Menschenrechtsverteidiger verschleppt

Protestierende trauern um den Menschenrechtsaktivisten Li Wangyang

Protestierende trauern um den Menschenrechtsaktivisten Li Wangyang

Der gewaltlose politische Gefangene Zhu Chengzhi ist aus seinem Haus abgeholt worden, wo er unter "häuslicher Überwachung" stand. Er ist an einen unbekannten Ort gebracht worden. Amnesty International befürchtet deshalb, dass er dem Verschwindenlassen zum Opfer fallen könnte und gefoltert und auf andere Weise misshandelt wird.

Appell an

LEITER DES BÜROS FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT VON SHAOYANG
Li Xiaokui Juzhang

Public Security Bureau of Shaoyang
8 Hongqilu Qingyunjie, Shaoyang city
Hunan Province, 422000, VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Li)
Fax: (00 86) 739 516 3018 (kombinierter Telefon /Faxanschluss)
E-Mail: webmaster@hunan.gov.cn

OBERSTAATSANWALT DER VOLKSSTAATSANWALTSCHAFT VON SHAOYANG
Dai Huafeng Daijianchayuanzhang
People’s Procuratorate of Shaoyang
27 Weiyuandonglu, Shaoyang City
Hunan Province, 422006, VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Chief Prosecutor / Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt)
Fax: (00 86) 739 682 7854

Sende eine Kopie an

MINISTERPRÄSIDENT
Li Keqiang Guojiafuzhongli
The State Council General Office
2 Fuyoujie, Xichengqu Beijingshi 100017 VOLKSREPUBLIK CHINA
Fax: (00 86) 10 6238 1025 (Durchwahl 816)
E-Mail: notice@scio.gov.cn oder gov@govonline.cn

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S. E. Herrn Mingde Shi
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: botschaftchina@yahoo.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 1. Mai 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, Zhu Chengzhi sofort und bedingungslos freizulassen.

  • Geben Sie bitte unverzüglich den Haftort von Zhu Chengzhi bekannt und ermöglichen Sie ihm den Kontakt zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl. Bitte stellen Sie außerdem sicher, dass er bis zu seiner Freilassung die erforderliche medizinische Versorgung erhält.

  • Ich bitte Sie außerdem um die Zusicherung, dass Zhu Chengzhi weder gefoltert noch auf andere Weise misshandelt wird.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to release Zhu Chengzhi immediately and unconditionally.

  • Calling on them to immediately disclose Zhu Chengzhi's whereabouts and provide him with access to his family, legal representation of his choice, and any medical assistance he may require pending his release.

  • Calling on them to guarantee that Zhu Chengzhu is not tortured or otherwise ill-treated.

Sachlage

Der Menschenrechtsverteidiger Zhu Chengzhi wurde am 4. Januar unter "häusliche Überwachung" (eine Form des Hausarrests) gestellt. Nachdem er zunächst an einem unbekannten Ort festgehalten worden war, brachte man ihn am 1. Februar in seine Wohnung. Ab diesem Zeitpunkt durfte er innerhalb Chinas reisen und sich mit anderen MenschenrechtlerInnen treffen sowie Interviews geben, obwohl er nach wie vor unter "häuslicher Überwachung" stand.

Der Anwalt von Zhu Chengzhi hat angegeben, dass die Staatsanwaltschaft den Fall am 15. März zum zweiten Mal an die Polizei zurückverwiesen hat, damit diese weitere Ermittlungen durchführt. Am selben Tag holte die Polizei den Menschenrechtler zu Hause ab und teilte seiner Schwester mit, er befände sich nach wie vor unter "häuslicher Überwachung". Der Verbleib von Zhu Chengzhi ist unbekannt.
Das Strafprozessrecht der VR China erlaubt der Polizei, Personen bis zu sechs Monate lang an unbekannten Orten, bei denen es sich nicht um offizielle Hafteinrichtungen handelt, unter "häuslicher Überwachung" festzuhalten. Diese Form der Inhaftierung kann bis auf ein Jahr verlängert werden. Weder das Strafprozessrecht noch andere Bestimmungen sehen vor, dass die Behörden die Familienangehörigen der Gefangenen über deren Verbleib informieren müssen. Eine derartige Inhaftierung stellt einen Verstoß gegen internationale Menschenrechtsstandards dar.

