2023 wurde Mahmoud Hussein in der medizinischen Einrichtung von Badr an einer Analfistel operiert, und es besteht die Sorge, dass er im Gefängnis nicht die angemessene Nachsorge erhält, die er benötigt. Die Gefängnisbehörden haben ihm auch keine psychologische Behandlung zukommen zu lassen und ihm u. a. die ihm verschriebenen Medikamente gegen Panikattacken vorenthalten. Seine Panikattacken haben sich in der Zeit seiner ersten Haft entwickelt, in der er Folter und anderen Misshandlungen wie Schlägen und Elektroschocks ausgesetzt war.

Bitte lassen Sie Mahmoud Hussein umgehend und bedingungslos frei, da er sich nur in Haft befindet, weil er friedlich von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat. Sein Urteil und alle Anklagen gegen ihn müssen fallengelassen werden.

Bis zu seiner Freilassung muss ihm umgehend Zugang zu seiner Familie, seinen Rechtsbeiständen und jeder benötigten medizinischen Versorgung – auch außerhalb des Gefängnisses – gewährt werden. Seine Haftbedingungen müssen überdies den internationalen Standards zur Behandlung von Gefangenen genügen.

Mit freundlichen Grüßen

Dear counsellor,

I write to express my grave concern over the prolonged arbitrary detention of protester Mahmoud Hussein. Security forces arrested him at a checkpoint on 30 August 2023 on his way back to Cairo from Beni Suef and subjected him to enforced disappearance at various facilities controlled by the National Security Agency (NSA) for five days. He was subsequently transferred to the prosecution, which ordered his detention pending trial on bogus charges of membership in a terrorist group, possession of explosive devices and Molotov cocktails, and incitement to violence, which, if convicted, carry a maximum prison sentence of 25 years. These charges are in connection to a case dating back to his arrest in January 2014, when he was just 18, for wearing a T-shirt with the slogan "Nation without Torture" and the emblem of the "25 January Revolution." Mahmoud Hussein spent over two years in arbitrary pretrial detention before his release on bail in March 2016 following public campaigning. On 26 February 2018, an Emergency State Security Court (ESSC) convicted him in his absence and sentenced him to life imprisonment in a grossly unfair trial marred by allegations of torture. According to Egyptian law, as Mahmoud Hussein was tried in his absence, he is now standing retrial on the same charges, also in front of an ESSC. Trials in front of ESSCs are inherently unfair, as their verdicts are not subject to appeal, but only ratification by the president. The next hearing is scheduled for 23 April 2024. 

Mahmoud Hussein is currently detained in Badr 1 Prison, where Amnesty International has documented concerns regarding cruel and inhuman detention conditions and denial of adequate healthcare to prisoners. On 13 November 2023, Mahmoud Hussein had an anal fistula surgery at Badr’s medical facility, and there are concerns that he is not receiving the adequate follow-up care he needs inside prison. Prison authorities have also failed to provide him with any mental health treatment, including by withholding his prescribed medication for panic attacks. His panic attacks developed during his previous incarceration, when he was subjected to torture and other ill-treatment, including beatings and the use of electric shocks.

I urge you to ensure Mahmoud Hussein's immediate and unconditional release as his detention stems solely from the exercise of his right to freedom of expression and drop all charges against him. Pending his release, he must be granted regular access to his family, lawyers and adequate healthcare, including in outside hospitals if necessary, and held in conditions that comply with international standards for the treatment of prisoners.

Yours sincerely,

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Bitte abschicken bis: 13.05.2024

Appell an

Generalstaatsanwalt
Mohamed Shawky Ayyad
Office of the Public Prosecutor
Madinat al-Rehab
Cairo
ÄGYPTEN 

Sende eine Kopie an

Botschaft der Arabischen Republik Ägypten
S. E. Herrn Khaled Galal Abdelhamid
Stauffenbergstraße 6 – 7
10785 Berlin

Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Amnesty fordert:

