Aktuell 31. August 2009

"Wir brauchen internationale Aufmerksamkeit"

Ein Gespräch mit Sanath Balasooriya
Sanath Balasooriya

Sanath Balasooriya

Der Journalist Sanath Balasooriya ist Mitglied des "Free Media Movement" und von "Journalists for peace", die sich für die Rechte der tamilischen Minderheit und Friedensverhandlungen einsetzen. Wegen seiner kritischen Berichterstattung verhängte die Regierung ein Schreibverbot gegen ihn. Nachdem im Januar ein Kollege Balasooriyas erschossen wurde, fürchtete er um sein Leben und kam als Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte und mit Unterstützung von Amnesty International nach Deutschland.

Man hat Sie am Telefon bedroht, Ihr Kollege, der Verleger Lasantha Wickramatunga, wurde auf offener Straße erschossen. Warum fürchtet die Regierung die Arbeit der Journalisten in Sri Lanka so sehr?

Wir haben in den vergangenen Jahren Bündnisse zwischen den größten Journalistenorganisationen, Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft geschlossen. Zum ersten Mal haben sich Journalisten aller ethnischen Gruppen zusammengefunden. Wir setzen uns gemeinsam für Pressefreiheit ein und haben Morde an Journalisten öffentlich gemacht. Bei unseren Protesten gingen in der Hauptstadt Colombo bis zu 500.000 Menschen auf die Straße. Dadurch gerät die Regierung unter Druck und versucht sich aus der Affäre zu ziehen, indem jeder, der sich ihrer Propaganda widersetzt oder auch nur über die tamilische Minderheit berichtet, unter den Generalverdacht des Terrorismus gestellt wird. Seit der Gründung der Organisationen hat sich die Situation für Journalisten immer weiter verschlechtert. Seit 2004 sind 34 Journalisten und Medienvertreter in Sri Lanka ermordet worden, viele andere wurden geschlagen, bedroht und entführt.

Was ist die Zielsetzung dieser Bündnisse?

Wir setzen uns für eine politische Lösung der ethnischen Probleme ein, für Gewaltenteilung und eine neue Verfassung. Wir wollen über die ethnischen Grenzen hinweg die Menschen informieren. Die Bevölkerung Sri Lankas ist tief gespalten, keiner weiß über den anderen Bescheid. Wir halten es für unbedingt notwendig, dass alle Konfliktparteien gehört werden und eine gemeinsame Lösung anstreben. Wir setzen uns als Medienorganisation natürlich unbedingt für Pressefreiheit ein, denn ohne sie ist Demokratie unserer Meinung nach nicht möglich. Die tamilische Bevölkerung muss ihre fundamentalen Rechte bekommen, und die Diskriminierung an den Schulen und Universitäten muss aufhören.

Im Norden Sri Lankas gibt es seit dem Ende des Bürgerkrieges große Flüchtlingslager, 300.000 Menschen werden dort von der Armee festgehalten. Haben Sie Informationen über die Situation vor Ort?

Neben der katastrophalen Versorgungslage und sich ausbreitenden Krankheiten verschwinden täglich junge Männer, Frauen werden vergewaltigt. Jetzt hat sich die Lage noch verschlimmert, weil starke Regenfälle die Lager teilweise überflutet haben. Wir Journalisten werden daran gehindert, über die Situation vor Ort zu berichten. Deswegen glauben viele, mit dem Sieg über die Rebellenorganisation "Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) sei Frieden in Sri Lanka eingekehrt und es gebe keinen Grund mehr zur Besorgnis - aber das ist nicht wahr. Sogar Hilfsorganisationen werden an ihrer Arbeit gehindert. Die Situation ist furchtbar.

Die Regierung ließ im Mai verlauten, sie wolle die Lager nach einer Frist von sechs Monaten wieder schließen.

Wenn das wirklich das Ziel wäre, müsste man langsam damit anfangen, die Rückführungen zu organisieren. Es geht immerhin um 300.000 Menschen, und so etwas wie ein Aktionsplan existiert nicht. Im Osten des Landes gibt es Flüchtlingslager, die seit dem Tsunami 2004 bestehen, und auch hier gibt es bisher keine Bemühungen, sie zu schließen. Wie können wir mit diesen Erfahrungen an die jetzigen Regierungsversprechen glauben? Als erstes müssten die so genannten Hochsicherheitszonen im Norden des Landes aufgelöst werden, die seit über 15 Jahren existieren. Solange diese weiter bestehen, haben die meisten Menschen gar keinen Ort, an den sie zurückkehren könnten.

Amnesty hat eine Kampagne zur Schließung der Flüchtlingslager lanciert...

