Angriff auf Indigene

Die im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul ansässige indigene Gemeinschaft der Arroio-Korá ist von bewaffneten Männern angegriffen worden, die sie von ihrem angestammten Land vertreiben wollten. Ein Mann wird vermisst und die Gemeinschaft befürchtet, dass er getötet worden ist. Die Arroio-Korá sind von weiteren Gewalttaten bedroht.

Appell an

JUSTIZMINISTER
Exmo. Sr. José Eduardo Martins Cardozo
Esplanada dos Ministérios, Bloco "T"
70.712-900 – Brasilia D/F
BRASILIEN
(korrekte Anrede: Exmo. Sr. Ministro / Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 55) 61 2025 7803

MINISTERIN FÜR MENSCHENRECHTE
Exma. Sra. Ministra Maria do Rosário
Setor Comercial Sul-B, Quadra 9, Lote C
Edificio Parque Cidade Corporate
Torre A, 10° andar,
70308-200 – Brasília/DF
BRASILIEN
(korrekte Anrede: Exmo. Sra. Ministra / Dear Minister / Sehr geehrte Frau Ministerin)
Fax: (00 55) 61 2025 9414

Sende eine Kopie an

ÖRTLICHE NGO
Conselho Indigenista Missionário (CIMI)
CIMI Regional Mato Grosso do Sul
Av. Afonso Pena
1557 Sala 208 Bl. B
79002-070 Campo Grande/MS
BRASILIEN

BOTSCHAFT DER FÖDERATIVEN REPUBLIK BRASILIEN
S. E. Herrn Everton Vieira Vargas
Wallstraße 57
10179 Berlin
Fax: 030–7262 83-20
oder 030–7262 83-21
E-Mail: brasil@brasemberlim.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Portugiesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 27. September 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, den Anschlag vom 10. August auf die Gemeinschaft der Arroio-Korá sowie das Verschwinden von Eduardo Pires und den Tod von Geni Centurião zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

  • Ich bitte Sie, der Gemeinschaft der Arroio-Korá ihren Wünschen entsprechend Schutz zukommen zu lassen.

  • Ich appelliere an Sie, Ihren Verpflichtungen aus dem Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation, der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker sowie der brasilianischen Verfassung von 1988 nachzukommen und das Verfahren zur Anerkennung der Rechte der Gemeinschaft der Arroio-Korá auf das Land ihrer Ahnen abzuschließen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to investigate independently and thoroughly the 10 August attack on the Arroio-Korá community, including the disappearance of Eduardo Pires and the death of Geni Centurião, and bring those responsible to justice.

  • Urging them to provide security for the Arroio-Korá community in accordance with their wishes.

  • Calling on them to fulfil their obligations under the International Laour Organisation’s Convention 169, the UN Declaration on the Rights of Indigenious Peoples and the 1988 Brazilian constitution by completing the offcial regognition of the Arroio-Korá community’s ancestral lands.

Sachlage

Nach Angaben der rund 400 Mitglieder zählenden Gemeinschaft der Arroio-Korá umstellten am 10. August etwa 50 bewaffnete Männer ihre Siedlung in Paranhos an der Grenze zu Paraguay. Die BewohnerInnen suchten im umliegenden Buschland Zuflucht, während die Männer über Stunden hinweg Schüsse abfeuerten, Drohungen ausstießen und die Ernteerträge niederbrannten. Der Ortsansässige Eduardo Pires verschwand während des Angriffs. Nach Auskunft der übrigen Mitglieder der Gemeinschaft ist er von den bewaffneten Männern abgeführt worden. Die Arroio-Korá bangen um das Leben von Eduardo Pires. Tags darauf starb die erst zwei Jahre alte Geni Centurião. Die Todesursache des Kleinkindes ist offiziell nicht festgestellt worden, die Gemeinschaft hat allerdings erklärt, Geni Centurião sei während des Angriffs krank geworden und habe sich nicht füttern lassen.