Sachlage

Der Aktivist Mahmoud Hussein ist nach wie vor willkürlich inhaftiert. Sicherheitskräfte nahmen ihn am 30. August 2023 auf der Rückreise von Kairo nach Beni Suef an einem Kontrollpunkt fest. Anschließend war er fünf Tage lang "verschwunden". In dieser Zeit wurde er, wie sich später herausstellte, in verschiedenen Einrichtungen unter der Kontrolle des Geheimdienstes NSA festgehalten. Mahmoud Hussein wurde schließlich an die Staatsanwaltschaft übergeben, die seine Untersuchungshaft aufgrund konstruierter Anklagen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Besitz von Sprengkörpern und Molotowcocktails sowie Anstiftung zur Gewalt anordnete. Diese Straftaten können mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 25 Jahren geahndet werden. Die Vorwürfe stehen in Verbindung mit einem Fall, der auf Proteste vom Januar 2014 zurückgeht und bei denen der damals 18-Jährige festgenommen worden war, weil er ein T-Shirt mit dem Slogan "Eine Nation ohne Folter" und einen Schal mit dem Emblem der Revolution vom 25. Januar trug. Mahmoud Hussein verbrachte über zwei Jahre in willkürlicher Untersuchungshaft, bevor er nach öffentlichen Kampagnen im März 2016 gegen Kaution freigelassen wurde. 

Am 26. Februar 2018 sprach ihn ein Staatssicherheitsgericht (ESSC) in Abwesenheit für schuldig und verurteilte ihn in einem äußerst unfairen und von Foltervorwürfen überschatteten Verfahren zu lebenslanger Haft. Da sein Fall in Abwesenheit verhandelt wurde, sieht das ägyptische Recht die Wiederaufnahme seines Verfahrens wegen derselben Vorwürfe vor, und zwar erneut vor einem Staatssicherheitsgericht. Verfahren vor den Staatssicherheitsgerichten sind grundsätzlich nicht fair, denn ihre Urteile können nicht vor einem höheren Gericht angefochten, sondern nur vom Präsidenten ratifiziert werden. Die nächste Anhörung wurde für den 23. April 2024 anberaumt. 

Mahmoud Hussein ist derzeit im Gefängnis Badr 1 inhaftiert, das nach Informationen von Amnesty International für grausame und unmenschliche Haftbedingungen und die Verweigerung einer angemessenen medizinischen Versorgung der Gefangenen berüchtigt ist. Am 13. November 2023 wurde Mahmoud Hussein in der medizinischen Einrichtung von Badr an einer Analfistel operiert, und es besteht die Sorge, dass er im Gefängnis nicht die angemessene Nachsorge erhält, die er benötigt. Die Gefängnisbehörden haben ihm auch keine psychologische Behandlung zukommen zu lassen und ihm u. a. die ihm verschriebenen Medikamente gegen Panikattacken vorenthalten. Seine Panikattacken haben sich in der Zeit seiner ersten Haft entwickelt, in der er Folter und anderen Misshandlungen wie Schlägen und Elektroschocks ausgesetzt war.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Sicherheitskräfte nahmen den damals 18-jährigen Mahmoud Hussein erstmalig am 25. Januar 2014 fest, im Anschluss an die Proteste anlässlich des dritten Jahrestags der Revolution vom 25. Januar. Sie hielten ihn an einem Kontrollpunkt im Stadtteil El-Marg im Norden Kairos an, als er mit einem Bus von Protesten nach Hause fuhr, und nahmen ihn willkürlich fest, nur weil er ein T-Shirt mit dem Slogan "Eine Nation ohne Folter" und einen Schal mit dem Emblem der Revolution vom 25. Januar trug. Amnesty International dokumentierte, wie er nach seiner Festnahme im Jahr 2014 von Angehörigen des Geheimdienstes gefoltert und auf andere Weise misshandelt wurde, darunter mit Schlägen und Elektroschocks an Händen, Rücken und Hoden. Durch die Folter wurde er dazu gebracht, die Mitgliedschaft in einer verbotenen Gruppe, den Besitz von Molotowcocktails und Handgranaten sowie die Teilnahme an nicht genehmigten Protesten zu "gestehen". Dieses erzwungene "Geständnis" wurde auf Video aufgezeichnet. Einen Tag, nachdem er vor der Kamera "gestanden" hatte, wurde Mahmoud Hussein von der Obersten Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) verhört. Er stritt alle Vorwürfe ab und sagte, er sei gefoltert worden, um zu "gestehen". Dennoch ordnete die Staatsanwaltschaft weder eine gerichtsmedizinische Untersuchung noch Ermittlungen zu seinen Foltervorwürfen an.

