Aktivist angegriffen

Karte Dominikanische Republik

Karte Dominikanische Republik

Am 25. September gegen 20:30 Uhr wurde der Menschenrechtsverteidiger Genaro Rincon in Santo Domingo, der Hauptstadt der Dominikanischen Republik, verbal und körperlich angegriffen. In jüngster Zeit berichteten mehrere Menschenrechtsverteidiger_innen, die sich, ebenso wie Genaro Rincon, gegen Staatenlosigkeit in der Dominikanischen Republik einsetzen, von Drohungen, Einschüchterung und Beleidigungen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit.

Appell an

STAATSANWALT
Jean A. Rodriguez
Procurador General
Palacio de Justicia, Av. Jiménez Moya
esq. Juan Ventura Simón
Santo Domingo, DOMINIKANISCHE REPUBLIK
(Anrede: Dear Public Prosecutor / Señor Procurador / Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)
E-Mail: info@pgr.gob.do

MINISTER FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN UND POLIZEI
Carlos Amarante Baret

Av. México esq. Leopoldo Navarro
Edificio de Oficinas Gubernamentales
Juan Pablo Duarte
Santo Domingo, DOMINIIKANISCHE REPUBLIK
(Anrede: Dear Minister / Señor Ministro / Sehr geehrter Herr Minister)
E-Mail: info@mip.gob.do

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER DOMINIKANISCHEN REPUBLIK
S. E. Herrn
Gabriel Rafael Ant Jose Calventi Gavino
Dessauer Straße 28 – 29
10963 Berlin
Fax: 030-2575 7761
E-Mail: info@embajadadominicana.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 8. November 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE, TWITTER-NACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Leiten Sie bitte unverzüglich eine unabhängige und sorgfältige Untersuchung des Angriffs gegen Genaro Rincon ein. Veröffentlichen Sie die Ergebnisse und bringen Sie die Verantwortlichen für die Planung und Durchführung vor Gericht.

  • Ergreifen Sie bitte Maßnahmen, um Genaro Rincon sowie allen anderen dominikanischen Menschenrechtsverteidiger_innen, die sich gegen Staatenlosigkeit einsetzen, effektiv und gemäß ihren Wünschen, zu schützen.

  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie nach der UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern aus dem Jahr 1998 dazu verpflichtet sind, diese zu schützen.

  • Ich bitte Sie, Rassismus, anti-haitianische Rhetorik und alle Formen der Diskriminierung öffentlich zu verurteilen und die Verwendung von stigmatisierender Sprache gegen Menschenrechtsverteidiger_innen, die sich für das Recht auf Staatsangehörigkeit einsetzen, zu unterbinden.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Dominican authorities to initiate a prompt, impartial and thorough investigation into the attack against Genaro Rincon, make the results public and bring those materially and intellectually responsible to justice.

  • Urging them to adopt measures to provide effective protection to Genaro Rincon and all other Dominican human rights defenders working against statelessness, in accordance with their wishes.

  • Reminding them to fulfil their obligation to protect human rights defenders, as set out in the 1998 UN Declaration on Human Rights Defenders.
  • Calling on them to publicly condemn racism, anti-Haitian rhetoric and all forms of discrimination, and refrain from using stigmatizing language against human rights defenders working on the right to nationality.

Sachlage

Am 25. September verließ Genaro Rincon sein Büro im Viertel Zona Colonial und ging zu einer nahegelegenen Bushaltestelle, um zu seinem Wohnort Santo Domingo Este zu fahren. Gegenüber Amnesty International sagte Genaro Rincon, dass ein Mann ihn auffällig beobachtete, während er auf den Bus wartete. Gegen 20:15 Uhr stieg Genaro Rincon in den Bus ein. Der Mann, den er zuvor gesehen hatte, saß vor ihm und begann nach wenigen Minuten Genaro Rincon zu beschimpfen. Mehrfach schrie er: "Die haitianische Rasse ist die schlimmste der Welt!" Später nahm der Mann sein Mobiltelefon und sagte: "Ja, ich bin bei ihm". Dann wandte er sich mit der Aussage "Du bist einer von diesen Verteidigern" an Genaro Rincon und versuchte, diesen ins Gesicht zu schlagen.