Kurz nach dem Vorfall suchten MitarbeiterInnen der Polizei den Ort des Geschehens auf. Dem Verschwinden von Eduardo Pires gingen sie nach Auskunft der Arroio-Korá, die eindringlich um Schutzmaßnahmen rund um die Uhr baten, jedoch nicht nach. Die Generalstaatsanwaltschaft hat von der Polizei eine Untersuchung des Vorfalls gefordert. Nach Einschätzung der örtlichen NGO Conselho Indigenista Missionário (CIMI) müssen die Arroio-Korá mit weiteren Anschlägen rechnen. In den zurückliegenden Jahren ist es in Paranhos immer wieder zu vergleichbaren Übergriffen gegen indigene Gemeinschaften gekommen (siehe UA-339/2011 und UA-306/2009).

Am 21. Dezember 2009 war das Land der Arroio-Korá vom damaligen Staatspräsidenten Luiz Inacio Lula da Silva offiziell anerkannt (homologado) worden. Eine Woche später hob der Oberste Gerichtshof diese Anerkennung für einen kleinen Teil des Landes (für 184 von insgesamt 7.176 Hektar) wieder auf. Bauern halten seit der Entscheidung des Gerichts weiterhin das gesamte Land besetzt, während die Arroio-Korá eine Wiederbesetzung (retomada) jenes Teils ihres angestammten Landes vorgenommen haben, der außerhalb des umstrittenen Areals liegt.

[EMPFOHLENE AKTIONEN]

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, den Anschlag vom 10. August auf die Gemeinschaft der Arroio-Korá sowie das Verschwinden von Eduardo Pires und den Tod von Geni Centurião zu untersuchen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

  • Ich bitte Sie, der Gemeinschaft der Arroio-Korá ihren Wünschen entsprechend Schutz zukommen zu lassen.

  • Ich appelliere an Sie, Ihren Verpflichtungen aus dem Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation, der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker sowie der brasilianischen Verfassung von 1988 nachzukommen und das Verfahren zur Anerkennung der Rechte der Gemeinschaft der Arroio-Korá auf das Land ihrer Ahnen abzuschließen.

[APPELLE AN]

JUSTIZMINISTER
Exmo. Sr. José Eduardo Martins Cardozo
Esplanada dos Ministérios, Bloco "T"
70.712-900 – Brasilia D/F
BRASILIEN
(korrekte Anrede: Exmo. Sr. Ministro / Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 55) 61 2025 7803

MINISTERIN FÜR MENSCHENRECHTE
Exma. Sra. Ministra Maria do Rosário
Setor Comercial Sul-B, Quadra 9, Lote C
Edificio Parque Cidade Corporate
Torre A, 10° andar,
70308-200 – Brasília/DF
BRASILIEN
(korrekte Anrede: Exmo. Sra. Ministra / Dear Minister / Sehr geehrte Frau Ministerin)
Fax: (00 55) 61 2025 9414

KOPIEN AN
ÖRTLICHE NGO
Conselho Indigenista Missionário (CIMI)
CIMI Regional Mato Grosso do Sul
Av. Afonso Pena
1557 Sala 208 Bl. B
79002-070 Campo Grande/MS
BRASILIEN

BOTSCHAFT DER FÖDERATIVEN REPUBLIK BRASILIEN
S. E. Herrn Everton Vieira Vargas
Wallstraße 57
10179 Berlin
Fax: 030–7262 83-20
oder 030–7262 83-21
E-Mail: brasil@brasemberlim.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Portugiesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 27. September 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der Bundesstaat Mato Grosso do Sul umfasst einige der kleinsten, ärmsten und am dichtest besiedelten indigenen Regionen Brasiliens: Ländliche und verarmte Regionen, umgeben von großen Soja- und Zuckerrohrplantagen sowie Viehfarmen, in denen das Leben von Krankheit und schlechten Lebensbedingungen gekennzeichnet ist. Rund 43.000 Guarani-Kaiowá leben in prekären Verhältnissen. Der Zusammenbruch des sozialen Systems hat Gewalt und hohe Selbstmordraten zur Folge gehabt und zu Unterernährung geführt. Die nur schleppend verlaufende Übergabe des Landes von den LandbesitzerInnen an die indigenen Gemeinschaften hat bei den Guarani-Kaiowá große Enttäuschung ausgelöst und sie dazu veranlasst, ihrerseits mit der Besetzung angestammter Ländereien zu beginnen. Daraufhin wurden sie eingeschüchtert und mit Gewalt von dem Land vertrieben, das sie besetzt hatten, oft von privaten Sicherheitsfirmen, die von den örtlichen Landbesitzern angestellt worden waren.

