Aktuell Europa und Zentralasien 17. November 2015

Europäische Abschottung bringt Flüchtlinge in Lebensgefahr

Europäische Abschottung bringt Flüchtlinge in Lebensgefahr

Flüchtlinge versuchen im September 2015 die griechische Insel Lesbos zu erreichen

17. November 2015 - Die Abschottungspolitik der Europäischen Union hat eine Reihe von gravierenden Menschenrechtsverletzungen an den EU-Grenzen zur Folge, wie Amnesty International in dem neuen Bericht "Fear and Fences: Europe’s Approach to Keeping Refugees at Bay" ausführlich dokumentiert.

"Mit Zäunen an den Landgrenzen und indem die Europäische Union Länder mit kritischer Menschenrechtslage, wie Marokko und die Türkei, als 'europäische Grenzwächter' nutzt, verweigert sie Menschen den Zugang zum Asylverfahren. Zudem setzt die EU Flüchtende Misshandlungen aus und zwingt sie zur lebensgefährlichen Fahrt über das Mittelmeer und die Ägäis", sagt Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland.

"Die Zäune an Europas Grenzen haben in keiner Weise zu einer geordneten Migration beigetragen. Im Gegenteil: Wo Zäune stehen, geschehen auch Menschenrechtsverletzungen, und sie tragen zu chaotischen Zuständen bei", so Çalışkan weiter. "Die EU muss ihre Abschottungspolitik grundsätzlich überdenken und dafür Sorge tragen, dass es sichere und legale Zugangswege nach Europa gibt."

Viele der Schutzsuchenden fliehen vor Krieg, Gewalt und Verfolgung. "Der Terror von Paris wurde von denjenigen verübt, die auch dafür verantwortlich sind, dass Menschen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan überhaupt hierher fliehen müssen", sagt Çalışkan. "Amnesty verurteilt die Anschläge von Paris aufs Schärfste. Wir fühlen mit den Familien der Opfer und warnen gleichzeitig davor, dass die Angriffe als Vorwand genutzt werden, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen. Flüchtende sind Opfer von Terror und nicht Täter. Sonst wären sie gar nicht hier."

Insgesamt wurden durch EU-Mitgliedstaaten 325 km Zaun an den Außengrenzen gebaut, deren Kosten 175 Millionen Euro übersteigen. Die Zäune zwingen die Menschen dazu, auf andere Landwege auszuweichen oder den gefährlichen Weg über das Meer zu wählen. Bis zum 10. November ertranken in diesem Jahr dabei 512 Menschen in der Ägäis und insgesamt 3.500 Menschen im Mittelmeer.

Der Bericht macht außerdem auf die Praxis von Push-Backs an den Landgrenzen zur Türkei sowie auf Gesetzesverschärfungen in Spanien und Ungarn aufmerksam. Er beleuchtet auch den fragwürdigen Umgang Marokkos und der Türkei mit Flüchtenden. "Im September wurden beispielsweise in der Türkei Schutzsuchende von der Küstenwache verhaftet, ohne Zugang zu einem Rechtsanwalt inhaftiert und gezwungen, nach Syrien und Irak auszureisen. Trotz solch eindeutiger Verstöße gegen internationales Recht strebt die EU mit der Türkei einen gemeinsamen Aktionsplan gegen 'irreguläre Migration' an", kritisiert Çalışkan.

Hier finden Sie den vollständigen Bericht "Fear and Fences: Europe’s Approach to Keeping Refugees at Bay" (PDF, englisch, 105 Seiten) zum Herunterladen.

Hier finden Sie die Agenda von Amnesty International zum Schutz von Flüchtlingen in Europa

Weitere Artikel