Aktivistinnen und Mönch verurteilt

Anwohner protestieren am Boeung-Kak-See

Anwohner protestieren am Boeung-Kak-See

Sieben Wohnrechtsverteidigerinnen der Boeung-Kak-Gemeinde in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh wurden wegen eines Straßenprotests zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Während der Gerichtsverhandlung demonstrierten drei weitere Frauen und ein buddhistischer Mönch vor dem Gerichtsgebäude für die Freilassung der Aktivistinnen und erhielten dasselbe Strafmaß.

Appell an

INNENMINISTER
Sar Kheng
75 Norodom Blvd., Khan Chamkarmon
Phnom Penh
KAMBODSCHA
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 855) 23 880 624
E-Mail: moi@interior.gov.kh

JUSTIZMINISTER
Ang Vong Vathana, No 240 Sothearos St 3
Phnom Penh
KAMBODSCHA
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 855) 23 880 624
E-Mail: ocm@cambodia.gov.kh

Sende eine Kopie an

AUSSENMINISTER
Hor Nam Hong
No 3 Samdech Hun Sen Street
Khan Chamcar Mon
Phnom Penh
KAMBODSCHA
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 855) 23 216 141
E-Mail: mfaic@mfa.gov.kh

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS KAMBODSCHA
S. E. Herrn Chun Thai
Benjamin-Vogelsdorff-Straße 2
13187 Berlin
Fax: 030 - 48 63 79 73
E-Mail: rec-berlin@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Khmer, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 26. Dezember 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte Sie höflich bitten, Nget Khun, Tep Vanny, Song Srey Leap, Kong Chantha, Phan Chhunreth, Po Chorvy, Nong Sreng, Heng Pich, Im Srey Touch, Phuong Sopheap und Soeung Hai umgehend und bedingungslos freizulassen, da sie nur deshalb schuldig gesprochen und inhaftiert wurden, weil sie friedlich Gebrauch von ihrem Recht auf Versammlungsfreiheit gemacht haben.

  • Setzen Sie Strafanzeigen zur Einschüchterung und Bestrafung von friedlichen Demonstrierenden ein Ende.

  • Bitte beheben Sie Probleme, die durch die rechtswidrige Zwangsräumung der Boeung-Kak-Gemeinde sowie der Aufschüttung des Beoung-Kak-Sees entstanden sind – einschließlich der Probleme bezüglich der Überflutungen und des Entwässerungssystems.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Immediately and unconditionally release Nget Khun, Tep Vanny, Song Srey Leap, Kong Chantha, Phan Chhunreth, Po Chorvy, Nong Sreng, Heng Pich, Im Srey Touch, Phuong Sopheap and Soeung Hai, as they have been convicted and jailed for simply exercising their right to freedom of peaceful assembly.

  • End the use of criminal charges to intimidate and punish peaceful protesters.

  • Finally resolve the situation caused by the forced eviction of the Boeung Kak community and filling in of Boeung Kak Lake, including by addressing the problems around flooding, drainage and sewage.

Sachlage

Am 10. November versammelten sich verzweifelte Bewohner_innen der Boeung-Kak-Gemeinde vor dem Rathaus in Phnom Penh und demonstrierten, weil ihr Viertel durch Regen- und Abwasser überflutet ist. Nach Aussagen der Bewohner_innen haben die Behörden nichts gegen die Überschwemmungen unternommen. Während der Demonstration wurde die Straße mit einem Bettgestell blockiert, und es kam zu einem Handgemenge, als örtliche Sicherheitskräfte dieses entfernten. Sieben Wohnrechtsverteidigerinnen wurden festgenommen und über Nacht im Präsidium der Verkehrspolizei festgehalten. Am nächsten Tag brachte man sie zum Stadtgericht in Phnom Penh, wo sie wegen Verkehrsbehinderung unter Paragraf 78 des Verkehrsgesetzes angeklagt wurden. Sie wurden vor Gericht gestellt, für schuldig befunden und jeweils zu einem Jahr Haft und einer Geldstrafe von umgerechnet etwa 400 Euro verurteilt. Das Verfahren dauerte weniger als drei Stunden. Bei den sieben Aktivistinnen handelt es sich um Nget Khun, Tep Vanny, Song Srey Leap, Kong Chantha, Phan Chhunreth, Po Chorvy und Nong Sreng.

Während der Gerichtsverhandlung der sieben Frauen am 11. November demonstrierten drei weitere Wohnrechtsverteidigerinnen – Heng Pich, Im Srey Touch und Phuong Sopheap – sowie ein buddhistischer Mönch, Soeung Hai, vor dem Gerichtsgebäude friedlich für die Freilassung der sieben angeklagten Frauen. Sie wurden festgenommen und am 12. November wegen "Behinderung eines Beamten mit erschwerenden Umständen" unter Paragraf 504 des Strafgesetzbuchs angeklagt. Nach einem Verfahren, das etwa drei Stunden dauerte, wurden auch die drei Frauen und der Mönch für schuldig befunden und zu jeweils einem Jahr Haft sowie einer Geldstrafe von umgerechnet 400 Euro verurteilt.