Mahmoud Hussein blieb sechs Tage lang im Polizeirevier El-Marg und wurde später in das Gefängnis Abu Zaabal verlegt. Dort wurde er bei seiner Ankunft geschlagen. Im Mai 2014 wurde er in das Kairoer Tora-Berufungsgefängnis verlegt, wo er ebenfalls mindestens zweimal geschlagen wurde. Dann wurde er in das Tora-Untersuchungsgefängnis in Kairo verlegt. Er blieb schließlich unter dem Aktenzeichen 715/2014 in El-Marg im Nordosten Kairos in Untersuchungshaft und wurde am 31. Januar 2016 vor Gericht gestellt. Am 24. März 2016 kam er gegen eine Kaution in Höhe von 1.000 Ägyptischen Pfund (etwa 30 Euro) frei. Aufgrund von Folter und anderen Misshandlungen leidet er unter chronischen Gesundheitsproblemen. Seit der Freilassung aus dem Gefängnis ist Mahmoud Hussein beim Gehen auf einen Krückstock angewiesen und hatte schon zwei Hüftoperationen.

Mahmoud Hussein wird derzeit im Badr 1-Gefängnis festgehalten, das 70 km nordöstlich von Kairo liegt. Nach früheren Recherchen von Amnesty International klagen die Gefangenen dort über grausame und unmenschliche Bedingungen, die durch die Verweigerung von medizinischer Versorgung, dem Aussetzen extremer Kälte und ständiger Kameraüberwachung gekennzeichnet sind. Familienbesuche sind in der Regel nur alle zwei Monate für 20 Minuten erlaubt und finden hinter einer Glasbarriere statt, die einen direkten und physischen Kontakt mit den Angehörigen verhindert. Dies verstößt gegen die ägyptische Gefängnisordnung, die für Untersuchungshäftlinge die Möglichkeit wöchentlicher Besuche von mindestens 45 Minuten vorschreibt. 

Die erneute Festnahme von Mahmoud Hussein erfolgt vor dem Hintergrund einer weiteren Festnahmewelle von Kritiker*innen und Angehörigen von im Ausland lebenden Dissident*innen. Im August 2023 nahmen die Behörden die Väter des in Belgien lebenden Journalisten Ahmed Gamal Ziada und des in Deutschland lebenden deutsch-ägyptischen Aktivisten Fagr al-Adly fest. Mahmoud Hussein ist einer von Tausenden, die in Ägypten willkürlich inhaftiert wurden – allein wegen der Wahrnehmung ihrer Menschenrechte oder nach Verfahren, die gegen internationale Standards für faire Gerichtsverfahren verstoßen oder jeder rechtlichen Grundlage entbehren. Zu den Inhaftierten gehören Menschenrechtsverteidiger*innen, politische Aktivist*innen, Oppositionelle, Gewerkschaftsmitglieder, Arbeiter*innen, friedlich Protestierende, Journalist*innen, Social-Media-Influencer*innen sowie Angehörige religiöser Minderheiten und Beschäftigte im Gesundheitswesen. 2013 wurden 834 Gefangene, die sich aus politischen Gründen in Haft befanden, freigelassen, doch war die Zahl der Personen, die von den Behörden festgenommen wurden, drei Mal so hoch. Die Oberste Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) verhörte mindestens 2.504 verdächtigte Kritiker*innen oder Oppositionelle wegen Beschuldigungen wie der Beteiligung an terrorismusbezogenen Straftaten, Internetkriminalität oder Protesten sowie der "Verbreitung von Falschnachrichten". Staatsanwält*innen und Richter*innen der SSSP verlängern routinemäßig die Untersuchungshaft von Tausenden von Gefangenen, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung anzufechten.

Nach seiner Freilassung aus der Haft im Jahr 2016 hat Mahmoud Hussein versucht, sein Leben wieder aufzubauen. Er eröffnete ein kleines Unternehmen, das T-Shirts herstellt, und hatte kürzlich seiner Freundin einen Heiratsantrag gemacht. Außerdem hatte er sich in medizinische und therapeutische Behandlung begeben.