Palästinenser beendet Hungerstreik

Ergebnis dieser Urgent Action

Mohammed Allan ist am 4. November nach einem Jahr ohne Anklageerhebung aus der Haft entlassen worden. Das Hohe Gericht von Israel hatte im August seine Verwaltungshaftanordnung ausgesetzt, weil er sich nach einem Hungerstreik von 65 Tagen in Lebensgefahr befand. Das israelische Militär ordnete jedoch an, er müsse den Rest seiner Verwaltungshaftstrafe verbüßen.

Karte Israel

Karte Israel

Der Palästinenser Mohammed Allan hat seinen Hungerstreik am 20. August beendet, nachdem das Hohe Gericht in Israel entschieden hat, die Verwaltungshaftanordnung gegen ihn aus gesundheitlichen Gründen auszusetzen. Zwei Tage zuvor war der Palästinenser aus einem viertägigen Koma erwacht. Eine Untersuchung mit einer MRT-Aufnahme ergab am 19. August, dass Mohammed Allan eine Hirnschädigung erlitten hat. Er befindet sich in Lebensgefahr.

Appell an

GENERALDIREKTOR DES GESUNDHEITSMINISTERIUMS
Moshe Bar Siman Tov
2 Ben-Tabai St., P.O.B. 1176
Jerusalem 91010, ISRAEL
(Anrede: Dear Director General / Sehr geehrter Herr Generaldirektor)
Fax: (00 972) 2 623 3026
E-Mail: mankal@moh.health.gov.il

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Gilad Erdan
Kiryat Hamemshala, PO Box 18182
Jerusalem 91181, ISRAEL
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 2 584 7872
E-Mail: gerdan@knesset.gov.il

Sende eine Kopie an

MILITÄRSTAATSANWALT
Brigadier General Danny Efroni
6 David Elazar Street, Hakirya, Tel Aviv, ISRAEL
Fax: (00 972) 3 569 4526
E-Mail: avi_n@idf.gov.il

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Yacov-David Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76
14193 Berlin
Fax: 030 8904 5555 oder
030 8904 5309
E-Mail: botschaft@israel.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 25. September 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte heben Sie die Verwaltungshaftanordnung gegen Mohammed Allan auf und lassen Sie ihn frei, sofern er nicht unverzüglich einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und in einem Verfahren vor Gericht gestellt wird, das internationalen Standards entspricht.

  • Bitte gewähren Sie ihm weiterhin und solange wie nötig die erforderliche medizinische Versorgung, um die Schäden zu behandeln, die durch den Hungerstreik verursacht wurden, in den er aus Protest gegen seine Verwaltungshaft getreten war.

  • Ich bitte Sie außerdem, die Praxis der Verwaltungshaft zu beenden.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Israeli authorities to cancel the detention order and release Mohammed Allan if he is not promptly charged with an internationally recognizable criminal offence and brought to trial in proceedings which meet international standards.

  • Urging them to continue to provide him with adequate medical care to address the harm resulting from his hunger strike in protest at his administrative detention, in a civilian hospital of his choice, for as long as he needs it;

  • Calling on them to end the practice of administrative detention.

