Aktuell Syrien 22. Januar 2013

Minderheitenschutz muss im syrischen Umbruch Vorrang haben

10. Januar 2013 - Jede zukünftige Übergangsregierung in Syrien sollte den Schutz von Minderheiten zu ihrer obersten Priorität machen, sagte Amnesty International anlässlich einer internationalen Konferenz syrischer Oppositioneller im Vereinigten Königreich. Amnesty fordert syrische Oppositionsführer und Syrienexperten, die sich in Sussex für einen zweiten Tag zu privaten Gesprächen getroffen haben, auf, Menschenrechte in den Mittelpunkt aller Planungen über die Zukunft des Landes zu stellen. Minderheiten einschließlich alawitischer Muslime und die Assad-Familie sind einem erhöhten Risiko von Menschenrechtsverstößen durch bewaffnete Oppositionskräfte ausgesetzt.

"Wenn der Konflikt schließlich beendet ist, wird den Machthabern eine gewaltige Aufgabe gegenüberstehen. Es ist wichtig, dass die Verantwortlichen Menschenrechte ins Zentrum ihrer Maßnahmen und Reformen stellen. Zu den wichtigsten zählt dabei, die Sicherheit von Minderheiten zu gewährleisten, gerade derer, die verdächtigt werden, die frühere Regierung unterstützt zu haben," sagte die stellvertretende Leiterin für den Mittleren Osten und Nordafrika bei Amnesty International Ann Harrison.

Anstieg religiös motivierter Gewalt

In Syrien war kürzlich ein Anstieg religiös motivierter Gewalt insbesondere von den Gegnern Präsidents Baschar al-Assad zu verzeichnen. Unter den Betroffenen waren Alawiten, Drusen, schiitische Muslime und Christen. "Es besteht dringender Handlungsbedarf, um religiös motivierte Angriffe zu beenden und sicherzustellen, dass das Vermächtnis der Unterdrückung nicht die Zukunft gestaltet. Straflosigkeit für Verbrechen gemäß des Völkerrechts darf nicht weiter bestehen und die Aussichten auf ein neues Syrien trüben, in dem die Rechte aller vollständig eingehalten werden," forderte Harrison.

Die Konferenz in Sussex findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem eine friedliche Lösung des Syrien-Konfliktes immer weiter entfernt erscheint. Oppositionskräfte gewinnen weiterhin Gebiete. Die Städte und Dörfer, die sie halten, werden dann jedoch häufig von syrischen Regierungstruppen stark bombardiert und beschossen.

Syriens künftige Führungskräfte werden die Aufgabe haben, ein Land wiederaufzubauen, das durch einen blutigen Konflikt verwüstet wurde, in dem nach Angaben der Vereinten Nationen bisher mindestens 60.000 Menschen zu Tode kamen.

Zivilpersonen tragen weiterhin die Hauptlast der Gewalt, Berichten zufolge mit Dutzenden, die täglich getötet werden. Laut UN gibt es nach Schätzungen mehr als zwei Millionen Binnenvertriebene, während mehr als 600.000 Flüchtlinge überwiegend in die Nachbarstaaten geflohen sind. "Zu den dringendsten Aufgaben für eine neue Regierung wird es gehören, sicherzustellen, dass jeder in Syrien, der humanitäre Soforthilfe benötigt, diese ohne Verzögerung erhält," sagte Ann Harrison.

Humanitäre Krise

Die internationale Gemeinschaft ist gefordert, die humanitäre Krise in Syrien zu verringern – sowohl jetzt, als auch nach einem möglichen Umbruch. Unterkünfte, Nahrungsmittel, Abwasserentsorgung und Wasser- und Gesundheitsversorgung müssen dringend bereit gestellt werden. Die UN und andere internationale Organisationen suchen dringend finanzielle Unterstützung, um Menschen in Syrien und denen, die geflohen sind, zu helfen.

"Länder, die Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen haben, sollten diese so lange nicht zurückschicken, bis sich die Sicherheitslage und Menschenrechtssituation soweit verbessert haben, dass eine sichere, würdevolle und dauerhafte Rückkehr möglich ist," sagte Harrison.

Amnesty International forderte andere Regierungen auf, ihre Solidarität mit Syriens Nachbarstaaten, die gegenwärtig die Mehrheit der Flüchtlinge aufnehmen, zu bekunden und sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen, um die Verantwortung zu teilen.

Die syrischen und internationalen Akteure, die die Zukunft des Landes diskutieren, wurden ebenso aufgefordert, sich zu verpflichten, Diskriminierung und Gewalt insbesondere gegen Frauen zu bekämpfen.

"Wir haben in den vergangenen Jahren zu oft gesehen, wie Frauenrechte unter Übergangsregierungen ans Ende der Tagesordnung rutschten – etwas, das die zukünftige Führung nach dem Konflikt in Syrien verhindern sollte. Um mit dem Erbe von über 40 Jahren eingeschliffener Muster von Menschenrechtsverletzungen zu brechen, erfordert es Mut, politischen Willen und wirksame Maßnahmen. Doch nach Jahrzehnten erstickender Unterdrückung und Monaten verheerenden Konfliktes wollen und verdienen die Syrerinnen und Syrer einen Staat auf der Grundlage der Achtung für die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit."

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