Hungerstreik beendet

Karte des Iran

Karte des Iran

Der iranische Menschenrechtsverteidiger und gewaltlose politische Gefangene Saeed Shirzad hat am 14. Januar seinen 39-tägigen Hungerstreik beendet, nachdem die Behörden im Raja’i-Shahr-Gefängnis in Karadsch ihm mündlich zugesagt haben, auf seine Beschwerden über die unmenschliche Behandlung der politischen Gefangenen in diesem Gefängnis einzugehen. Er benötigt nun fachärztliche medizinische Betreuung.

Appell an

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT Ayatollah Sadegh Larijani c/o Public Relations Office Number 4, Deadend of 1 Azizi Vali Asr Street Tehran, IRAN (Anrede: Your Excellency / Exzellenz)

STAATSANWALT IM GEFÄNGNIS RAJA’I-SHAHR Kohandani Raja’I Shahr Prison Moazzen Blvd., Karaj, Alborz Province, IRAN (Anrede: Dear Prosecutor / Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT Hassan Rouhani Pasteur Street Pasteur Square Tehran, IRAN

 

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN S.E. Herr Ali Majedi Podbielskiallee 65-67 14195 Berlin Fax: 030-8435 3535 E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch, Spanisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. März 2017 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Lassen Sie Saeed Shirzad bitte sofort und bedingungslos frei, da sein Schuldspruch und seine Strafe allein auf seiner friedlichen Arbeit als Menschenrechtsverteidiger basieren.

  • Sorgen Sie bitte zudem dafür, dass er bis zu seiner Freilassung Zugang zu angemessener fachärztlicher Behandlung in einem Krankenhaus außerhalb des Gefängnisses erhält, da er im Gefängnis nicht angemessen versorgt werden kann.

  • Leiten Sie bitte umgehend Maßnahmen ein, um Insassen des Raja’i-Shahr-Gefängnisses vor Folter und anderer Misshandlung zu schützen und sicherzustellen, dass sie menschenwürdig behandelt werden, wie es das Völkerrecht und internationale Standards, darunter die UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen (Nelson-Mandela-Regeln), vorsehen. Nationalen und internationalen Beobachter_innen sollte zudem der Zutritt zum Raja’i-Shahr-Gefängnis gestattet werden.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

Calling on the Iranian authorities to release Saeed Shirzad immediately and unconditionally as his conviction and sentence stems solely from his peaceful work as a human rights defender.

Calling on them to ensure that, pending his unconditional release, he is granted access to adequate specialized medical care in a hospital outside prison, as the care he needs it is not available inside.

Calling on them to take immediate steps to protect prisoners at Raja’i Shahr Prison from torture and other ill-treatment, ensuring that they are treated humanely in accordance with international law and standards, including the Nelson Mandela Rules, and allow national and international monitors to conduct inspection visits to Raja’i Shahr Prison.

Sachlage

Der Menschenrechtsverteidiger Saeed Shirzad, der im September 2015 zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, nähte seine Lippen zusammen und begann am 7. Dezember 2016 einen Hungerstreik, um dagegen zu protestieren, was er in einem Brief an die Justiz als "den leisen Tod von Strafgefangenen" im Raja’i-Shahr-Gefängnis in der Stadt Karadsch in der Nähe von Teheran bezeichnete. In dem Brief listete er Gründe für seinen Hungerstreik auf. Dazu gehörten die Verweigerung medizinischer Versorgung sowie Schläge und die erniedrigende Behandlung der Gefangenen und ihrer Angehörigen durch die Gefängnisbediensteten in Form von übergriffigen und missbräuchlichen Leibesvisitationen. Zudem beschwerte er sich über die unzureichende Luftzufuhr in Trakt 4, Raum 12, wo die politischen Gefangenen festgehalten werden, da dort die Fenster durch Metallplatten abgedeckt würden. Am 14. Januar beendete Saeed Shirzad seinen 39-tägigen Hungerstreik, nachdem ein Staatsanwalt (Dadyar-e Zendan) bei einem Treffen mit ihm zugesagt hatte, seinen Beschwerden nachzugehen. Der Gesundheitszustand von Saeed Shirzad hat sich während des Hungerstreiks verschlechtert. Am 12. Januar wurde er in ein Krankenhaus gebracht, nachdem sein Blutdruck gefährlich abgefallen war und er das Bewusstsein verlor. Er hat auch etwa 10 kg an Gewicht verloren und leidet unter Muskelschwäche, Herzflimmern und Nieren-, Brust und Magenschmerzen.

