Verurteilung in unfairem Verfahren

Amnesty-Aktivisten demonstrieren mit Selmin Çalışkan vor der usbekischen Botschaft in Berlin

Amnesty-Aktivisten demonstrieren mit Selmin Çalışkan vor der usbekischen Botschaft in Berlin

Mirsobir Khamidkariev ist in Usbekistan wegen mutmaßlicher extremistischer Aktivitäten in einem unfairen Verfahren zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Es liegen glaubhafte Hinweise vor, dass er in der Haft in Taschkent gefoltert wurde.

Appell an

GENERALSTAATSANWALT
Rashidzhon Kodirov
General Prosecutor’s Office of Uzbekistan
ul. Gulyamova. 66
Tashkent 100047
USBEKISTAN
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
E-Mail: prokuratura@lawyer.uz

INNENMINISTER
Adham Ahmedbaev
Ministry of Internal Affairs
ul. Junus Rajabiy 1
Tashkent 100029
USBEKISTAN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 998) 71 233 89 34
E-Mail: info@mvd.uz

Sende eine Kopie an

OMBUDSFRAU
Sayora Rashidova

Uzbekistan Avenue 16A
Tashkent 100027
USBEKISTAN
Fax: (00 998) 71 239 81 36
E-Mail: info@ombudsman.uz

BOTSCHAFT DER REPUBLIK USBEKISTAN
S. E. Herrn Durbek Amanov
Perleberger Str. 62
10559 Berlin
Fax: 030-3940 9862
E-Mail: botschaft@uzbekistan.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Usbekisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 31. Dezember 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Es besorgt mich sehr, dass die Verhandlung gegen Mirsobir Khamidkariev am 18. November nicht den internationalen Standards für faire Verfahren entsprach. Diese sind in Artikel 14(3) des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte festgelegt, dessen Vertragsstaat Usbekistan ist.

  • Ich fordere Sie auf, umgehend eine unparteiische und effektive Untersuchung der Vorwürfe zu veranlassen, dass Mirsobir Khamidkariev in Gewahrsam gefoltert und misshandelt wurde.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass alle Polizei- oder anderen staatlichen Kräfte, die der Folter und Misshandlung von Mirsobir Khamidkariev überführt werden, vor Gericht gestellt werden.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Expressing concern that the hearing that took place on 18 November was conducted in violation of the international fair trial standards, as specified by the International Covenant on Civil and Political Rights, including Article14(3), to which Uzbekistan is a state party.

  • Calling on the authorities to initiate a prompt, impartial and effective investigation into the allegations that Mirsobir Khamidkariev was tortured and ill-treated in custody.

  • Urging them to bring to justice any police officer or state actor found responsible for torturing and ill-treating Mirsobir Khamidkariev.

Sachlage

Mirsobir Khamidkariev, ein usbekischer Produzent und Geschäftsmann, wurde am 18. November vor dem Strafgericht Taschkent in einem unfairen Verfahren zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Er wurde gemäß Paragraf 216 ("Illegale Gründung öffentlicher Vereinigungen oder religiöser Organisationen") und Paragraf 244-2 ("Gründung, Leitung oder Beteiligung an religiös-extremistischen, separatistischen, fundamentalistischen oder sonstigen verbotenen Organisationen") des usbekischen Strafgesetzbuches verurteilt. Der russische Rechtsbeistand von Mirsobir Khamidkariev gab an, dass die Verhandlung ursprünglich für den 13. November anberaumt worden war, dann aber auf den 20. November verlegt wurde. Der Rechtsbeistand wurde über den neuen Termin informiert und plante, der Verhandlung beizuwohnen. Allerdings wurde Mirsobir Khamidkariev am Morgen des 18. November plötzlich aus der Hafteinrichtung in den Gerichtssaal gebracht. Während der Anhörung beantragte Mirsobir Khamidkariev einen Tag Aufschub, um seine Verteidigung vorzubereiten, doch der Richter wies dies zurück. Er hat nun bis zum 28. November Zeit, Rechtsmittel gegen seine Verurteilung einzulegen.

Mirsobir Khamidkariev war 2010 nach Russland geflohen und hatte dort Asyl beantragt, nachdem die usbekischen Behörden ihn der Gründung einer islamistischen Terrorgruppe namens Islam Jihadchilari beschuldigt hatten, was er jedoch vehement bestreitet. Berichten zufolge wurde er am 9. Juni 2014 von Angehörigen des Russischen Föderalen Sicherheitsdienstes FSB im Zentrum von Moskau entführt und am folgenden Tag nach Usbekistan abgeschoben. Berichten zufolge wurde Mirsobir Khamidkariev in Usbekistan zwei Monate lang von Sicherheitskräften gefoltert und anderweitig misshandelt. Er wurde kopfüber an einer Stange an der Wand festgebunden und wiederholt geschlagen. Die Sicherheitskräfte schlugen ihm sieben Zähne aus und brachen ihm zwei Rippen. Offensichtlich sollte er so zu einem "Geständnis" gezwungen werden. Seinem Rechtsbeistand zufolge sind die Anklagen gegen Mirsobir Khamidkariev konstruiert.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Mirsobir Khamidkariev floh 2010 nach Russland, nachdem die usbekischen Behörden ihn der Gründung einer islamistischen Terrorgruppe namens Islam Jihadchilari beschuldigt hatten. Seinem russischen Rechtsbeistand zufolge gehen die Vorwürfe gegen seinen Mandanten auf eine Unterhaltung mit Bekannten bei einem zwanglosen Treffen in Taschkent zurück. Dabei soll Mirsobir Khamidkariev Bedenken hinsichtlich einer Unterdrückung des Islam sowie seine Zustimmung für das Tragen von Kopftüchern geäußert haben. Mirsobir Khamidkariev hat eingeräumt, an zwei informellen religiösen Zusammenkünften in Taschkent teilgenommen zu haben, bestreitet aber, dass dabei verbotene Themen diskutiert wurden. 2011 setzten ihn die usbekischen Behörden auf eine internationale Fahndungsliste und stellten einen Auslieferungsantrag.

