Hinrichtungsaufschub gefordert

Amnesty-Mitglieder fordern die Abschaffung der Todesstrafe in Texas

Amnesty-Mitglieder fordern die Abschaffung der Todesstrafe in Texas

Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hat im Fall des nicaraguanischen Staatsbürgers Bernardo Abán Tercero einen Hinrichtungsaufschub gefordert. Bernardo Abán Tercero soll am 26. August im US-Bundesstaat Texas hingerichtet werden. Die Kommission ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Rechte des Nicaraguaners auf konsularischen Beistand und ein faires Gerichtsverfahren verletzt wurden.

Appell an

GOUVERNEUR VON TEXAS
Governor Greg Abbott, Office of the Governor
PO Box 12428, Austin, Texas 78711-2428, USA
(Anrede: Dear Governor / Sehr geehrter Herr Gouverneur)
Fax: (00 1) 512 463 1849

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
S. E. Herrn John Bonnell Emerson
Pariser Platz 2
10117 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: über
http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 26. August 2015 ankommen. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch.

Amnesty fordert:

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte stoppen Sie die Hinrichtung von Bernardo Abán Tercero und wandeln Sie das Todesurteil in eine Haftstrafe um.

  • Die Interamerikanische Menschenrechtskommission ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Rechte von Bernardo Abán Tercero auf ein ordnungsgemäßes und faires Gerichtsverfahren verletzt wurden. Die Kommission fordert die Aussetzung der Hinrichtung sowie einen wirksamen Rechtsbehelf.

Sachlage

Am 19. August 2015 hat die Interamerikanische Menschenrechtskommission (Inter-American Commission on Human Rights – IACHR) die USA dazu aufgefordert, die Hinrichtung des Nicaraguaners Bernardo Abán Tercero auszusetzen. Dieser war 2000 wegen des Mordes an Robert Berger zum Tode verurteilt worden. Zudem müsse ihm wegen der Verletzung seiner Rechte Zugang zu einem "wirksamen Rechtsbehelf" gewährt werden. Die Kommission ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das Versäumnis des Staates, Bernardo Abán Tercero über sein Recht auf konsularischen Beistand gemäß des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen zu informieren, dazu geführt habe, dass diesem seine Rechte auf ein ordnungsgemäßes und faires Gerichtsverfahren vorenthalten wurden. Die Kommission kam außerdem zu dem Schluss, dass der vom Gericht bestellte Rechtsbeistand "schwere Fehler" begangen habe, "die sein [Bernardo Abán Terceros] Recht auf Verteidigung beeinträchtigt haben, insbesondere hinsichtlich gültiger Standards in Verfahren, in denen die Todesstrafe droht". Die IACHR betonte zudem, dass der US-Bundesstaat Texas im Falle der Vollstreckung der Todesstrafe "eine schwere und unumkehrbare Verletzung des grundlegenden Rechts auf Leben, wie es in Artikel 1 der Amerikanischen Erklärung [über die Rechte und Pflichten des Menschen] anerkannt ist", begehen würde.

Während seines Verfahrens wurde Bernardo Abán Tercero von sehr unerfahrenen Rechtsbeiständen vertreten, die mögliche strafmildernde Umstände nicht eingehend untersucht hatten. Auch riefen sie keinerlei Sachverständige wie z. B. einen Psychiater oder andere Personen in den Zeugenstand, die hätten aussagen können, wie seine Kindheit das Leben und Verhalten von Bernardo Abán Tercero beeinflusst haben könnte. Bernardo Abán Tercero wuchs in Nicaragua in extremer Armut auf, erlebte einen Krieg und musste als Kind auf dem Feld arbeiten, wo er giftigen Pestiziden ausgesetzt war. Nach dem Gerichtsverfahren wurde einem Habeas-Corpus-Berufungsverfahren stattgegeben und von den bundesstaatlichen Behörden ein Rechtsbeistand für Bernardo Abán Tercero ernannt. Der Rechtsbeistand führte kein einziges zusätzliches Beweismittel außerhalb des Sitzungsprotokolls des ersten Verfahrens an, obwohl genau dies der Zweck eines solchen Berufungsverfahrens ist. Darüber hinaus stellte der Rechtsbeistand keine eigenen Ermittlungen an und untersuchte auch nicht das Unvermögen der ehemaligen Verteidiger_innen von Bernardo Abán Tercero, angemessene strafmildernde Umstände vorzubringen. Im Jahr 2006 veröffentlichte eine texanische Zeitung eine Untersuchung zu der unzureichenden Verteidigung, die Angeklagte in Mordprozessen in Texas häufig erhalten. Die beiden Rechtsbeistände, die für Bernardo Abán Tercero ernannt worden waren, wurden in dieser Untersuchung namentlich genannt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Bernardo Abán Tercero wuchs in Nicaragua in extremer Armut auf. Er wurde von seiner Großmutter aufgezogen, da seine Mutter ihn als Baby abgab und sein Vater in seinem Leben keine Rolle spielte. Die Familie von Bernardo Aban Tercero hatte weder Strom noch fließend Wasser, auch Zugang zur Gesundheitsfürsorge gab es nicht. Er wurde in einer Gegend groß, die stark vom Bürgerkrieg der 1970er- und 1980er-Jahre betroffen war. Da die Familie arm war, mussten die Kinder arbeiten. In seinem Gnadengesuch konnte Bernardo Aban Tercero strafmildernde Umstände geltend machen, die nicht vor Gericht präsentiert worden waren. Darin heißt es, dass er ab dem Alter von zehn Jahren auf dem Feld arbeitete. Alle zwei Tage wurden aus einem Flugzeug schädliche Pestizide versprüht, wobei die Feldarbeiter_innen keine Schutzkleidung trugen. Wie viele andere auch litt Bernardo Aban Tercero danach regelmäßig an Übelkeit und starken Kopfschmerzen. Seine Familienangehörigen gaben an, dass er schwere gesundheitliche Schäden davontrug. Derzeit wird im Rahmen des Gnadengesuchs ein neuropsychologisches Gutachten erstellt.

