Frauenrechtlerin inhaftiert

Iranische Frauen demonstrieren für Gleichberechtigung

Iranische Frauen demonstrieren für Gleichberechtigung

Ghoncheh Ghavami wird seit dem 30. Juni im Teheraner Evin-Gefängnis festgehalten, größtenteils in Einzelhaft und ohne Zugang zu ihrem Rechtsbeistand. Sie wurde festgenommen, weil sie an einer friedlichen Demonstration teilgenommen hatte, um dagegen zu protestieren, dass Frauen nicht zu den Spielen der Volleyball-Weltliga ins Azadi-Stadion durften. Sie ist eine gewaltlose politische Gefangene.

Appell an

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street – End of Shahid
Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Twitter: @khamenei_ir
E-Mail: info_leader@leader.ir

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
c/o Public Relations Office
Number 4, 2 Azizi Street intersection

Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT
Hassan Rouhani
The Presidency
Pasteur Street
Pasteur Square
Tehran
IRAN
Twitter: @HassanRouhani (Englisch)
@Rouhani_ir (Persisch)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. Oktober 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, LUFTPOSTBRIEFE ODER TWITTERNACHRICHTEN MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie Ghoncheh Ghavami umgehend und bedingungslos frei, da sie nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit festgehalten wird.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass Ghoncheh Ghavami vor Folter und anderer Misshandlung geschützt wird. Dazu gehört auch, dass sie nicht länger in Einzelhaft oder Isolationshaft gehalten wird.

  • Gewähren Sie Ghoncheh Ghavami bitte regelmäßigen Zugang zu ihrer Familie und ihrem Rechtsbeistand.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Iranian authorities to release Ghoncheh Ghavami immediately and unconditionally, as she has been held solely for the peaceful exercise of her rights to freedoms of expression, association and assembly.

  • Calling on them to ensure that she is protected from all forms of torture and other ill-treatment, and that she is no longer held in solitary confinement or isolation.

  • Urging them to allow her regular visits from her family and her lawyer.

Sachlage

Die 25-jährige Ghoncheh Ghavami, die die iranische und britische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde am 30. Juni in Teheran in der Hafteinrichtung Vozara festgenommen. Sie war dort erschienen, um ihr Mobiltelefon abzuholen, welches ihr am 20. Juni abgenommen worden war. An diesem Tag war sie festgenommen und mehrere Stunden lang in der Hafteinrichtung festgehalten worden, weil sie an einer Demonstration teilgenommen hatte, um gegen das Verbot der Anwesenheit von Frauen in Stadien zu protestieren.

Nach ihrer Festnahme am 30. Juni wurde Ghoncheh Ghavami von Sicherheitskräften in Zivil zu ihrer Wohnung begleitet, wo diese ihren Laptop und einige Bücher beschlagnahmten. Daraufhin brachte man Ghoncheh Ghavami in den Trakt 2A des Evin-Gefängnisses, wo sie 41 Tage lang in Einzelhaft und ohne Zugang zu ihrem Rechtsbeistand gehalten wurde. Mittlerweile hat man sie in eine Sammelzelle verlegt. Laut Ghoncheh Ghavami wurde sie während der Einzelhaft bei den Verhören psychisch unter Druck gesetzt, indem man ihr drohte, sie in das Gharchak-Gefängnis von Varāmīn in der Provinz Teheran zu verlegen. Dort werden Häftlinge, die wegen schwerer Straftaten verurteilt wurden, unter trostlosen Bedingungen festgehalten. Zudem soll man ihr gedroht haben, sie würde "nicht lebendig aus dem Gefängnis herauskommen".

Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge ist Ghoncheh Ghavami bisher nicht offiziell angeklagt worden. Es wird allerdings wegen "Propaganda gegen den Staat" gegen sie ermittelt. Dieser Vorwurf steht in Verbindung mit ihren friedlichen Aktivitäten zur Beendigung der Diskriminierung von Frauen. Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, ihre Haft um weitere zwei Monate zu verlängern, hat sie Berichten zufolge am 1. September Rechtsmittel eingelegt. Die Verlängerung der Haftanordnung wird derzeit von der Abteilung 15 des Teheraner Revolutionsgerichts geprüft.

