Politisch motivierte Anklage

Zhou Yongjun droht in der chinesischen Provinz Sichuan ein politisch motivierter Prozess wegen Betrugs. Der Chinese lebt seit 1992 in den USA und engagiert sich für die Demokratisierung Chinas. Im Fall eines Schuldspruchs droht ihm eine Gefängnisstrafe zwischen drei Jahren und lebenslänglich.

Appell an

VORSITZENDER DES VOLKSGERICHTES DES KREISES SHEHONG
WEI Guiyi Yuanzhang
Shehong County People's Court
136 Wenhualu, Taihezhen
Shehongxian
Suiningshi 629200
Sichuansheng
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Head of the Court)
Fax: (00 86) 825 6682343

LEITER DER ABTEILUNG FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT DER PROVINZ SICHUAN
ZENG Shengquan Tingzhang
Sichuansheng Gong'anting
9 Jindunlu 
Chengdushi 610041
Sichuansheng
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Director)
Fax: (00 86) 28 86301177

Sende eine Kopie an

SEKRETÄR FÜR INNERE SICHERHEIT, LEITER DER EINWANDERUNGSBEHÖRDE VON HONGKONG
Mr LEE Siu-kwong
F6 Main and East Wings
Central Government Offices
Central
Hong Kong
VOLKSREPUBLIK CHINA
Fax: (00 852) 2868 5074
E-Mail: sbenq@sb.gov.hk

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S.E. Herrn Wu Hongbo
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: chinesischeBotschaft@debitel.net

chinaemb_de@mfa.gov.cn
de@mofcom.gov.cn

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 27. November 2009 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE, IN DENEN SIE

  • fordern, dass die chinesischen Behörden Zhou Yongjun freilassen oder nachweisen, dass die Straftat, die ihm zur Last gelegt wird, der chinesischen Rechtszuständigkeit unterliegt;

  • die Behörden aufrufen, zu gewährleisten, dass Zhou Yongjun nicht gefoltert oder anderweitig misshandelt wird und dass ihm Zugang zu seiner Familie, einem Anwalt seiner Wahl und medizinischer Versorgung gewährt wird;

  • die Behörden auffordern, dass Zhou Yongjun ein den internationalen Standards für einen fairen Prozess entsprechendes Verfahren erhält, falls er in China vor Gericht gestellt wird;

  • den Leiter der Einwanderungsbehörde von Hongkong auffordern, die rechtlichen Grundlagen für die Auslieferung von Zhou Yongjun an die Polizei von Shenzhen ohne jegliches Auslieferungsabkommen mit China zu erklären.

Sachlage

Zhou Yongjun wurde im September 2008 bei der Einreise nach Hongkong aufgehalten. Damals reiste er mit einem malaysischen Pass unter dem Namen "Wang Xiangxiang". In Hongkong befragten ihn die Behörden zu einem Betrugsfall, der von einem Mann diesen Namens begangen worden sein soll. Nach etwa 48 Stunden ließ man ihn aus Mangel an Beweisen wieder frei. Anschließend traten VertreterInnen der Einwanderungsbehörde an ihn heran und teilten ihm mit, dass die Polizei der Stadt Shenzhen in der benachbarten Provinz Guangdong mit ihm "sprechen" wolle. Dann übergaben sie ihn an die Polizei von Shenzhen.

Wenn China nicht nachweisen kann, dass Zhou Yongjun wegen einer als Straftat erkennbaren Handlung innerhalb der rechtlichen Zuständigkeit Chinas festgehalten wird, ist dieses Vorgehen rechtswidrig, denn Hongkong hat noch keinem Auslieferungsverfahren mit dem chinesischen Festland zugestimmt.

Entsprechend den gesetzlichen Regelungen hätte die Familie von Zhou Yongjun innerhalb von 48 Stunden über seine Festnahme informiert werden müssen. Stattdessen hielten die Behörden in Shenzhen ihn mehr als sieben Monate in mindestens zwei Hafteinrichtungen (Haftzentrum Shenzhen Nr. 1 und Haftzentrum des Stadtbezirks Yantian) ohne Kontakt zur Außenwelt fest. Erst am 8. Mai 2009 wurde Zhou Yongjuns Festnahme offiziell bestätigt, gegenwärtig befindet er sich im Haftzentrum der Stadt Suining. Seine Familie durfte ihn bisher nicht besuchen. Wann der Prozess beginnen wird, steht noch nicht fest.