Andere MenschenrechtsverteidigerInnen und FreundInnen von Zhu Chengzhi gehen davon aus, dass der Menschenrechtler am 15. März an einen unbekannten Ort gebracht wurde, weil er die Öffentlichkeit auf den Fall von Li Wangling und ihres Ehemanns Zhao Baozhu aufmerksam gemacht hatte, die beide seit dem 7. März vermisst werden. Die Polizei hatte Zhu Chengzhi am 13. März aufgefordert, seine Aktivitäten für das Ehepaar einzustellen.

Zhu Chengzhi war am 8. Juni 2012 inhaftiert worden. Im offiziellen Haftbefehl wurde ihm später "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" zur Last gelegt. Die Staatsanwaltschaft verwies den Fall jedoch zurück an die Polizei, um weitere Ermittlungen einzuleiten. Die Polizei stellte den Menschenrechtler dann unter "häusliche Überwachung".

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der bekannte Menschenrechtsverteidiger Li Wangyang wurde am 6. Juni 2012 in einem Krankenhaus im Bezirk Daxiang der Stadt Shaoyang in der Provinz Hunan unter verdächtigen Umständen tot aufgefunden. Zhu Chengzhi wurde am 8. Juni in Shaoyang von Sicherheitskräften abgeführt, nachdem er wiederholt die Aufklärung des Todes von Li Wangyang gefordert hatte. Am selben Tag wurde er zu zehn Tagen Verwaltungshaft verurteilt. Seine Familie erwartete, dass er am 18. Juni freigelassen würde, doch stattdessen wurde er in eine Hafteinrichtung überstellt und am 25. Juli von der Polizei von Shaoyang wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" festgenommen. Die Anschuldigungen gründen sich darauf, dass Zhu Chengzhi Fotos des toten Li Wangyang in Umlauf gebracht haben soll. Das Büro für öffentliche Sicherheit in Shaoyang informierte die Ehefrau von Zhu Chengzhi am 25. Dezember 2012, dass der Fall an die Staatsanwaltschaft der Stadt übertragen worden sei, um strafrechtliche Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Die Staatsanwaltschaft entschied jedoch, den Fall an die Polizei zurückzuleiten, um weitere Ermittlungen durchführen zu lassen.

Artikel 73 des chinesischen Strafprozessrechts, geändert 2012 und seit dem 1. Januar 2013 in Kraft, schreibt vor, dass in Fällen, in denen der Strafverdächtige einen festen Wohnsitz hat, die häusliche Überwachung an diesem Wohnsitz stattfinden soll. Der Verdächtige kann jedoch auch an einem anderen "festgelegten Wohnort" unter Überwachung gestellt werden, "wenn der Verdacht auf Gefährdung der inneren Sicherheit, terroristische Straftaten oder schwere Korruptionsverbrechen besteht, und die Überwachung zu Hause eine Behinderung der Ermittlungen bedeuten würde". Die Überwachung "darf jedoch nicht in einer Haft- oder Untersuchungseinrichtung erfolgen". Weder das neue Strafprozessrecht noch die 2012 erlassenen Bestimmungen für die Sicherheitsorgane zur Behandlung von Strafsachen sehen jedoch vor, dass die Familien der Straftatverdächtigen über den Haftort informiert werden.

Die Novellierung des Strafprozessrechts von 2012 legalisiert somit Handlungen, die dem Verschwindenlassen gleichkommen und somit einen Verstoß gegen internationale Menschenrechtsstandards darstellen könnten. Das neue Strafprozessrecht verhindert, dass Familienangehörige und Rechtsbeistände Zugang zu Straftatverdächtigen erhalten und erhöht die Gefahr, dass Gefangene gefoltert oder auf andere Weise misshandelt werden.