Im Juli 2013 wurde Mirsobir Khamidkariev von den russischen Behörden inhaftiert und blieb während des Auslieferungsverfahrens in Gewahrsam. Kurze Zeit später lehnte die russische Staatsanwaltschaft den usbekischen Auslieferungsantrag ab und ordnete die Freilassung von Mirsobir Khamidkariev an. Er wurde am 9. August 2013 freigelassen. Die Staatsanwaltschaft war zu der Ansicht gelangt, dass er nicht für die Gründung von Islam Jihadchilari im Jahr 2009 verantwortlich gewesen sein konnte. Direkt nach seiner Freilassung beantragte Mirsobir Khamidkariev Asyl bei der russischen Einwanderungsbehörde. Er versteckte sich mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn in Moskau, weil er um deren Sicherheit fürchtete. Am 9. Juni 2014 wurde Mirsobir Khamidkariev von zwei unbekannten Männern in Zivilkleidung im Zentrum von Moskau entführt. Damals wartete er in einem Taxi vor einer Apotheke auf seine Frau, die Medikamente für ihr Kind holen wollte. Einem Augenzeugenbericht zufolge stiegen die beiden Männer in das Taxi und zwangen den Fahrer, schnell wegzufahren. Mirsobir Khamidkariev wurde einen Tag lang ohne Kontakt zur Außenwelt im Keller eines unbekannten Hauses in Moskau festgehalten. Ihm wurde eine Tüte über den Kopf gezogen und er wurde wiederholt geschlagen. Schließlich wurde er an einem Moskauer Flughafen usbekischen Sicherheitskräften übergeben. Sein Rechtsbeistand in Moskau konnte keinen Kontakt zu ihm aufnehmen und wusste erst wieder, wo Mirsobir Khamidkariev sich aufhielt, als er zwei Wochen später im Keller eines Gefängnisses des usbekischen Innenministeriums in Taschkent auftauchte.

Mirsobir Khamidkarievs Rechtsbeistand, der seinen Asylantrag bei der Russischen Föderation begleitete, wandte sich unverzüglich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, um einstweilige Maßnahmen gegen eine Abschiebung nach Usbekistan zu erwirken. Allerdings versäumten es die russischen Behörden, rechtzeitig zu handeln, und leiteten erst mehrere Tage später eine Untersuchung des Verschwindens von Mirsobir Khamidkariev ein. Ein Moskauer Gericht gewährte Mirsobir Khamidkariev am 12. Juni, drei Tage nach seiner Entführung, politisches Asyl in Russland.

Amnesty International befürchtet, dass Personen, die aus Gründen der Sicherheit und im Namen des "Kampfes gegen den Terrorismus" nach Usbekistan abgeschoben werden, ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert werden, wodurch sie einem größeren Risiko von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt sind. Nachforschungen von Amnesty International haben ergeben, dass die usbekischen Behörden vehement die Auslieferung von Personen verfolgt, die der Beteiligung an Bombenattentaten 1999 und 2004 in Taschkent, Protesten in Andischan 2005 (bei denen Hunderte von Personen ums Leben kamen, als die Sicherheitskräfte auf Tausende meist friedliche Demonstrierende schossen) und verschiedenen anderen Gewalttaten verdächtigt werden. Ebenso haben sie sich um die Auslieferung von politischen Oppositionellen, Regierungskritiker_innen und wohlhabenden Personen bemüht, die bei den Behörden in Taschkent in Ungnade gefallen sind. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat von 2010 bis 2014 mindestens 30 Urteile erlassen, welche die Auslieferung strafverdächtiger Personen nach Usbekistan untersagen, da sie dort der Gefahr von Folter ausgesetzt sind. Dies gilt insbesondere für Personen, die der Mitgliedschaft in islamistischen Parteien oder Gruppen beschuldigt werden, die in Usbekistan verboten sind. So urteilte der EGMR am 23. Oktober 2014 im Fall Mamazhonov gegen Russland (Antrag Nr. 17239/13), dass die Überführung von Ikromzhon Mamazhonov von Russland nach Usbekistan gegen Artikel 3 (Verbot der Folter) der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen würde. Der EGMR führte an, dass es in den letzten Jahren keine Verbesserungen im Strafrechtssystem Usbekistans gegeben habe, insbesondere im Hinblick auf die Verfolgung religiös und politisch motivierter Straftaten, und dass es gewisse Hinweise darauf gäbe, dass derartiger Straftaten verdächtigte Personen dem Risiko von Misshandlungen ausgesetzt seien.

Weitere Informationen finden Sie im englischsprachigen Bericht Return to Torture: Extradition, forcible returns and removals to Central Asia unter http://www.amnesty.org/en/library/info/EUR04/001/2013/en.