Blog 02. Februar 2012

„Amnesty going South“

Spannendes und abwechslungsreiches Programm: Sven Mesch und Klaus Walter mit der Amnesty-Hochschulgruppe der University of Education in Winneba.

Seit gut einer Woche bin ich gemeinsam mit einem Amnesty-Mitarbeiter in Ghana, um hier beim Ausbau der Amnesty-Strukturen zu helfen.

Sven Mesch ist Regionalbeauftragter des Vorstands der deutschen Amnesty-Sektion für Afrika und ehrenamtliches Mitglied der Länderkoordinationsgruppe Kenia/Tansania. Außerdem ist er Teil des "Ghana-Teams" im Rahmen des Partnerschaftsprojekts mit Amnesty Ghana.

 

Die Welt wächst weiter zusammen. Auch die verschiedenen Sektionen von Amnesty International arbeiten weltweit immer stärker zusammen. Doch die großen, mitgliederstarken Sektionen befinden sich fast ausschließlich im globalen Norden. Um aber auch im "Süden" mehr Menschen für den Einsatz für die Menschenrechte zu mobilisieren, hat Amnesty das Programm "Amnesty going South" ins Leben gerufen. Und aus diesem Grund sind Klaus H. Walter, Stabsstelle Mitgliedschaft im Generalsekretariat, und ich seit mehr als einer Woche in Ghana.

Vor rund einem Jahr hat ein Partnerschaftsprojekt zwischen dem Amnesty-Büro in Accra und der deutschen Sektion begonnen. Ziel ist es, die Kolleginnen und Kollegen in Ghana beim Ausbau der Strukturen zu unterstützen. Zu diesem Zweck sind bereits letztes Jahr zwei Amnesty-Vertreter aus Deutschland nach Ghana gereist. Eine Delegation aus Ghana wiederum besuchte die deutsche Sektion im vergangenen November in Bonn und Berlin, um vor Ort die Arbeit von Amnesty in Deutschland kennen zu lernen.

Klaus und ich sind nun schon über eine Woche hier und haben ein straffes, aber sehr spannendes und abwechslungsreiches Programm hinter uns. So haben wir in verschiedenen Teilen des Landes Trainingsseminare für Gruppensprecherinnen und –sprecher durchgeführt, haben Lobbytermine wahrgenommen, Netzwerkarbeit betrieben und mehrere Human Rights Clubs an Schulen sowie Partnerorganisationen von Amnesty Ghana besucht.

Setzt sich für die Rechte von Frauen ein: Philip Kumah, der Mitbegründer und Projektleiter der Organisation WISEEP, vor einer erst vor kurzem zerstörten Unterkunft im Slum Old Fadama in Accra.

Unser Besuch in Ghana begann vergangene Woche gleich mit einem Treffen bei WISEEP, einer Organisation, die sich vor allem für Frauen in den Slums von Accra einsetzt. Schnell nahm unsere Visite aber eine unerwartete Wendung: während wir durch den Slum Old Fadama, hier auch genannt "Sodom und Gomorrha" liefen, um uns zerstörte Unterkünfte nahe der sogenannten Lagune anzusehen, erhielten wir einen Anruf: erst am Tag zuvor seien an einer Bahnlinie in einem nahegelegenen Slum ebenfalls Hütten und Läden zerstört worden, und nun stritten sich die aufgebrachten Menschen mit der Polizei. Also fuhren wir sofort dorthin. Tatsächlich fanden wir wütende Bewohner vor, die uns förmlich umzingelten und uns von der Zwangsräumung berichteten. Mit eigenen Augen sahen wir die zerstörten Hütten, in denen wenige Tage zuvor noch Menschen gelebt und gearbeitet hatten.

Zwangsräumungen sind ein wichtiges Thema in Ghana – ein Thema, dass wir auch versucht haben, während unseres Besuchs beim deutschen Botschafter anzusprechen. Leider teilte er unsere Meinung in diesem Fall nicht ganz.

Um buchstäblich den Weg für Infrastrukturprojekte freimachen zu können, werden u.a. die nahe an den Bahnlinien stehenden Geschäfte und Hütten der Slumbewohner geräumt. Im Fall der Zwangsräumung, deren Ergebnis wir selbst Zeuge wurden, war die Maßnahme drei Tage vorher angekündigt worden. Da diese Ankündigungen jedoch alle paar Monate stattfinden, und dann meist doch nichts passiert, können sich die Bewohner nie richtig vorbereiten und leben in ständiger Unsicherheit.

Aufgebracht und wütend: Slumbewohner in Accra nach der Zerstörung ihrer Hütten und Geschäfte.

Amnesty fordert daher Richtlinien, nach denen diese Räumungen stattfinden. Dies ist ein wichtiges Anliegen der 2009 gestarteten Amnesty-Kampagne "Mit Menschenrechten gegen Armut". Um das Bewusstsein dafür bei den Entscheidungsträgern und in der Bevölkerung zu schaffen, ist in Ghana noch viel Arbeit nötig. Bei unserem Treffen mit WISEEP haben wir deshalb überlegt, wie wir ein Filmprojekt unterstützen können, das die Bewohner über ihre Rechte aufklärt, damit sie selbst dafür eintreten können.

Selbst für ihre Rechte treten auch Frauen in einem Dorf nahe Bolgatanga im Norden Ghanas ein. Mit Unterstützung von Amnesty kämpfen sie gegen erniedrigende Rituale an, die Frauen widerfahren, wenn ihr Mann gestorben ist. Oft müssen sich die Witwen vor allen nackt ausziehen, ihre Haare werden abgeschnitten oder die Frauen müssen eine eklige Flüssigkeit trinken. Alles mit dem Ziel um zu sehen, ob sie ihrem Mann auch treu oder gar Schuld an seinem Tod waren. Wir hatten die Möglichkeit eine Gruppe von Frauen zu treffen, und waren beeindruckt, wie selbstbewusst sie für die Bewahrung ihrer Würde eintreten.

Dies sind nur zwei Bespiele für die Menschenrechtsarbeit in Ghana. Und wir sind sehr beeindruckt, welch großartige Menschenrechtsarbeit unsere Kolleginnen und Kollegen von Amnesty Ghana mit ihren geringen Ressourcen leisten.

Wer mehr über unseren Aufenthalt erfahren will, kann uns auf Twitter folgen: https://twitter.com/#!/AI_GhanaGermany

 

"Mit Menschenrechten gegen Armut" | WISEEP

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