Am 4. Januar schrieb eine Gruppe von politischen Gefangenen einen Brief zur Unterstützung von Saeed Shirzad, in dem das Versagen der Behörden kritisiert wurde, etwas gegen die unmenschlichen Haftbedingungen zu unternehmen. Die häufigsten Beschwerden über das Raja’i-Shahr-Gefängnis sind: die absichtliche Gleichgültigkeit des Gefängnispersonals hinsichtlich der notwendigen medizinischen Versorgung der Gefangenen; die Weigerung, schwer kranke Gefangene in Krankenhäuser außerhalb des Gefängnisses zu verlegen; lange Zeiträume, in denen kein warmes Wasser zum Waschen und Duschen bereitgestellt wird; Platz- und Frischluftmangel; unhygienische Zustände; Ungezieferplagen nahe der Küche; zu wenig Putzmaterialien; sowie unzureichende Portionen von zu schlechtem Essen. Diese schlechten Haftbedingungen tragen aller Wahrscheinlichkeit nach dazu bei, dass die Gefangenen Infektionen bekommen und an Haut- und Atemwegserkrankungen leiden. Berichte aus dem Raja’i-Shahr-Gefängnis weisen auch auf ein Muster von Schlägen, Beleidigungen und sexueller Belästigung von politischen Gefangenen hin, insbesondere auf dem Weg zum Gericht oder ins Krankenhaus.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Saeed Shirzad wurde im September 2015 zu fünf Jahren Haft verurteilt, nachdem ihn die Abteilung 15 des Revolutionsgerichts der "Versammlung und Verabredung zu einer Straftat gegen die nationale Sicherheit" für schuldig befunden hatte. Die Vorwürfe scheinen sich auf seine friedlichen Menschenrechtsaktivitäten zu beziehen, darunter laut Angaben der Behörden der Kontakt zu den Familien politischer Gefangener und die Zusammenarbeit mit dem Büro des UN-Sonderberichterstatters über die Menschenrechtssituation in der Islamischen Republik Iran. Das Verfahren gegen Saeed Shirzad, das über ein Jahr nach seiner Festnahme begann, war grob unfair. Er durfte seinen Rechtsbeistand zum ersten Mal während der Anhörung treffen, die ungefähr eine halbe Stunde dauerte. Die Behörden hatten seinem Rechtsbeistand bis kurz vor der Anhörung den Zugang zu Gerichtsakten verwehrt.

Saeed Shirzad wurde am 2. Juni 2013 an seinem Arbeitsplatz, einer Raffinerie in Tabriz in der Provinz Ost-Aserbaidschan, festgenommen. Die Angehörigen des Geheimdienstministeriums legten bei der Festnahme keinen Haftbefehl vor. Dann wurde er in Trakt 209 des Evin-Gefängnisses verlegt, der dem Geheimdienstministerium untersteht. Dort wurde Saeed Shirzad über zwei Monate lang in einer kleinen Zelle ohne sanitäre Anlagen in Einzelhaft gehalten. Er hatte weder Kontakt zu seiner Familie noch zu einem Rechtsbeistand und wurde unter Druck gesetzt, vor laufender Kamera ein "Geständnis" abzulegen. Im August 2013 verlegte man ihn in Trakt 8 des Gefängnisses, in dem Häftlinge unter schlechten Bedingungen inhaftiert sind, die wegen nicht-politischer Straftaten verurteilt wurden. Dort wurde er bis Februar 2014 festgehalten und anschließend in das Raja’i-Shahr-Gefängnis verlegt. In den ersten fünf Monaten nach seiner Verlegung befand er sich dort in einem Gefängnisbereich mit überwiegend wegen Mordes Verurteilten. Im Juli 2014 verlegte man ihn in Trakt 4, Raum 12, wo politische Gefangene festgehalten werden. Es wird davon ausgegangen, dass die iranischen Behörden politische Gefangene vom Evin-Gefängnis in das Raja’i-Shahr-Gefängnis verlegen, um sie zusätzlich zu bestrafen. Die Verlegung von Saeed Shirzad erfolgte nach seiner Beschwerde über das missbräuchliche Verhalten des Leiters des Wachdienstes von Trakt 8 des Evin-Gefängnisses.

