Weiter in Haft

Eine Bürgerjournalistin der Webseite "64 Tianwang", die ihren Sitz in der Provinz Sichuan hat, befindet sich nach wie vor in Haft. Sie ist eine von sechs Bürgerjournalistinnen, die wegen der Berichterstattung über Proteste im Vorfeld des G20-Gipfels inhaftiert worden war. Die anderen fünf befinden sich mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Zuletzt wurde am 27. Oktober Yuan Ying freigelassen. Allem Anschein nach hat der internationale Druck, darunter auch der Einsatz von Amnesty International, maßgeblich zu ihrer Freilassung beigetragen.

Appell an

LEITER DER HAFTEINRICHTUNG IN BAOFENG
Li Guofeng
Baofeng County Detention Centre
Youhaocun, Chengguanzhen
Baofeng Xian, Pingdingshan Shi
Henan Sheng 467460
VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Direktor)

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Guo Shengkun
14 Dong Chang’an Jie
Dongcheng Qu, Beijing Shi 100741
VOLKSREPUBLIK CHINA
E-Mail: gabzfwz@mps.gov.cn

Sende eine Kopie an

MINISTERPRÄSIDENT
Li Keqiang Guojia Zongli
The State Council General Office
2 Fuyoujie, Xichengqu
Beijingshi 100017
VOLKSREPUBLIK CHINA
Fax: (00 86) 1065 961 109 (über das Außenministerium)

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S. E. Herrn Mingde Shi
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: presse.botschaftchina@gmail.com

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. Dezember 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie Qin Chao sofort und bedingungslos frei, da sie sich nur in Haft befindet, weil sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hat.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass Qin Chao bis zu ihrer Freilassung regelmäßigen und uneingeschränkten Zugang zu ihrer Familie und einem Rechtsbeistand ihrer Wahl hat, und sorgen Sie dafür, dass sie vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt wird.

  • Stellen Sie unbedingt die Schikane und Inhaftierung von Journalist_innen und anderen Bürger_innen ein, die über Proteste oder andere sensible Themen von öffentlichem Interesse berichten.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Immediately and unconditionally release Qin Chao who has been detained for exercising their right to freedom of expression.

  • Ensure that while in detention Qin Chao has regular, unrestricted access to family and lawyers of her choice, and is not subjected to torture or other ill-treatment.

  • Stop the harassment and detention of journalists, citizens and others who report on protests and other sensitive issues of public interest.

Sachlage

Qin Chao aus Wugang in der Provinz Henan hatte vor, als ehrenamtliche Bürgerjournalistin über den G20-Gipfel zu berichten, der am 4. und 5. September 2016 in Hangzhou in der Provinz Zhejiang stattfand. Am 30. August wurde sie jedoch festgenommen. Erst nach zehn Tagen, am 8. September, nahm man sie unter dem Verdacht, "Streit angefangen und Ärger provoziert" zu haben, offiziell in Haft. Sie wird in der Hafteinrichtung des Kreises Baofeng in Pingdingshan in der Provinz Henan festgehalten. Ihre Familie wurde erst am 9. September vom örtlichen Büro für Öffentliche Sicherheit über ihren Aufenthaltsort in Kenntnis gesetzt. Qin Chao befindet sich nach wie vor ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl in Haft. Ihr drohen Folter und andere Misshandlungen.

Yuan Ying war am 6. September für 15 Tage in Verwaltungshaft genommen worden. Sie wurde in der Niederlassung des Büros für Öffentliche Sicherheit von Chengdu im Stadtbezirk Wenjiang festgehalten. Grund für ihre Festnahme war die Berichterstattung über eine Demonstration, die am 2. September im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel vor der Zentralen Disziplinarkommission der Kommunistischen Partei Chinas in Peking stattfand. Nach Ablauf der 15-tägigen Verwaltungshaft wurde Yuan Ying unter demselben Vorwurf wie Qin Chao offiziell in Haft genommen. Yuan Ying wurde am 27. Oktober freigelassen.

Vier weitere Bürgerjournalistinnen der Webseite "64 Tianwang" – Lin Xiurong, Jiang Chengfen, Yang Xiuqiong und He Yazhen – wurden ebenfalls für kurze Zeit inhaftiert, weil sie über G20-Proteste berichtet hatten.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Bürgerjournalist_innen spielen eine wichtige Rolle für die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und die Berichterstattung über Demonstrationen von Petitionseinreichenden und Aktivist_innen basisdemokratischer Gruppierungen in China, da die herrschende Zensur häufig verhindert, dass über solche Themen in den staatlichen Medien berichtet wird.

"64 Tianwang" wurde 1998 von Huang Qi, einem Aktivisten aus der Provinz Sichuan, und seiner Frau Zeng Li gegründet. Die Webseite ist eine der wenigen mit Sitz auf dem chinesischen Festland, die über Protestaktionen von Petitionseinreichenden in China berichten und diese dokumentieren. Die meisten derjenigen, die nun für die Seite über die Proteste und Festnahmen von Petitionseinreichenden schreiben, waren früher selbst welche.

Im Laufe der Jahre sind Huang Qi und andere Mitarbeiter_innen von "64 Tianwang" von den chinesischen Behörden immer wieder festgenommen oder drangsaliert worden. Huang Qi wurde im Juni 2000 inhaftiert und im Mai 2003 zu fünf Jahren Haft wegen "Anstiftung zum Umsturz der Staatsmacht" verurteilt. Nach seinen Enthüllungen über Pfusch am Bau nach dem schweren Erdbeben in der Provinz Sichuan 2008 wurde er ein weiteres Mal für drei Jahre inhaftiert.

Laut "64 Tianwang" sind Journalist_innen der Seite seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping 2012 bereits mehr als 100 Mal verhört oder kurzzeitig festgenommen worden. Mindestens 30 Journalist_innen seien in Gewahrsam genommen oder offiziell inhaftiert worden. Acht Journalist_innen von "64 Tianwang" befinden sich derzeit in Haft, darunter Wang Jing, Zhang Jixin, Li Min, Sun Enwei, Li Chunhua, Wei Wenyuan, Xiao Jianfang und Yang Dongying.

China hat die Sicherheits- und Umweltbestimmungen vor dem G20-Gipfel verschärft, sodass die Auswirkungen auch in Städten zu spüren waren, die sich bis zu 300 Kilometer von Hangzhou entfernt befinden. Alle Bewohner_innen von Hangzhou erhielten eine Woche Urlaub und Rabatte auf Touristenattraktionen außerhalb der Stadt. Dies sollte ein Anreiz für sie sein, die Stadt zu verlassen. Einige Wohngegenden wurden abgesperrt und waren während des Gipfels nur den Personen zugänglich, die über die erforderlichen Ausweise verfügten.