Der Busfahrer bat beide Männer, den Bus zu verlassen. Genaro Rincon versuchte sich zu weigern, als ein zweiter Mann sich plötzlich von hinten näherte und ihn auf die Straße stieß. Während Genaro Rincon am Boden lag, warf einer der beiden Angreifer einen Zementblock auf ihn, der ihn an Kopf und Brust traf. Genaro Rincon konnte sich wehren, indem er einem der beiden Männer mit einem Stift ins Auge stach. In diesem Moment schrie ein Passant "Er ist bewaffnet!", um die Angreifer abzulenken. Dies ermöglichte Genaro Rincon, wegzurennen und in einer nahegelegenen Tankstelle um Hilfe zu bitten. Die Angestellten der Tankstelle riefen einen Krankenwagen, der Genaro Rincon in ein Krankenhaus brachte. Die Ärzt_innen stellten eine schwere Kopfverletzung sowie Verletzungen an den Lippen, der Brust, den Beinen und Füßen fest.

Der Angriff erfolgte wenige Tage nach öffentlichen Gedenkveranstaltungen anlässlich eines Urteils des Verfassungsgerichts aus dem Jahr 2013, über die in den nationalen Medien ausführlich berichtet wurde. Das Urteil hatte dazu geführt, dass Zehntausende Dominikaner_innen haitianischer Abstammung zu Staatenlosen geworden waren. Genaro Rincon war ein Rechtsbeistand in diesem symbolischen Fall. Seit den Gedenkveranstaltungen haben Bedrohungen, Einschüchterung und Beleidigungen in sozialen Medien gegen Menschenrechtsverteidiger_innen, die mit diesem Fall arbeiten, zugenommen. Mindestens zwei Menschenrechtsverteidiger, darunter Genaro Rincon, haben in den vergangen zwei Wochen berichtet, dass sie von unbekannten Autos verfolgt worden waren.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 23. September 2013 verkündete das Verfassungsgericht der Dominikanischen Republik das Urteil 168-13, welches Zehntausenden Menschen willkürlich nachträglich ihre dominikanische Staatsangehörigkeit aberkannte. Es waren unverhältnismäßig viele Menschen haitianischer Abstammung betroffen, die seit 1929 in der Dominikanischen Republik geboren worden waren. Viele von ihnen wurden dadurch zu Staatenlosen. Um auf die Menschenrechtskrise, die infolge dieses Urteils entstanden ist, zu reagieren, verabschiedete die dominikanische Regierung im Mai 2014 das Gesetz 169-14. Amnesty International stellte jedoch fest, dass dieses Gesetz nicht zu einer Lösung der Situation beitrug und auch nicht dazu führte, dass denjenigen, denen die dominikanische Staatsangehörigkeit 2013 entzogen worden war, diese automatisch wieder anerkannt wurde. Weitere Informationen hierzu finden Sie im englischsprachigen Bericht Without papers, I am no one unter https://www.amnestyusa.org/sites/default/files/without-papers_stateless-people-dominican-republic.pdf

Bis heute sind Zehntausende Menschen in der Dominikanischen Republik Staatenlose. Laut Angaben des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge ist die Dominikanische Republik das Land auf dem amerikanischen Kontinent, in dem die meisten Menschen ohne Staatsangehörigkeit leben.

In den Wochen nach Verkündung des Urteils 168-13 nahm die gewaltsame Rhetorik durch ultranationalistische Gruppen gegen dominikanische Menschenrechtsverteidiger_innen, Journalist_innen und diejenigen, die die Rechte von Dominikaner_innen haitianischer Abstammung verteidigen, zu. Personen, die das Urteil des Verfassungsgerichts anprangerten, wurden regelmäßig als "Vaterlandsverräter" beschimpft und bei Demonstrationen in unterschiedlichen Teilen des Landes wurden Bilder einiger bekannter Journalist_innen verbrannt. Die Dominikanische Republik verurteilte fast nie öffentliche Diskurse, in denen Hass und Rassismus befürwortet wurden.

Im September 2016, in der Woche, in der das Urteil des Verfassungsgerichts drei Jahre bestand, fanden verschiedene öffentliche Veranstaltungen in Santo Domingo statt. Amnesty International übergab der dominikanischen Regierung eine internationale Petition, in der gefordert wurde, allen betroffenen Personen die haitianische Staatsbürgerschaft wieder anzuerkennen. Am 23. September organisierten Menschenrechtsorganisationen eine Demonstration vor dem Verfassungsgericht. Als eine Gruppe ultranationalistischer Personen zu den Demonstrierenden stieß, kam es zu einigen Auseinandersetzungen.