Der Rechtsbeistand von Ghoncheh Ghavami durfte sie seit ihrer Festnahme am 30. Juni nicht im Gefängnis besuchen, und hat auch bisher keine Einsicht in ihre Gerichtsakte erhalten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im Iran ist es Frauen seit der Gründung der Islamischen Republik Iran im Jahr 1979 verboten, sich Fußballspiele im Stadion anzusehen. 2012 wurde dieses Verbot auf Volleyballspiele ausgeweitet. Laut den iranischen Behörden ist es nicht im öffentlichen Interesse, wenn sich Männer und Frauen gemeinsam in Stadien aufhalten. Das diskriminierende Zuschauerverbot sei im eigenen Interesse iranischer Frauen, um sie vor dem lüsternen Verhalten der männlichen Fans zu schützen. Das Verbot hat nun öffentlich für Auseinandersetzungen gesorgt, nachdem 2014 die von der Fédération Internationale de Volleyball (FIVB) ausgerichteten Weltliga-Spiele ausgetragen wurden, in denen der Iran zwischen Mai und Juli gegen Italien, Brasilien und Polen antrat. Als der Iran am 13. Juni gegen Brasilien spielte, durften iranische Frauen das Teheraner Azadi-Stadion nicht betreten, während weibliche brasilianische Fans aber zugelassen wurden.

Am 20. Juni siegte der Iran im zweiten Ligaspiel gegen Italien. Zahlreiche Männer und Frauen, darunter auch Ghoncheh Ghavami, versammelten sich zeitgleich vor dem Azadi-Stadion, um für gleiche Zugangsrechte für Frauen zu demonstrieren. Aktivist_innen und Journalist_innen vor Ort berichteten, dass die Polizei mit unverhältnismäßiger Gewalt – darunter auch mit Schlägen – gegen die Protestierenden vorging. Mehrere Demonstrierende wurden festgenommen, darunter auch Ghoncheh Ghavami. Augenzeugenberichten zufolge wurden die Frauen gezwungen, in Polizeiwagen einzusteigen, dann in die Hafteinrichtung Vozara in Teheran gebracht und dort mehrere Stunden lang festgehalten. In dieser Zeit sollen die Frauen von Polizist_innen beschimpft worden sein. Bevor sie freigelassen wurden, mussten sie offenbar ihre Ausweispapiere abgeben und Vereinbarungen unterzeichnen, solche oder ähnliche Aktivitäten in Zukunft zu unterlassen. Ghoncheh Ghavami erzählte einer Freundin nach ihrer Freilassung, dass sie bei ihrer Festnahme geschlagen und über den Boden geschleift worden sei, wovon sie Prellungen am Ellbogen und am Rücken davontrug.

Paragraf 48 der neuen iranischen Strafprozessordnung, die im April 2014 in Kraft trat, sieht vor, dass "eine angeklagte Person zu Beginn der Festnahme das Recht auf einen Rechtsbeistand hat". In der Anmerkung zu dem Paragrafen wird jedoch erwähnt, dass wenn die angeklagte Person wegen des Verdachts auf bestimmte Straftaten festgenommen wurde, darunter organisiertes Verbrechen, Verbrechen gegen die nationale Sicherheit, Diebstahl und Drogendelikte, es der Person bis zu einer Woche nach der Festnahme verwehrt werden kann, einen Rechtsbeistand zu konsultieren.

Laut des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsstaaten der Iran gehört, müssen die Behörden sicherstellen, dass jeder festgenommenen Person die Gründe der Festnahme schon bei der Festnahme unverzüglich mitgeteilt werden, und dass die Person über ihre Rechte aufgeklärt wird, so z. B. über das Recht auf einen Rechtsbeistand. Festgenommene sollten unverzüglich Zugang zu einem Rechtsbeistand erhalten, so auch während des Verhörs. Sie sollten unverzüglich einem Richter vorgeführt werden, damit dieser über die Rechtmäßigkeit der Festnahme bzw. Inhaftierung urteilt und entscheidet, ob die betroffene Person bis zum Gerichtsverfahren freigelassen werden soll. Eine Freilassung bis zum Gerichtsverfahren sollte der Normalfall sein, und Häftlinge haben das Recht auf Entschädigung, wenn sie rechtswidrig festgehalten wurden.

Der UN-Menschenrechtsausschuss, der die Einhaltung des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) durch die Vertragsstaaten überwacht, stellt klar, dass sich das völkerrechtliche Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung nicht nur auf Handlungsweisen bezieht, die körperliche Schmerzen verursachen, sondern auch auf Maßnahmen, die seelisches Leid hervorrufen. Der Ausschuss betont zudem ausdrücklich, dass Einzelhaft über lange Zeit hinweg Maßnahmen gleichkommen könnte, die unter Artikel 7 des IPBPR verboten sind (Allgemeine Bemerkung Nr. 20, Absätze 5 und 6). Der Iran ist Vertragsstaat des IPBPR.