Liu Xiaobo in Haft

Der in der Demokratiebewegung engagierte Literaturwissenschaftler Liu Xiaobo wurde am 23. Juni 2009 wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" formell festgenommen. Seit dem 8. Dezember 2008 steht er bereits unter "häuslicher Observierung", ohne dass es ein ordentliches Verfahren gegeben hätte und ohne Zugang zu einer anwaltlichen Vertretung.

Appell an

MINISTERPRÄSIDENT VON CHINA
WEN Jiabao Guojia Zongli
The State Council General Office
2 Fuyoujie
Xichengqu
Beijingshi 100017
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 86) 10 65961109 (c/o Ministry of Foreign Affairs)

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT, HERR MENG
MENG Jianzhu Buzhang
Gong’anbu
14 Dongchang’anjie
Beijingshi 100741
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte englische Anrede: Your Excellency
Fax: (00 86) 10 63099216 (bitte öfter versuchen)

GENERALSTAATSANWALT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
CAO Jianming Jianchazhang
Zuigao Renmin Jianchayuan
147 Beiheyandajie
Beijingshi 100726
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Procurator-General)

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S. E. Herrn Canrong Ma
Märkisches Ufer 54, 10179 Berlin
Fax: 030-2758 8221
E-Mail: chinesischeBotschaft@debitel.net
chinaemb_de@mfa.gov.cn
de@mofcom.gov.cn

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 5. August 2009 keine Appelle mehr zu verschicken.

PLEASE SEND APPEALS TO ARRIVE AS QUICKLY AS POSSIBLE IN ENGLISH, MANDARIN OR YOUR OWN LANGUAGE:

  • calling on the authorities to release Liu Xiaobo immediately without conditions;

  • urging the authorities to guarantee that Liu Xiaobo is not tortured or ill-treated while he remains in custody;

  • calling on the authorities to ensure Liu Xiaobo has access to his family and lawyers;

calling on the authorities to end use of vaguely defined crimes to prevent dissidents and activists from peacefully demanding legal and political reform;

  • expressing deep concern that the detention of peaceful human rights activists runs counter to promises made by Chinese officials on their first ever National Human Rights Action Plan 2009-2010.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE, IN DENEN SIE

  • die Behörden auffordern, Liu Xiaobo umgehend und bedingungslos freizulassen;

  • von den Behörden die Garantie fordern, dass er weder gefoltert noch in anderer Weise misshandelt wird, solange er sich in Gewahrsam befindet;

  • fordern, dass Liu Xiaobo Zugang zu einer rechtlichen Vertretung und seiner Familie erhält;

  • die Behörden auffordern, nicht länger schwammig formulierte Anklagen zu benutzen, um Andersdenkende und AktivistInnen davon abzuhalten, friedlich politische und rechtliche Reformen zu fordern;

  • Ihre große Sorge darüber äußern, dass die Inhaftierung friedlicher MenschenrechtsaktivistInnen den Zusicherungen zuwiderläuft, die chinesische VertreterInnen in ihrem ersten Nationalen Aktionsplan für Menschenrechte 2009-2010 abgegeben haben.

Sachlage

Das People’s Daily, offizielles Parteiorgan der Kommunistischen Partei China, berichtete, dass man Liu Xiaobo u.a. beschuldige "in den letzten Jahren Gerüchte über die Regierung verbreitet zu haben und sie zu diffamieren, mit dem Ziel, den Staat zu unterwandern und das sozialistische System zu Fall zu bringen". In dem Artikel wird behauptet, dass Liu Xiaobo bei der polizeilichen Voruntersuchung die Anklage gegen ihn gestanden habe. Da Geständnisse in China häufig erzwungen werden, ist Amnesty International der Ansicht, dass ihm Folter und andere Misshandlungen drohen.

Liu Xiaobo ist einer der Unterzeichnenden der Charta 08, in der politische und rechtliche Reformen für China ausgearbeitet wurden. Die chinesische Polizei nahm ihn am 8. Dezember 2008, zwei Tage vor dem 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, bei ihm zuhause in Peking fest. Die Charta 08 sollte am 10. Dezember 2008 der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Unter Verstoß gegen das Strafverfolgungsgesetz informierte die Polizei die Familie von Liu Xiaobo damals weder darüber, wo er inhaftiert worden war, noch informierte sie die Familie wie vorgeschrieben innerhalb von 24 Stunden über seine Inhaftierung. Die Polizei stellte ihn unter "häusliche Observierung", einer Form von Hausarrest, die bis zu sechs Monate ohne Anklage verhängt werden kann. Der offizielle Zeitraum seiner "häuslichen Observierung" hätte am 8. Juni 2009 enden sollen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Charta 08, die ursprünglich von etwa 300 WissenschaftlerInnen, AnwältInnen und Funktionären unterzeichnet wurde, ist ein Entwurf für fundamentale rechtliche und politische Reformen in China und zielt darauf ab, ein demokratisches System zu etablieren, das die Menschenrechte achtet. Charta 08 wurde am 9. Dezember 2008 der Öffentlichkeit vorgestellt. Zahlreiche Unterzeichnende der Charta sind seit ihrer Bekanntgabe von den chinesischen Behörden verhört und schikaniert worden.

Der bekannte Literaturwissenschaftler Liu Xiaobo war bereits zuvor wegen seiner Veröffentlichungen inhaftiert. Nach dem harten Vorgehen der chinesischen Behörden gegen die Demokratiebewegung am 3. und 4. Juni 1989 auf dem Tiananmenplatz verbrachte er mehrere Jahre in Haft.

Mit MenschenrechtsverteidigerInnen, die versuchen, in China über Menschenrechtsverletzungen zu berichten, eine Politik in Frage stellen, die die Behörden für politisch brisant halten oder sich bemühen, andere für ihre Überzeugungen zu gewinnen, wird häufig missbräuchlich umgegangen. Schwammig definierte Anklagepunkte wie "Aneignung, Besitz und Weitergabe von Staatsgeheimnissen" und "Subversion" werden angeführt, um AktivistInnen, JournalistInnen und InternetnutzerInnen willkürlich zu inhaftieren und strafrechtlich zu verfolgen. Viele werden nach politisch motivierten Verfahren als gewaltlose politische Gefangene inhaftiert, während eine wachsende Zahl unter Hausarrest gestellt wird. Die Polizei setzt dabei übergriffige Überwachungsmethoden ein und postiert Wachen vor dem Haus. Seit Anfang 2009, einem Jahr mit mehreren politisch brisanten Jahrestagen, nehmen die Repressalien gegen MenschenrechtsverteidigerInnen zu. Familienangehörige von MenschenrechtlerInnen, darunter auch Kinder, werden zunehmend zur Zielscheibe der Behörden.