Verbleib von Studierenden weiter unklar

Karte von Mexiko

Karte von Mexiko

Der Verbleib von 43 Studierenden, die im Bundesstaat Guerrero von der Polizei beschossen und später von Unbekannten in Iguala, im Bundesstaat Guerrero, attackiert wurden, bleibt weiterhin unklar. In der Nähe Igualas wurden anonyme Massengräber mit 28 Leichen entdeckt. Die Identität der Leichen ist jedoch noch nicht geklärt. Nach den entführten Studierenden wird weiterhin gesucht.

Appell an

INNENMINISTER
Miguel Ángel Osorio Chong
Secretario de Gobernacion
Bucareli 99, col. Juárez, C.P. 6600
México, Distrito Federal
MEXIKO
(Anrede: Sr. Ministro / Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 52) 55 5093 3414
E-Mail: secretario@segob.gob.mx
Twitter: @osoriochong

GENERALSTAATSANWALT
Jesús Murillo Karam
Procuraduría General de la República
Reforma 211-213, Col. Cuauhtémoc
C.P. 06500
Mexico City
MEXIKO
(Anrede: Dear Attorney General / Estimado Señor Procurador / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 52) 55 5346 0908
E-Mail: ofproc@pgr.gob.mx
oder über diese Webseite:
http://pgr.gob.mx/servicios/mail/plantilla.asp?mail=1
Twitter: @PGR_mx

Sende eine Kopie an

MENSCHENRECHTSORGANISATION
Centro de Derechos Humanos de la Montaña "Tlachinollan"
E-Mail: accion.urgente@tlachinollan.org

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN MEXIKANISCHEN STAATEN
I. E. Patricia Espinosa Cantellano
Klingelhöferstraße 3
10785 Berlin
Fax: 030-26 93 23 700
E-Mail: mail@mexale.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 18. November 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS. TWITTERNACHRICHTEN UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte Sie bitten, dass die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft die Untersuchung des Verschwindenlassens der 43 Studierenden vollumfänglich übernimmt, damit deren Aufenthaltsort umgehend ausfindig gemacht werden kann, die körperliche und geistige Unversehrtheit der Studierenden gewährleistet wird und die Verantwortlichen für ihre Entführung vor Gericht gestellt werden.

  • Darüber hinaus möchte ich Sie bitten, dass die Generalstaatsanwaltschaft umgehend eine umfassende und unparteiische Untersuchung der Tötung von sechs Menschen am 26. September und die Verletzung vieler weiterer Personen durch die städtische Polizei von Iguala sowie bisher unbekannten Männern einleitet.

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass man die Angehörigen der Opfer zuverlässig informiert. Des Weiteren möchte ich Sie bitten, dafür zu sorgen, dass man die Familienangehörigen ihren Wünschen entsprechend unterstützt und ihnen Schutz gewährt. Dies schließt die Unterstützung der Arbeit der internationalen Gerichtsmediziner_innen ein.

  • Ich fordere Sie auf, eine umfassende Untersuchung der Umstände des Angriffs und der Entführung der Studierenden am 26. September einzuleiten. Bitte gehen Sie auch dem wiederholten Scheitern der nationalen und bundesstaatlichen Behörden nach, regelmäßige Berichte zu untersuchen, denen zufolge örtliche Beamt_innen mit kriminellen Banden zusammenarbeiten.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Federal Attorney General (PGR) to assume full responsibility for the investigation into the enforced disappearance of 43 students in order to establish their whereabouts promptly, ensure their physical and mental safety and bring those responsible to justice.

  • Urging the PGR to carry out a full, prompt and impartial investigation into the killing of six people on 26 September and the wounding of many others at the hands of Iguala municipal police and unidentified armed men.

  • Calling on the authorities to keep the relatives of all victims adequately informed and give them support and protection in accordance with their wishes, including supporting the work of international forensic experts.

  • Calling for a full investigation into the circumstances surrounding the attack and abduction of students on 26 September, including the repeated failure of state and federal authorities to investigate frequent reports of collusion between local public officials and criminal gangs.

Sachlage

Der Verbleib von 43 Studierenden, die am 26. September in Iguala, einer Stadt im Bundesstaat Guerrero im Süden Mexikos, "verschwanden", ist weiterhin unklar. Rund 25 der vermissten Studierenden waren von der städtischen Polizei festgenommen worden. Die anderen waren wenige Stunden später von einer Gruppe unbekannter Männer entführt worden, die mit der Duldung der lokalen Behörden operieren. Amnesty International betrachtet alle 43 vermissten Studierenden als Opfer des Verschwindenlassens. Am 5. Oktober entdeckten Beamt_innen des Bundesstaats Guerrero sechs anonyme Massengräber in der Nähe von Iguala. Anscheinend hatten sie die Informationen zu den Massengräbern von einigen der 22 Angehörigen der Polizei erhalten, die nach den Ereignissen festgenommen worden waren. Mindestens 28 Leichen wurden exhumiert, allerdings müssen noch forensische Tests durchgeführt werden, um die Identität der Toten festzustellen. Daher ist noch nicht klar, ob es sich bei ihnen um die entführten Studierenden handelt. Nachdem Familienangehörige der Opfer eine Petition gestartet hatten, werden nun unabhängige internationale Gerichtsmediziner_innen beim Identifizierungsverfahren assistieren.

