Zu 15 Jahren verurteilt

Der uigurische Journalist Hairat Niyaz wurde am 23. Juli zu 15 Jahren Haft verurteilt. Man hält ihn nach wie vor ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft und verweigert ihm Zugang zu einer rechtlichen Vertretung seiner Wahl.

Appell an

LEITER DER ABTEILUNG FÜR JUSTIZ DER AUTONOMEN REGION XINJIANG
USOUR Abuliz Tingzhang,
Xinjiang Weiwuer Zizhiqu Sifating
27 Renminlu,
Urumqi 830002
Xinjiang Weiwuer Zizhiqu
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Director General)
Fax: (0086) 991 2311590

LEITER DER VOLKSSTAATSANWALTSCHAFT DER AUTONOMEN REGION XINJIANG
YUSUFU Maimaiti Jianchazhang
Xinjiang Weiwuer Zizhiqu Renmin Jianchayuan
63 Jianguolu
Tianshanqu
Urumqi
Xinjiang Weiwuer Zizhiqu
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Chief Procurator)

VORSITZENDER DER VOLKSREGIERUNG DER
AUTONOMEN UIGURISCHEN REGION
Nur BEKRI Zhuxi
Xinjiang Weiwuer Zizhiqu Renmin Zhengfu
2 Zhongshanlu
Wulumuqishi, 830041
Xinjiang Weiwuer Zizhiqu
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Chairman)
E-Mail: master@xinjiang.gov.cn

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S.E. Herrn Wu Hongbo
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: chinesischeBotschaft@debitel.net
chinaemb_de@mfa.gov.cn
de@mofcom.gov.cn

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE

  • Ich fordere Sie auf, Hairat Niyaz unverzüglich und bedingungslos freizulassen.

  • Stellen Sie sicher, dass Hairat Niyaz nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird.

  • Sorgen Sie dafür, dass er Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl, seiner Familie und jeder notwendigen medizinischen Versorgung erhält.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the authorities to release Hairat Niyaz immediately and unconditionally;

  • Calling on them to guarantee that Hairat Niyaz will not be tortured or otherwise ill-treated;

  • Calling on them to ensure that he is given immediate access to legal counsel of his choice, his family and any medical attention he may require.

Sachlage

Hairat Niyaz (weitere Schreibweisen sind: Gheyret Niyaz oder Hailaite Niyazi) wurde am 1. Oktober bei sich zuhause festgenommen. Damals sagte die Polizei gegenüber der Familie von Hairat Niyaz, dass sie ihn festnähmen, weil er "zu viele Interviews" gegeben habe. Auf seinem Haftbefehl stand, dass man ihn wegen "Gefährdung der nationalen Sicherheit" festgenommen habe.

Am 15. Juli 2010 teilten die Behörden der Frau von Hairat Niyaz, Risalet, mit, dass sie einen Anwalt für ihn anstellen könne. Risalet und Ilham Tohti, der Herausgeber der Website Uighurbiz (auch bekannt als Uighur Online), die auch Hairat Niyaz mitverwaltet, organisierten die Beauftragung eines Anwalts. Doch dann teilte man ihnen mit, dass Hairat Niyaz bereits einen Anwalt habe, den sie nicht kannten.
Das Verfahren gegen Hairat Niyaz fand am 23. Juli 2010 vor einem Gericht in Urumqi, der Hauptstadt der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang, statt. Noch am selben Tag wurde er schuldig gesprochen und das Strafmaß festgelegt. Seine Frau Risalet konnte an der Gerichtsverhandlung teilnehmen. Die Staatsanwaltschaft zog als Beweismittel Aufsätze heran, die er vor den Protesten im Juli 2009 in Xinjiang verfasst, und Interviews, die er Hongkonger Medien nach den Unruhen gegeben hatte. Während des Verfahrens soll Hairat Niyaz darauf bestanden haben, dass er keine Gesetze gebrochen hatte und nur seine Pflicht als Bürger und Journalist erfüllte. Es ist nicht bekannt, ob der Journalist Rechtsmittel einlegen wird.

Der letzte bekannte Haftort von Hairat Niyaz war die Haftanstalt Tianshan in Urumqi. Es gibt keine bestätigten Berichte darüber, wo er zurzeit festgehalten wird.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Hairat Niyaz ist in der uigurischen Gemeinschaft in China wegen seiner journalistischen Arbeit bekannt. Im Jahr 1982 schloss er sein Studium an der Universität Peking ab. Nach dem Studium arbeitete er für verschiedene Publikationen. Dabei hat er bewusst auf Chinesisch berichtet, um chinesischsprachige Leser_innen im In- und Ausland besser erreichen und über die Kultur und Lage der Uigur_innen in Xinjiang informieren zu können. Als Journalist hatte er leitende Positionen bei den Zeitungen Xinjiang Economic Daily und Xinjiang Legal Daily inne, außerdem war er stellvertretender Chefredakteur der Rechtszeitschrift Fazhi Zongheng. Ein Interview über die Unruhen vom 5. Juli findet sich auf folgender Website: http://www.yzzk.com/cfm/Content_Archive.cfm?Channel=ag&Path=2311577102/30ag3a.cfm
Am 5. Juli 2009 versammelten sich hunderte Uigur_innen, um am Platz des Volkes in Urumqi zu demonstrieren. Sie protestierten gegen die anfängliche Untätigkeit der Polizei nach dem Tod von mindestens zwei uigurischen Arbeitern, die am 26. Juni 2009 bei Unruhen in einer Fabrik in Shaoguan in der südchinesischen Provinz Guangdong ums Leben gekommen waren. Die zuvor auf uigurischen Websites wie Salkin, Diyarim und Uyghur Biz angekündigte Demonstration sollte um 17 Uhr beginnen. Der Protestaufruf wurde auch auf dem chinesischen Messaging-Dienst QQ und per SMS verbreitet.