Wir brauchen diese internationale Aufmerksamkeit. Zivilgesellschaftliche Organisationen in Sri Lanka können alleine nichts ausrichten. Denn, wer seine Stimme gegen die Regierung erhebt, gilt sofort als Unterstützer der Rebellen und wird verfolgt. Wenn Organisationen wie Amnesty International es schaffen, Druck auf die Regierung auszuüben, kann sich etwas verändern.

Führt die katastrophale Situation in den Flüchtlingslagern dazu, dass die Rebellen wieder Zulauf erhalten?

Wenn die Probleme nicht gelöst werden, wird es früher oder später wieder eine Rebellengruppe geben. Vielleicht unter anderem Namen, vielleicht in einem Monat oder auch erst in zehn oder 15 Jahren. Wenn wir der tamilischen Bevölkerung keine Lösung anbieten, werden wir das nicht verhindern können. Die LTTE ist geschlagen, und die Anführer, die überlebt haben, sind außer Landes geflohen. Aber die Menschen in den Lagern sind zornig, und irgendwann wird wieder etwas passieren.

Ende Mai hat der UNO-Menschenrechtsrat die Regierung für ihren Einsatz gegen die tamilischen Rebellen gelobt.

Es haben sich neue Koalitionen gebildet. Verbündete wie China sorgen dafür, dass das Vorgehen der Regierung nicht kritisiert wird. Im Gegenteil, die Regierung hat die LTTE besiegt und gilt damit international als erfolgreich im "Krieg gegen den Terror", und ihr brutales Vorgehen wird toleriert. Dabei müsste ein solches Gremium Untersuchungen zu den Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka anstoßen – und nicht nur zu denen in den Flüchtlingslagern. Allein in Colombo sind 20 Menschen in den vergangenen 18 Monaten getötet worden, weil sie unbequem waren. Sie wurden als Unterstützer der Rebellen oder Kriminelle diffamiert. Auch diese Fälle müssen untersucht und die Täter zur Verantwortung gezogen werden. Die internationale Gemeinschaft muss sich für ein Ende der Menschenrechtsverletzungen und für Pressefreiheit einsetzen.

In den letzten Wochen des Krieges fielen Zehntausende den Bombardements der Armee zum Opfer. Angeblich befanden sich darunter keine Zivilisten.

Wer könnte sagen, ob es sich bei einem Toten um einen Rebellen oder einen Zivilisten handelt? Schließlich tragen Rebellen keine Mitgliedsausweise. Die Regierung macht es sich leicht und behauptet, jeder Tote sei ein Rebell, mindestens aber ein Unterstützer gewesen. Sogar wenn Kinder ums Leben kamen, behaupteten sie, es wären Kindersoldaten gewesen. Die Bomben wurden einfach auf Wohngebiete geworfen, denn dort lebten auch die Rebellen. Wir gehen davon aus, dass sehr viele der Opfer Zivilisten waren.

Wie könnte ein Friedensplan für Sri Lanka aussehen?

Die Regierung muss der tamilischen Bevölkerung ihre grundlegenden Rechte einräumen und eine politische Lösung anstreben. Wir brauchen eine neue Verfassung und Gewaltenteilung, die Provinzen müssen mehr Macht erhalten. Wie genau das aussehen kann, sollten Vertreter aller ethnischen Gruppen in einem gemeinsamen Rat ausarbeiten. Alle Bevölkerungsgruppen müssen die gleichen Rechte bekommen, Pressefreiheit und die Einhaltung der Menschenrechte müssen garantiert werden.

Nach 26 Jahren Bürgerkrieg sollen die Menschen nun plötzlich friedlich zusammenleben. Dafür setzte Präsident Mahinda Rajapaksa zum Beispiel als Integrationsminister den ehemaligen Rebellenführer Oberst Karuna ein.

Karuna genießt in der Bevölkerung kein Vertrauen. Er schart weiterhin bewaffnete Truppen um sich, die auch im Osten des Landes agieren. Das hat meiner Meinung nach nichts mit Demokratie zu tun und ist Teil des doppelzüngigen Spiels der Regierung. Natürlich müssen die Tamilen am Integrationsprozess beteiligt werden – aber Karuna ist da sicher kein Schritt in die richtige Richtung.

Was würde passieren, wenn Sie in Ihre Heimat zurückkehrten?

Im Moment ist das sehr gefährlich. Die Regierung hat gerade eine Liste von 52 Journalisten veröffentlicht, die angeblich auf der Gehaltsliste der LTTE standen – auch ich stehe auf dieser Liste. In meiner Heimat gelte ich als Terrorist, sie nennen mich den "Singalesischen Tiger".

Das Interview führte Tatjana Schütz.

Beteiligen Sie sich jetzt an unserer Online-Aktion zur Öffnung der Flüchtlingslager in Sri Lanka!

Schlagworte

Aktuell

Weitere Artikel