Amnesty International vertritt die Auffassung, dass die elf Demonstrierenden nicht hätten strafrechtlich verfolgt werden dürfen, schon gar nicht in unfairen Schnellverfahren, da sie lediglich Gebrauch von ihrem Recht auf friedliche Versammlung gemacht haben. Die Behörden haben das Verkehrsgesetz und das Strafgesetzbuch missbraucht, um die friedliche Äußerung von abweichenden Meinungen zu unterdrücken. Entsprechend ihren Verpflichtungen nach internationalen Menschenrechtsverträgen und der kambodschanischen Verfassung hätten die Behörden die Wahrnehmung des Rechts der Demonstrierenden auf friedliche Versammlung respektieren, unterstützen und schützen müssen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Amnesty International vertritt die Auffassung, dass die elf Demonstrierenden nicht hätten strafrechtlich verfolgt werden dürfen. Sie haben lediglich von ihrem Recht auf friedliche Versammlung Gebrauch gemacht, welches im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten Kambodscha gehört, und in der kambodschanischen Verfassung verankert ist. Die kambodschanischen Behörden sind rechtlich dazu verpflichtet, die Wahrnehmung dieses Rechts zu respektieren, zu unterstützen und zu schützen. Der UN-Sonderberichterstatter für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit merkte an, "dass der freie Verkehrsfluss nicht zwangsläufig über dem Recht auf friedliche Versammlung stehen darf". Des Weiteren erklärte er, dass "die Umgebung von symbolträchtigen Gebäuden … als öffentlicher Raum zu betrachten sei und dass daher an diesen Orten friedliche Versammlungen gestattet werden sollten".

Seit 2007 sind mehrere tausend am Ufer und in der Nähe des Boeung-Kak-Sees lebende Menschen von dort vertrieben worden. Damals war das fragliche Land zur Erschließung an ein Unternehmen verpachtet worden. Im August 2011 wies der kambodschanische Ministerpräsident 12,44 Hektar des Grundstücks für die über 900 verbliebenen Familien aus. Mittlerweile haben die meisten Familien zwar Landtitel erhalten, es gibt aber weiterhin Demonstrationen für dutzende Familien, denen dieses Recht verwehrt wurde. Des Weiteren wurde der ehemalige See mit Sand aufgeschüttet, was bei besonders starken Regenfällen zu schweren Überschwemmungen des Viertels führt.

Die zehn Frauen und der buddhistische Mönch wurden umgehend nach den Anhörungen vor Gericht in die Gefängnisse "Prey-Sar-CC2" beziehungsweise "-CC1" gebracht, die sich am Stadtrand von Phnom Penh befinden. Berichten zufolge könnte der buddhistische Mönch Soeung Hai, der vor seiner gerichtlichen Anhörung seines Amtes enthoben wurde, unter weitere Anklagen gestellt werden.

Die Festnahme der elf Demonstrierenden erfolgt in einem Jahr, in dem das Recht auf friedliche Versammlung in Kambodscha besonders stark eingeschränkt worden ist. Am 5. Januar 2014 verkündete das Innenministerium, dass Demonstrationen "vorläufig ausgesetzt werden müssten". Die Regierung war zuvor drei Tage lang scharf gegen Demonstrationen vorgegangen. In diesem Zusammenhang gab es 23 Festnahmen und mindestens vier Tote. Anträge von Einzelpersonen und Gruppen auf Genehmigungen von Versammlungen in Phnom Penh wurden wiederholt abgelehnt. Am 30. April wurde der "Park der Freiheit" in Phnom Penh, der unter dem Gesetz für friedliche Versammlungen speziell für Versammlungen bestimmt worden war, abgesperrt. Versammlungen, die trotz des Verbotes stattfanden, wurden durch Sicherheitskräfte gewaltsam aufgelöst. Nachdem die Regierungspartei mit der größten Oppositionspartei im Juli eine Übereinkunft erzielte, wurden die Beschränkungen des Rechts auf friedliche Versammlung für kurze Zeit gelockert und der Park der Freiheit im August wiedereröffnet. Angesichts der Ereignisse vom 10. bis 12. November ist zu befürchten, dass die kambodschanische Regierung wieder schärfer gegen friedliche Versammlungen vorgehen wird.

Insbesondere die Frauen der Boeung-Kak-Gemeinde waren maßgeblich an Kampagnen und Demonstrationen beteiligt. Sie engagierten sich für die Sicherung von Landtiteln und machten auf weitere soziale Probleme aufmerksam. Vertreter_innen der Gemeinde wurden in mehreren Fällen wegen ihres friedlichen Aktivismus festgenommen und inhaftiert. Die jüngsten strafrechtlichen Verfolgungen erinnern aufgrund der kurzen Dauer der gerichtlichen Verfahren an einen Fall im Mai 2012. Damals wurden 13 Demonstrantinnen nach einer friedlichen Demonstration festgenommen, mit der sie ihre Familien unterstützen wollten, deren Häuser im Zuge rechtswidriger Zwangsräumungen zerstört wurden. Bei fünf der 13 Demonstrantinnen – Nget Khun, Tep Vanny, Song Srey Leap, Kong Chantha, Phan Chhunreth – handelt es sich um Frauen, die auch diese Woche inhaftiert wurden. Die 13 Frauen wurden damals im Schnellverfahren zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Am 27. Juni 2012 erhielt ein Berufungsgericht ihr Urteil aufrecht, setzte den Rest ihrer zweieinhalbjährigen Haftstrafen jedoch aus. Weitere Hintergrundinformationen erhalten Sie in dem englischsprachigen Bericht Cambodia: Imprisoned for speaking out – Update on Phnom Penh’s Boeung Kak Lake, online unter: http://www.amnesty.org/en/library/info/ASA23/010/2012/en.