Weiterhin drohende Hinrichtung

Galgenstrick vor schwarzem Hintergrund

Galgenstrick vor schwarzem Hintergrund

Die Hinrichtung des zum Tatzeitpunkt minderjährigen Straftäters Salar Shadizadi ist auf den 28. November festgesetzt worden. Damit verstoßen die iranischen Behörden gegen das Verbot der Anwendung der Todesstrafe bei zum Tatzeitpunkt minderjährigen Straftäter_innen unter dem Völkerrecht und internationalen Standards. Nach iranischem Recht müsste Salar Shadizadi zudem das Recht auf eine Neuverhandlung gewährt werden.

Appell an

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street –
End of Shahid Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: über die Webseite http://www.leader.ir/langs/en/index.php?p=letter
Twitter: @khamenei_ir (Englisch)

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
c/o Public Relations Office
Number 4, 2 Azizi Street Intersection
Tehran, IRAN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir

Sende eine Kopie an

GENERALSTAATSANWALT DER PROVINZ GILAN
Ali Mostafavinia
General and Revolutionary
Prosecution Office in Gilan Province
7 Azar Roundabout, Pasdaran Street
Pol Aragh Judicial Complex
Rasht, IRAN

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 5. Januar 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, TWITTER-NACHRICHTEN ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, die Hinrichtung von Salar Shadizadi sofort auszusetzen und sein Todesurteil aufzuheben. Bitte gewähren Sie Salar Shadizadi ein Wiederaufnahmeverfahren, das den internationalen Standards für faire Verfahren entspricht und in dem nicht auf die Todesstrafe zurückgegriffen wird.

  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass der Iran Vertragsstaat des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes ist, welche die Verhängung der Todesstrafe gegen Personen, die zum Tatzeitpunkt jünger als 18 Jahre alt waren, ausdrücklich verbieten.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Iranian authorities to immediately halt the execution of Salar Shadizadi and ensure that his death sentence is quashed and he is granted a retrial that complies with international fair trial standards, without recourse to the death penalty.

  • Reminding them that Iran has ratified the International Covenant on Civil and Political Rights and the Convention on the Rights of the Child, both of which strictly prohibit the use of the death penalty for crimes committed by persons below the age of 18.

Sachlage

Der nun 24-jährige Salar Shadizadi wurde im Dezember 2007 von der Abteilung 11 des Berufungsgerichts für Strafsachen in der nördlichen Provinz Gilan zum Tode verurteilt, weil er einen seiner Freunde erstochen haben soll. Zum Tatzeitpunkt war Salar Shadizadi 15 Jahre alt. Drei Monate später bestätigte die Abteilung 37 des Obersten Gerichtshofs sein Todesurteil. Im Mai 2013 genehmigte die Oberste Justizautorität die Hinrichtung. Seitdem haben die Behörden bereits zwei Termine für eine Hinrichtung festgesetzt und diese anschließend verschoben. Die Behörden haben dabei versäumt, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, um sicherzustellen, dass Salar Shadizadi eine Neuverhandlung gewährt wird. Der Oberste Gerichtshof des Iran hatte entschieden, dass alle Personen, die sich gegenwärtig wegen Straftaten im Todestrakt befinden, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen haben sollen, das Recht auf eine Neuverhandlung basierend auf den neuen Regelungen zu Jugendstraftaten im iranischen Strafgesetzbuch von 2013 haben.

Salar Shadizadi wurde im Februar 2007 unter dem Vorwurf, mit 15 Jahren einen seiner Freunde ermordet zu haben, festgenommen. Erst zu Beginn seines Gerichtsverfahrens gewährte man ihm Zugang zu einem Rechtsbeistand. Salar Shadizadi gibt zudem an, dass er während der Ermittlungsphase gefoltert und anderweitig misshandelt worden sei. In seinem Testament, das Salar Shadizadi im November 2015 im Gefängnis verfasst hat, offenbart er zum ersten Mal, wie er ungewollt den "tragischen" Tod seines Freundes verursacht hatte, indem er im Dunkeln unabsichtlich auf ein furchterregendes Objekt einstach, das sich bewegte und mit einem grünen Tuch umhüllt gewesen war. Anschließend stellte er fest, dass es sich um seinen Freund handelte. Salar Shadizadi schreibt, dass dies in Zusammenhang mit einem "albernen Spiel" passiert war, in dem sein Freund ihn herausgefordert hatte, nachts in den Garten seiner Familie zu gehen. Sein Freund wusste, dass Salar Shadizadi sich vor der Dunkelheit fürchtete und von seiner Großmutter seit seiner Kindheit gewarnt worden war, dass dieser Garten von "bösen Geistern" ("jen") heimgesucht wird. Die Hinrichtung von Salar Shadizadi sollte ursprünglich am 1. August 2015 stattfinden, wurde jedoch in letzter Minute, wahrscheinlich aufgrund internationalen Drucks, verschoben.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Salar Shadizadi wurde im Februar 2007 festgenommen, nachdem im Garten seiner Familie einer seiner Freunde tot aufgefunden worden war. Man warf Salar Shadizadi vor, dem Opfer tödliche Stichwunden zugefügt zu haben. In seinem Testament beschreibt Salar Shadizadi, dass die Atmosphäre auf der Polizeistation, in welcher er ohne Zugang zu seiner Familie festgehalten worden war, so einschüchternd gewesen sei, dass er sich nicht getraut habe, die Wahrheit über die Geschehnisse zu erzählen. Er schreibt zudem, dass er beabsichtigt hatte, die Wahrheit während des Verfahrens preiszugeben, dies jedoch nicht tat, nachdem sein Rechtsbeistand ihn zum Schweigen überredet und ihm geraten hatte, kein Geständnis abzulegen.