Am 31. März 1997 wurde in Houston im US-Bundesstaat Texas eine Reinigung überfallen. Bei dem Überfall wurde Robert Berger erschossen, der sich mit seiner fünfjährigen Tochter zufällig dort aufhielt. Bernardo Abán Tercero wurde 1999 festgenommen, als er in die USA einreiste. Ihm wird vorgeworfen, den Überfall verübt und danach nach Nicaragua geflohen zu sein. Im Jahr 2000 wurde er wegen Mordes schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Die Staatsanwaltschaft argumentierte damals, die von Bernardo Aban Tercero begangene Tat sowie die weiteren mutmaßlich von ihm begangenen Straftaten in Nicaragua seien Beweis für seine "zukünftige Gefährlichkeit" – eine Voraussetzung für die Verhängung der Todesstrafe in Texas. Bernardo Aban Tercero wurde vom Staatsanwalt unter anderem als "Biest" und als "Dämon" bezeichnet. Da die Verteidigung keinen Einspruch gegen diese beleidigenden Bezeichnungen einlegte, konnten sie später im Berufungsverfahren nicht thematisiert werden. Die Rechtsbeistände von Bernardo Aban Tercero brachten kaum Argumente für strafmildernde Umstände vor. Sie präsentierten Familienangehörige des Angeklagten als Leumundszeug_innen, um zu zeigen, dass er rehabilitierungsfähig ist. Ein Seelsorger des Gefängnisses sagte aus, dass Bernardo Aban Tercero Reue gezeigt habe. Die Geschworenen sprachen sich dennoch für die Verhängung der Todesstrafe aus.

Seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen in den USA im Jahr 1977 wurden dort 1.413 Todesurteile vollstreckt, 528 davon in Texas. Bei 124 der in Texas hingerichteten Menschen handelte es sich um Personen, die wie Bernardo Abán Tercero in Harris County zum Tode verurteilt worden waren. In den USA wurden dieses Jahr bisher 19 Hinrichtungen vollzogen, zehn davon in Texas.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen, weltweit und ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt. Weltweit haben 140 Staaten die Todesstrafe in Gesetz oder Praxis abgeschafft.

Eine Mitarbeiterin der Reinigung hat ausgesagt, den Überfall gemeinsam mit Bernardo Abán Tercero geplant zu haben, da Bernardo Abán Tercero zu diesem Zeitpunkt bei ihrer Schwester lebte und Geld benötigte. Laut der Fallakte gab es eine Person, die mitangeklagt war, aber nach Mexiko geflohen ist und nie vor Gericht gestellt wurde. Bei dem Verfahren gegen Bernardo Abán Tercero im Jahr 2000 argumentierte die Verteidigung, dass Bernardo Abán Tercero nicht vorsätzlich gehandelt und sich daher nicht des Mordes schuldig gemacht habe. Als einziger Zeuge der Verteidigung wurde der Angeklagte selbst aufgerufen, die Staatsanwaltschaft hingegen hatte 17 Zeug_innen geladen. Bernardo Abán Tercero sagte aus, dass Robert Berger versucht hatte, ihm die Schusswaffe zu entwenden, und diese dann versehentlich losgegangen sei. Er sagte außerdem aus, dass die Angestellte eine willige Komplizin gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft war der Ansicht, dass man von Vorsatz sprechen könne, da Bernardo Abán Tercero die Angestellte mittels Drohungen zur Komplizenschaft gezwungen habe und eine geladene Waffe mit sich geführt habe. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft erschoss Bernardo Abán Tercero Robert Berger aus Angst, dass dieser ihn identifizieren könnte. Die Geschworenen befanden Bernardo Abán Tercero des Mordes für schuldig und sprachen sich wegen "zukünftiger Gefährlichkeit" und angesichts fehlender strafmildernder Umstände für die Todesstrafe aus.