Der Einsatz der Guarani-Kaiowà für ihre Landrechte hat im zurückliegenden Jahrzehnt vor allem in der Gemeinde Paranhos, in der die Gemeinschaft der Arroio-Korá ansässig ist, zu zahlreichen Anschläge und Tötungen geführt. Im Jahr 2009 wurde dort bei einem Anschlag auf die Ortschaft Pirajuí ein Lehrer getötet, ein weiterer Mann verschwand spurlos. In derselben Region wurde 2011 nach Auskunft von ZeugInnen der Gemeinschaft der Gauiviry der Indigenensprecher Nisio Gomes angeschossen und verschleppt. Von ihm fehlt bis heute jede Spur.

Viele Gemeinschaften sahen sich nach ihrer Vertreibung gezwungen, ein Leben entlang von Schnellstraßen zu fristen. Sie wurden Opfer von Drohungen durch örtliche Wachleute, die angestellt werden, um die Indigenen davon abzuhalten, ihr Land wiederzubesetzen. Da die Behelfsunterkünfte nicht ausreichend waren und es an medizinischer Versorgung mangelte, wurden viele der Indigenen krank. Zudem haben Verkehrsunfälle zahlreiche Tote oder Verletzte unter den indigenen Gemeinschaften gefordert.

Im November 2007 unterzeichneten der Justizminister, die brasilianische Generalstaatsanwaltschaft, FUNAI-VertreterInnen und 23 SprecherInnen indigener Gemeinschaften ein Abkommen (Termo de Adjustamento de Conduta - TAC). In dem Abkommen verpflichtet sich FUNAI, bis April 2010 insgesamt 36 Grundstücke der Guarani-Kaiowá zu demarkieren und an die Gemeinschaft zurückzugeben. Mangelnde Ressourcen und anhängige Gerichtsverfahren haben dazu geführt, dass der Demarkierungsprozess nach wie vor nicht stattgefunden hat.

Eine Ausnahme bildet die Gemeinschaft der Arroio-Korá, die im Dezember 2009 vom damaligen Staatspräsidenten Lula offiziell anerkannt worden ist. Der Oberste Gerichtshof hob diese Anerkennung für einen kleinen Teil des Landes jedoch wieder auf, und seitdem halten Bauern weiterhin das gesamte Land besetzt. Versuche, in der Region lebende Nicht-Indigene an andere Orte umzusiedeln, fanden nicht statt.

Sowohl die UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker, die Brasilien im Jahr 2007 unterzeichnet hat, als auch das von der brasilianischen Regierung ratifizierte Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation garantieren indigenen Völkern das Recht auf Land, das traditionell ihnen gehört. Außerdem werden die Staaten darin aufgefordert, Mechanismen zu entwickeln, mit deren Hilfe diese Rechte zugesprochen und anerkannt werden können. Nicht zuletzt bekräftigt die brasilianische Verfassung von 1988 die Rechte der indigenen Völker Brasiliens auf ihr Land. Die Verfassung verpflichtet den Staat, das Land der indigenen Bevölkerung zu demarkieren.

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen müssen nun alle künftigen Demarkierungen zunächst vom Präsidialamt genehmigt werden, bevor ihnen zugestimmt werden kann. Viele örtliche Organisationen sehen die Grundrechte der indigenen Völker durch diesen Schritt gefährdet. Darüber hinaus hat die Generalstaatsanwaltschaft jüngst einen beunruhigenden Erlass (Portaria 303) herausgegeben, der sich an einem Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2009 im Fall Raposa Serra do Sol orientiert. Der Erlass, der die Rechtmäßigkeit und Autonomie bestehender wie auch zukünftiger Demarkationsprozesse bedroht, ist von indigenen Gruppen vehement abgelehnt worden.