Ehemalige Mithäftlinge von Zhou Yongjun berichteten seiner Schwester, dass er im Haftzentrum Shenzhen Nr. 1 misshandelt und möglicherweise gefoltert wurde. Zhou Yongjuns Onkel und seine Schwester haben bei den beiden genannten Gefängnissen nach ihm gefragt, aber BehördenvertreterInnen gaben an, er befinde sich dort nicht in Haft. VertreterInnen anderer Behörden, unter anderem des Ministeriums für Staatssicherheit und des lokalen Amtes für öffentliche Sicherheit, warnten Zhou Yongjuns Schwester davor, weiter nach ihm zu suchen oder seinen Fall öffentlich zu machen, wenn sie sich nicht selbst in Gefahr bringen wolle. Die zuständige Staatsanwaltschaft teilte der Schwester und dem Vater von Zhou Yongjun mit, dass es in seinem Fall auch um politische Angelegenheiten und die nationale Sicherheit gehe.

Hintergrundinformation

Hintergrund

1997 gab Großbritannien seine Kronkolonie Hongkong an China zurück. Seither gehört das Territorium wieder zur VR China, verfügt aber nach wie vor über eine eigene Gerichtsbarkeit. Die Verhandlungen über ein Auslieferungsabkommen haben zwar bereits begonnen, sind aber noch nicht abgeschlossen.

Die Familie von Zhou Yongjun beauftragte den bekannten Menschenrechtsanwalt Mo Shaoping mit der Verteidigung. Im Juni bestand die Volksstaatsanwaltschaft von Suining jedoch darauf, dass Zhou Yongjuns Schwester anstelle von Mo Shaoping einen Anwalt aus Suining engagierte. Ihr wurde auch mitgeteilt, dass sie sich möglicherweise selbst in Gefahr bringen würde, wenn sie nicht kooperiere. Im Juli ersetzte die Staatsanwaltschaft Mo Shaoping durch einen neuen Anwalt. Nach chinesischem Recht hätte dies nur ein Gericht tun dürfen.

Die Festnahme von Zhou Yongjun wurde erst am 8. Mai 2009 offiziell gemacht. Am 3. August erhob die Volksstaatsanwaltschaft des Kreises Shehong in der Provinz Sichuan Anklage wegen Betrugs. Zhou Yongjun wird vorgeworfen, unter dem Namen Wang Xiangxiang an die Hang-Seng-Bank in Hongkong geschrieben und darum gebeten zu haben, Geld von einem Konto auf ein anderes zu überweisen. Zhou Yongjuns Familie und sein Anwalt machen jedoch geltend, dass die Hongkonger Polizei seine angebliche Beteiligung an diesem Fall bereits untersucht und ihn wieder freigelassen hatte, da es keine Beweise gab, die Verbindungen zu diesem Fall belegt hätten.

Da Zhou Yongjun kein chinesischer Staatsbürger mehr ist und Hongkong außerhalb der chinesischen Rechtszuständigkeit steht, sollte ihm nicht in China der Prozess gemacht werden, es sei denn die chinesischen Behörden können nachweisen, dass er eine als Straftat erkennbare Handlung begangen hat, die unter ihre rechtliche Zuständigkeit fällt. In seiner schriftlichen Stellungnahme, die Mo Shaoping am 4. Juni beim Büro für öffentliche Sicherheit der Stadt Suining einreichte, bekräftigte der Anwalt diese Argumente.

Zhou Yongjun war ein Sprecher der Studierenden in den Protesten für Demokratie von 1989. Für seine Beteiligung an diesen Protesten saß er zwei Jahre im Gefängnis. Nach seiner Freilassung wurde er in die USA ins Exil geschickt. 1998 kehrte er nach China zurück und wurde wegen "illegalen Grenzübertritts" zu weiteren drei Jahren in einem Lager für Umerziehung durch Arbeit verurteilt.