An jenem Nachmittag kamen tausende von Menschen zusammen. Später am Abend kam es zu gewalttätigen Unruhen, insbesondere im Süden der Stadt, bei denen überwiegend Uigur_innen Han-Chines_innen angegriffen haben sollen. In den darauffolgenden Tagen verübten die Han-Chines_innen Vergeltungsanschläge gegen Uigur_innen. Bei den Ausschreitungen starben am 5. Juli laut offiziellen Angaben 197 Menschen, 156 von ihnen waren Han-Chines_innen, zehn Uigur_innen und elf gehörten der Minderheit der Hui an. Inoffiziellen Quellen, insbesondere uigurischen Gruppen, zufolge wurden am 5. Juli und in den folgenden Tagen viel mehr Uigur_innen getötet.

Laut offiziellen Angaben wurden 198 Personen in Zusammenhang mit den Unruhen verurteilt. Die Verfahren entsprachen nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Mindestens neun Menschen wurden hingerichtet und mindestens 26 weitere wurden zum Tode verurteilt, darunter waren zwei Todesurteile mit einem zweijährigen Strafvollzugsaufschub. Zu den Beschränkungen bei den Gerichtsverfahren gehörte, dass die Angeklagten ihre rechtliche Vertretung nicht frei wählen konnten. Man stellte ihnen offiziell bestellte, politisch nicht unabhängige und parteiische Anwält_innen zur Seite. Zudem wurden Folter- und Misshandlungsvorwürfe von den Angeklagten erhoben, mit Hilfe derer "Geständnisse" erpresst werden sollten, sowie Korruption und politische Einmischungen vor Gericht.

Die chinesischen Behörden unterbrachen den Internetzugang in Xinjiang in der Nacht vom 5. auf den 6. Juli 2009. Laut Aussagen von Li Zhi, dem damaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei in Urumqi, diente dies dazu, "die Unruhen schnell niederzuschlagen und dafür zu sorgen, dass die Gewalt nicht auf andere Gegenden übergreift". SMS und internationale Telefonverbindungen wurden ebenfalls unterbrochen. Die Dienste wurden später peu à peu wieder hergestellt, E-Mails konnten zum Teil ab Februar 2010 wieder verschickt werden und der Internetzugang wurde am 14. Mai wieder "ganz" hergestellt. Dennoch gibt es in Xinjiang wie in anderen Teilen Chinas keinen freien Internetzugang, da die Regierung das Internet zensiert, bestimmte Websites blockiert und die Aktivitäten von Einzelpersonen im Netz kontrolliert

Im April wurde Gulmira Imin, die regelmäßig Beiträge für die Website Salkin verfasst, wegen "Separatismus, der Weitergabe von Staatsgeheimnissen und Organisation nicht genehmigter Demonstrationen" zu lebenslanger Haft verurteilt. Dilixiati Paerhati, den Herausgeber von Diyarim, hat man seit August 2009 nicht mehr gesehen, als er von Unbekannten bei sich zuhause abgeholt wurde. Ilham Tohti war im Juli 2009 ebenfalls etwa zwei Wochen inhaftiert. Im April untersagten ihm die Behörden eine Reise in die Türkei, um dort an einer akademischen Konferenz teilzunehmen.

Am 27. September hat der Ständige Ausschuss des Volkskongresses der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang neue Verordnungen erlassen, die den Gebrauch des Internets ausdrücklich verbieten, wenn damit "die Staatssicherheit gefährdet" oder "zu ethnischem Separatismus angestiftet" wird.

Das chinesische Strafgesetzbuch enthält bereits Bestimmungen zu Tatbeständen, die die "Staatssicherheit gefährden". Zur "Gefährdung der Staatssicherheit" gehören unter anderem die "Untergrabung der Staatsgewalt", "Separatismus" und die "Weitergabe von Staatsgeheimnissen". In den vergangenen Jahren haben die chinesischen Behörden zunehmend auf solch vage formulierte Bestimmungen des Strafgesetzbuches zurückgegriffen, um friedliche Aktivist_innen zum Schweigen zu bringen oder zu inhaftieren, und die freie Meinungsäußerung einzuschränken.