Nach Angaben von Saeed Shirzad warfen ihm Angehörige des Geheimdienstministeriums während seiner Zeit in Einzelhaft vor, die verbotene Oppositionsgruppe der Volksmudschaheddin (People's Mojahedin Organization of Iran – PMOI) zu unterstützen. Außerdem drohten sie ihm mehrfach, ihn wegen "Feindschaft zu Gott" (moharebeh) verurteilen und hinrichten zu lassen. Saeed Shirzad hat immer wieder beteuert, dass er keine Verbindungen zur PMOI unterhält und die Anschuldigung allein darauf beruhe, dass er 2014 die Tochter eines PMOI-Gefangenen unterstützt hat, die sich aufgrund der Inhaftierung ihres Vaters in finanziellen Schwierigkeiten befand und deshalb befürchten musste, die Universitätsgebühren nicht mehr zahlen zu können.

Die Recherchen von Amnesty International zeigen, dass die Staatsanwaltschaft und die Gefängnisbehörden politischen Gefangenen absichtlich den Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung verweigern und dies oftmals einen vorsätzlichen Akt der Grausamkeit darstellt, um die politischen Gefangenen einzuschüchtern und zu bestrafen oder sie zu "Geständnissen" zu zwingen. Zu den üblichen Praktiken, die die Gesundheit und das Leben von politischen Gefangenen im Iran gefährden, zählen: die Verzögerung oder Verweigerung von dringend notwendiger oder fachärztlicher medizinischer Behandlung, darunter auch Screenings und Behandlungen; das Herunterspielen oder Ignorieren der Ernsthaftigkeit von Erkrankungen und das Verschreiben von gewöhnlichen Schmerzmitteln und Beruhigungsmitteln ohne die zugrundeliegende Erkrankung zu behandeln; das Zurückhalten von Medikamenten; und die Weigerung, todkranke Gefangene aus humanitären Gründen zu entlassen, bzw. die Forderung nach der Zahlung sehr hoher Kautionssummen. Oft werden auch Gefangene, die im Krankenhaus sind oder aus Gesundheitsgründen freigelassen wurden, dazu gezwungen, die Behandlung zu unterbrechen und gegen ärztlichen Rat ins Gefängnis zurückzukehren. Amnesty International hat zudem erfahren, dass iranische Beamt_innen politische Gefangene mit gesundheitlichen Problemen einer ganzen Reihe von missbräuchlichen Praktiken unterziehen, die Folter oder anderen Misshandlungen gleichkommen. Dazu gehören der unnötige oder exzessive Gebrauch von Handschellen bzw. Fußfesseln bei Gefangenen, die medizinisch behandelt werden; das Schlagen von kranken Gefangenen bei der Verlegung ins Krankenhaus; und der Eingriff in die Privatsphäre von Gefangenen, die intimen medizinischen Untersuchungen unterzogen werden. Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht Iran: Health taken hostage: Cruel denial of medical care in Iran’s prisons, online unter: https://www.amnesty.org/en/documents/mde13/4196/2016/en