Die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft (Procuraduría General de la República – PGR) hat Ermittlungen zu den Massengräbern und der Identifizierung der Leichen aufgenommen. Die Ermittlungen zu dem Verschwindenlassen und der Tötung von sechs anderen Studierenden am 26. September sowie die Suche nach den 43 vermissten Studierenden obliegt allerdings der Staatsanwaltschaft des Bundesstaates Guerrero, obwohl der Verdacht besteht, dass sie möglicherweise Beziehungen zu kriminellen Gruppen unterhält, und sie in mehreren Fällen keine wirksame Untersuchung schwerer Menschenrechtsverletzungen durchgeführt hat. Da diese Fälle des Verschwindenlassens und der Tötungen sehr schwerwiegend sind und zudem organisierte kriminelle Gruppierungen beteiligt sein sollen, könnte die Generalstaatsanwaltschaft die Zuständigkeit für diese Fälle übernehmen. Dies hat sie bisher allerdings nicht getan.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Etwa 300 Kilometer südlich von Mexiko-Stadt, in der Stadt Ayotzinapa im Bundesstaat Guerrero, liegt das Ausbildungszentrum für Lehrer_innen Escuela Normal Rural Raúl Isidro Burgos. Dort sind etwa 500 Studierende eingeschrieben, die zu Grundschullehrer_innen für ländliche Gegenden ausgebildet werden. Einige Bewohner_innen dieser Gemeinden sind indigenen Ursprungs. Im Allgemeinen leben diese Gemeinden und die Studierenden in Armut und sind in hohem Maße Diskriminierung und Marginalisierung ausgesetzt. Des Weiteren fehlt ihnen Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen.

Die Studierenden des Ausbildungszentrums sind politisch engagiert und haben viele Demonstrationen zu ländlicher Bildung, Bildungspolitik und anderen politischen Themen organisiert. Von manchen Demonstrationen wurde über Gewaltakte berichtet. Die Schuld dafür gaben örtliche Behörden oft den Studierenden. Die Ressourcen der Ausbildungszentren sind oft knapp, da in den vergangenen Jahren ländlicher Bildung in der Politik wenig Beachtung geschenkt worden war.

Im Dezember 2011 hatten Studierende aus Ayotzinapa auf einer Autobahn außerhalb von Chilpancingo, der Hauptstadt des Bundesstaats Guerrero, protestiert und wurden von nationalen und bundesstaatlichen Polizeikräften angegriffen. Drei Personen wurden dabei getötet, darunter zwei Studierende. Mindestens 24 Personen wurden gefoltert oder anderweitig misshandelt. Die Polizist_innen und Vorgesetzten, die für Verstöße gegen die Menschenrechte von Studierenden verantwortlich waren, wurden nie zur Rechenschaft gezogen. So entstand ein Klima der Straffreiheit. Amnesty International hat auf diesen Fall bereits mehrmals aufmerksam gemacht, zuletzt im englischsprachigen Bericht Out of control: Torture and other ill-treatment in Mexico (http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR41/020/2014/en).

Willkürliche Festnahmen sowie Folter und andere Misshandlungen werden in Mexiko systematisch und großflächig angewendet. Meist geschieht dies im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen, in denen Häftlinge gefoltert werden, mit dem Ziel "Geständnisse" zu erzwingen oder an "Informationen" zu kommen. Nur sehr selten werden Folterverantwortliche aus den Reihen der Polizei, Armee oder Marine vor Gericht gebracht. Derzeit sind auf nationaler Ebene nur sieben Verurteilungen erfasst. Häufig sind Folteropfer mit nahezu unüberwindbaren Hürden konfrontiert, wenn sie versuchen, Folter zu beweisen. Unter anderem müssen offizielle forensische Untersuchungen durchgeführt werden, die selten rechtzeitig erfolgen und häufig nicht den internationalen Menschenrechtsstandards entsprechen.

Entführungen und Verschwindenlassen sind in Mexiko nach wie vor Routine und Staatsbedienstete agieren häufig im Einvernehmen mit kriminellen Banden. Der Fall der 43 Studierenden, die seit dem 26. September "verschwunden" sind, ist nur einer von vielen: Laut einer Veröffentlichung der mexikanischen Regierung im August 2014 gibt es insgesamt 22.000 Menschen in Mexiko, die als vermisst oder "verschwunden" gelten und deren Verbleib nach wie vor unklar ist. Die Regierung konnte bisher auch auf wiederholte Nachfrage nicht hinreichend erklären, wie sie diese Zahl berechnet hat, und hat in mehreren Fällen keine weiteren Informationen herausgegeben. Es ist nicht bekannt, wie viele dieser Menschen dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen sind und in wie vielen Fällen staatliche Bedienstete direkt oder indirekt mit dem Verschwindenlassen zu tun haben. 2013 richtete die Generalstaatsanwaltschaft eine Spezialabteilung zur Untersuchung von Fällen von Entführungen und Verschwinden und zur Suche nach den Betroffenen ein. Bisher gibt es keine genaueren Informationen, wie wirksam die Untersuchungen dieser Spezialabteilung sind. Weitere Informationen finden Siein dem englischsprachigen Artikel Confronting a nightmare: Disappearances in Mexico (http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR41/025/2013/en).