Journalist angeklagt

In der Nacht des 24. September wurde der Journalist Ali Anouzla der "Befürwortung von Handlungen, die den Tatbestand des Terrorismus erfüllen" sowie der "Unterstützung von Tätern oder Komplizen terroristischer Akte" angeklagt. Er wurde in das Gefängnis Salé II bei Rabat überführt.

Appell an

JUSTIZMINISTER
Mustafa Ramid
Ministry of Justice and Liberties
Place El Mamounia – BP 1015
Rabat, MAROKKO
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 212) 537 73 47 25

INNENMINISTER
Mohand Laenser

Ministry of Interior
Quartier Administratif
Rabat, MAROKKO
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 212) 537 76 68 61

Sende eine Kopie an

STAATLICHER MENSCHENRECHTSRAT
National Council for Human Rights
President Driss El Yazami
CNDH, Place Achouhada
BP 1341
10 001 Rabat, MAROKKO
Fax: (00 212) 537 73 29 27
E-Mail: elyazami@cndh.org.ma

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS MAROKKO
S.E. Herrn Omar Zniber
Niederwallstraße 39, 10117 Berlin
Fax: 030-2061 2420
E-Mail: kontakt@botschaft-marokko.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 7. November 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Mit Sorge habe ich erfahren, dass der gewaltlose politische Gefangener Ali Anouzla auf Grundlage des marokkanischen Antiterrorgesetzes angeklagt wurde. Ich möchte Sie nachdrücklich auffordern, ihn umgehend und bedingungslos freizulassen.

  • Bitte respektieren Sie das Recht auf freie Meinungsäußerung, wie es in Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat Marokko ist, garantiert wird. Sorgen Sie auch dafür, dass JournalistInnen ihre Tätigkeit ungehindert ausüben können.

  • Tragen Sie dafür Sorge, dass die Gesetzgebung, darunter das Gesetz Nr. 03-03 zur Terrorismusbekämpfung, gemäß Ihren Verpflichtungen nach internationalen Menschenrechtsstandards geändert wird.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Expressing concern that prisoner of conscience Ali Anouzla has been charged under Morocco’s draconian anti-terrorism law, and calling for his immediate and unconditional release;

  • Calling on the Moroccan authorities to respect their obligations under Article 19 of the ICCPR and to ensure that journalists are able to freely exercise their profession;

  • Calling on the Moroccan authorities to ensure that national legislation, including Law no. 03-03 on Combating Terrorism, is amended and put in conformity with their obligations under international human rights law.

Sachlage

Ali Anouzla wurde nach Artikel 218-2 und 218-6 des Gesetzes Nr. 03-03 zur Bekämpfung des Terrorismus vom 28. Mai 2003 angeklagt, die Strafen von bis zu sechs bzw. bis zu 20 Jahren Gefängnis vorsehen. Amnesty International betrachtet den Journalisten als gewaltlosen politischen Gefangenen, der allein aufgrund der Ausübung seiner journalistischen Tätigkeit festgehalten wird. Die gegen ihn vorgebrachten Anschuldigungen stehen im Zusammenhang mit einem Artikel, den Ali Anouzla als Redakteur des Magazins Lakome auf dessen Nachrichten-Website veröffentlicht hat. In dem Artikel ging es um ein Video von al-Qaida im islamischen Maghreb (AQMI) mit dem Titel "Marokko: Königreich der Korruption und des Despotismus". In dem Artikel, der das AQMI-Video als Propaganda kritisierte, wurden die darin enthaltenen Aufrufe eindeutig nicht befürwortet und das Video selbst auch nicht veröffentlicht. Amnesty International hält die Vorwürfe gegen Ali Anouzla für unbegründet und betrachtet sie als Vorwand, um den Journalisten für die Unabhängigkeit von Lakome und der Kritik an der Politik der Regierung zu bestrafen.

Marokkos Kommunikationsminister veröffentlichte am 23. September eine Stellungnahme zu den Vorwürfen internationaler NGOs wie Amnesty International. Darin hieß es, dass unterschieden werden müsse zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und der Anstiftung zum Terrorismus durch die Verbreitung des Videos. Amnesty International betrachtet die strafrechtliche Verfolgung von Ali Anouzla als ein zutiefst beunruhigendes Zeichen dafür, dass die Behörden bei dieser Unterscheidung versagt haben, und ist besorgt, dass dadurch die Botschaft vermittelt wird, dass künftig jegliche Terrorismusdiskussion, auch Kritik an Antiterrormaßnahmen, von der marokkanischen Regierung als Straftat behandelt wird. Dies widerspräche jedoch den Verpflichtungen Marokkos als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR). Darin wird das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährleistet, darunter auch das Recht, Informationen und Gedankengut jeder Art zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben. Zudem würde das Informationsrecht aller MarokkanerInnen untergraben.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Nach Artikel 218-2 des Gesetzes Nr. 03-03 zur Bekämpfung des Terrorismus wird die "Befürwortung von terroristischen Akten in mündlicher oder schriftlicher Form oder durch Plakate, die der Öffentlichkeit durch audiovisuelle und elektronische Informationsmedien zugänglich sind" mit bis zu sechs Jahren Gefängnis und hohen Geldstrafen in Höhe von bis zu 200.000 marokkanischen Dirham (etwa 18.000 Euro) bestraft. Laut Artikel 218-6 wiederum kann die "vorsätzliche Unterstützung von Tätern, Mittätern oder Komplizen terroristischer Akte" mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 20 Jahren geahndet werden.

Im Allgemeinen Kommentar 34 des UN-Menschenrechtsausschusses, der die Einhaltung des IPBPR durch die Vertragsstaaten überwacht, heißt es, dass Vergehen wie die "Unterstützung von Terrorismus" und "extremistische Aktivitäten" sowie das "Loben", "Verherrlichen" oder "Rechtfertigen" von Terrorismus eindeutig definiert werden sollten, um sicherzustellen, dass sie nicht zu unnötigen oder unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung führen. Übermäßige Einschränkungen des Zugangs zu Informationen seien ebenfalls zu vermeiden. In dieser Hinsicht sollten JournalistInnen nicht für die Ausübung ihrer rechtmäßigen Tätigkeit bestraft werden.

Laut dem UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus gilt für den Straftatbestand der Anstiftung zum Terrorismus Folgendes: Er muss "(a) auf die Anstiftung zu tatsächlichem terroristischen Verhalten nach der ordnungsgemäßen Definition gemäß Verfahrensregel 7 oben beschränkt werden, (b) darf das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht unnötig aus Gründen der nationalen Sicherheit, öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder öffentlichen Gesundheit oder Moral einschränken, (c) muss gesetzlich in einer präzisen Sprache festgelegt sein, bei der vage Definitionen wie das 'Verherrlichen' oder 'Fördern' von Terrorismus zu vermeiden sind, (d) muss ein (objektives) Risiko beinhalten, dass die angestiftete Tat auch tatsächlich durchgeführt werden könnte, (e) sollte ausdrücklich auf zwei Absichten verweisen, nämlich auf die Absicht, eine Botschaft zu vermitteln, und die Absicht, mit dieser Botschaft zur Ausführung eines Terroraktes anzustiften […]" (Vgl. "Ten areas of best practices in countering terrorism", A/HRC/16/51, Absatz 31).