Sachlage

Der palästinensische Anwalt Mohammed Allan, der sich seit dem 16. Juni im Hungerstreik befand, ist am 14. August ins Koma gefallen und befindet sich derzeit auf der Intensivstation des israelischen Krankenhauses Barzilai in Aschkelon. Er steht weder unter Bewachung, noch ist er gefesselt und seine Familie darf ihn besuchen. Das Gericht bezog keine Stellung zur Rechtmäßigkeit der Inhaftierung von Mohammed Allan, sondern begründet seine Entscheidung allein mit der schlechten gesundheitlichen Verfassung von Mohammed Allan, nachdem eine MRT-Untersuchung am 19. August ergab, dass Mohammed Allan aufgrund des Vitaminmangels eine erhebliche Hirnschädigung erlitten hat. Das Gericht erklärt, wenn die neurologische Schädigung nicht abgemildert werden könne, werde die Haftanordnung gänzlich aufgehoben. Wenn sich der Gesundheitszustand von Mohammed Allan allerdings verbessere, könne die Haftanordnung erneuert werden. Vor der Gerichtsentscheidung hatten die israelischen Militärbehörden versucht, Mohammed Allan zur Aufgabe seines Hungerstreiks zu bewegen. Sie hatten ihm angeboten, ihn freizulassen, wenn er eine gewisse Zeit ins Exil gehe. Zudem boten sie ihm die Freilassung im November an. Mohammed Allan bestand jedoch darauf, im September freigelassen zu werden. Am 19. August erklärte ein Vertreter der israelischen Behörden, wenn sich der Zustand von Mohammed Allan als "unumkehrbar und bleibend" herausstelle, und er somit "seine Aktivitäten nicht wieder aufnehmen" könne, würden die Behörden die Haftanordnung umgehend aufheben.

Mohammed Allan befand sich seit November 2014 ohne Anklageerhebung auf der Grundlage von "Beweisen" in Verwaltungshaft, die ihm und seinen Rechtsbeiständen vorenthalten wurden. Somit konnte er die Rechtsmäßigkeit seiner Inhaftierung nicht vor Gericht anfechten. Die israelischen Behörden haben bis heute weder Mohammed Allan selbst noch seinem Rechtsbeistand die Gründe für seine Festnahme und Inhaftierung genannt. Die Verhängung von Verwaltungshaft gegen Palästinenser_innen ist in Israel weit verbreitet. Die israelischen Behörden führen dafür Sicherheitsgründe an, setzten Verwaltungshaft in einigen Fällen aber auch ein, um das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Jamil al-Khatib, der Anwalt von Mohammed Allan, und die Menschenrechtsorganisation Adaleh haben am 17. August eine Petition beim Hohen Gericht von Israel eingereicht, in der sie den israelischen Sicherheitsdienst (ISA) und die Militärkommandatur im Westjordanland dazu auffordern, die Verwaltungshaftanordnung gegen Mohammed Allan aus gesundheitlichen Gründen aufzuheben, weil sich sein Gesundheitszustand immer weiter verschlechtert und dies nach ihrer Auffassung dem Zweck der Inhaftierung widerspricht, da Mohammed Allan keine Bedrohung der Sicherheit darstellen kann. Gleichzeitig reichte auch das palästinensische Ministerium für Gefangenenangelegenheiten eine Petition ein. Beide Anträge wurden am 19. August behandelt. Am 20. August ließ Mohammed Allan über die Organisation folgende Nachricht verbreiten: "Vielen Dank euch allen, Adalh, unseren Institutionen und allen in der internationalen Gemeinschaft, die meinen Kampf und unseren gerechten Kampf gegen die Verwaltungshaft unterstützt haben".

Mohammed Allan trat am 16. Juni in den Hungerstreik, um gegen seine Inhaftierung zu protestieren. Er wurde seit seiner Festnahme ohne Anklageerhebung oder Aussicht auf ein Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft gehalten. Er war am 6. November 2014 in seinem Haus in Einabus, einem Dorf im besetzten Westjordanland, von israelischen Sicherheitskräften festgenommen worden. Man legte ihm Handschellen an und brachte ihn zu seinem Büro in der Stadt Nablus im Westjordanland, wo man ihm befahl, einige seiner Akten mit Informationen über seine Mandant_innen vorzuzeigen. Am 11. November wurde eine sechsmonatige Verwaltungshaftanordnung gegen Mohammed Allan erlassen. Diese wurde am 5. Mai um weitere sechs Monate verlängert. Die israelischen Behörden haben weder Mohammed Allan noch seinem Anwalt die Gründe für seine Festnahme und Inhaftierung genannt. Sie werfen ihm vor, Verbindungen zum Islamischen Dschihad zu haben, einer von Israel verbotenen palästinensischen Gruppierung mit einem bewaffneten Flügel. Als Rechtsanwalt hat Mohammed Allan mehrere Personen vertreten, denen die israelischen Behörden vorwerfen, Verbindungen zu palästinensischen Gruppierungen zu unterhalten. Am 16. Juni ist er in den Hungerstreik getreten, um so gegen seine Inhaftierung zu protestieren. Laut der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Addameer nahm er während der überwiegenden Zeit seines Hungerstreiks nur Wasser zu sich.

Am 18. August drohten Dutzende palästinensische Verwaltungshäftlinge aus Protest gegen die Bedingungen unter denen sie festgehalten werden, in einen Massenhungerstreik zu treten. Der israelische Gefängnisdienst soll derzeit Verhandlungen mit den Gefangenen über die Haftbedingungen führen, zu denen nächtliche Durchsuchungen der Zellen, Isolationshaft und Verweigerung von Familienbesuchen gehören. Ein früherer Massenhungerstreik, an dem sich 2000 palästinensische Gefangene beteiligten, um gegen Einzelhaft, Verweigerung von Familienbesuchen und Inhaftierung ohne Anklageerhebung zu protestieren, wurde im Mai 2012 unter Vermittlung der ägyptischen Behörden beendet.

Obwohl Medienberichte darauf hinweisen, dass Israel zugestimmt hat, Verwaltungshaftanordnungen nur dann zu erneuern, wenn bedeutende neue geheimdienstliche Informationen vorliegen, verlängert Israel weiterhin solche Haftanordnungen und stellt noch immer neue aus. Nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B’tselem befanden sich Ende Juni 2015 insgesamt 370 Palästinenser_innen in israelischer Verwaltungshaft. Einige Verwaltungshäftlinge wurden freigelassen, wenn sie sich bereit erklärten, die besetzten palästinensischen Gebiete zu verlassen und ins ausländische Exil zu gehen. Nach der vierten Genfer Konvention ist es einer Besatzungsmacht verboten, Menschen aus einem besetzten Gebiet zu vertreiben oder auszuweisen. Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht Starved of justice: Palestinians detained without trial by Israel, http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE15/026/2012/en.

Es ist nicht bekannt, warum Mohammed Allan festgenommen und inhaftiert wurde. Mitarbeiter_innen des israelischen Gefängnisdiensts informierten den Rechtsbeistand von Mohammed Allan am 7. August darüber, dass sie beabsichtigen, beim israelischen Bezirksgericht einen Antrag auf Zwangsernährung zu stellen. Sie gaben an, sich dabei auf ein neues Gesetz zu beziehen, das die Zwangsernährung von Gefangenen im Hungerstreik erlaubt. Erklärungen von israelischen Politiker_innen – unter anderem von demjenigen, der das Gesetz eingebracht hatte – deuten darauf hin, dass dieses Gesetz vor allem auf palästinensische Gefangene ausgerichtet ist. Am 10. August wurde Mohammed Allan auf die Intensivstation des Soroka-Krankenhauses in der israelischen Stadt Be’er Sheva verlegt. Nachdem das Krankenhaus-Personal dort eine Zwangsernährung jedoch abgelehnt hatte, brachte man ihn dann in das Barzilai-Krankenhaus in der israelischen Stadt Aschkelon. Mohammed Allan lehnte auch dort eine medizinische Untersuchung ab. Obwohl er so schwach ist, dass er nicht einmal ohne Hilfe stehen kann, fesselte man ihn mit einer Hand und einem Fuß an sein Krankenhausbett. Berichten zufolge hat er am 14. August kurzzeitig das Bewusstsein verloren. Mohammed Allan sagte seinem Rechtsbeistand am 12. August, dass er nicht sterben, sondern ein Leben in Würde leben wolle.