Die Hinrichtung von Salar Shadizadi sollte ursprünglich am 1. August 2015 stattfinden. Der Termin wurde jedoch möglicherweise aufgrund des öffentlichen Sturms der Entrüstung über die bevorstehende Hinrichtung verschoben. Salar Shadizadi wurde später in die allgemeine Abteilung des Rasht-Gefängnisses verlegt, nachdem er sich 41 Tage in Einzelhaft befunden hatte.

Die Hinrichtung von Salar Shadizadi war bereits im Juli 2013 verschoben worden. Auch damals gewährten die Behörden in letzter Minute einen Hinrichtungsaufschub und erlaubten Salar Shadizadi auf Grundlage von Paragraf 91 des iranischen Strafgesetzbuchs von Mai 2013, eine gerichtliche Überprüfung seines Falls zu beantragen. Laut Paragraf 91 haben Richter_innen die Möglichkeit, sich gegen die Todesstrafe zu entscheiden, wenn sie der Überzeugung sind, dass sich ein jugendlicher Straftäter oder eine jugendliche Straftäterin der Art und Folgen einer Straftat nicht bewusst war oder wenn Zweifel hinsichtlich der "geistigen Entwicklung und Reife" der Person bestehen.

Das Berufungsgericht für Strafsachen in der Provinz Gilan überwies ihn dann für eine psychologische Untersuchung an die Iranische Rechtsmedizinische Organisation, um zu untersuchen, ob Salar Shadizadi zur Tatzeit die "geistige Reife" besaß und sich der Art und Folgen seiner Straftat bewusst war. Die Iranische Rechtsmedizinische Organisation erklärte, dass "es keine Hinweise gibt, die darauf schließen lassen, dass Salar Shadizadi zur Tatzeit unzurechnungsfähig war, es jedoch nicht möglich ist, rückwirkend seinen geistigen Entwicklungsstand von vor sieben Jahren zu bewerten". Auf Grundlage dieser Erkenntnisse und der Unklarheit über die angemessene Anwendung des überarbeiteten iranischen Strafgesetzbuchs auf zur Tatzeit Minderjährige, die vor der Änderung des Gesetzes zum Tode verurteil worden waren, stellte das Gericht für Strafsachen in der Provinz Gilan einen Antrag beim Obersten Gerichtshof, um über die Umwandlung der Urteile zu entscheiden. Im November 2014 entschied die Abteilung 13 des Obersten Gerichtshof, dass jeder Antrag auf Umwandlung eines Urteils basierend auf dem überarbeiteten iranischen Strafgesetzbuchs bei dem Gericht eingereicht werden muss, das ursprünglich das Todesurteil erwirkt hat.

Salar Shadizadis Fall wurde im April 2015 erneut vor die Abteilung 13 des Obersten Gerichtshofs gebracht, nachdem dieses im Dezember 2014 ein "Piloturteil" (ra’ye vahdat-e ravieh)in einem anderen Fall erwirkt hatte. Darin wurde entschieden, dass alle Personen, die sich gegenwärtig wegen Straftaten im Todestrakt befinden, die sie im Alter von unter 18 Jahren begangen haben sollen, einen Antrag auf eine Neuverhandlung einreichen können. Trotz dieser Entscheidung, verwehrte die Abteilung 13 des Obersten Gerichtshofs Salar Shadizadi eine Neuverhandlung und zitierte bei der Begründung die Iranische Rechtsmedizinische Organisation, die Salar Shadizadi zum Tatzeitpunkt als "zurechnungsfähig" befand, es jedoch nicht für möglich hielt, rückwirkend seine geistige Reife zum Tatzeitpunkt zu bewerten. In der Urteilsbegründung erklärt der Gerichtshof, dass "man davon ausgehen muss, dass Kinder mit Erreichen der Volljährigkeit [die im Iran bei Jungen mit 15 Jahren und bei Mädchen mit neun Jahren erreicht wird] über die entsprechende geistige Reife verfügen. Um diese Annahme zu wiederlegen, müssen Beweise vorgelegt werden, was in diesem Fall nicht geschehen ist. Der Antrag des Verurteilten wird daher abgelehnt und das [Todes-] Urteil bestätigt ". Artikel 37 des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes, dessen Vertragsstaat der Iran ist, besagt, dass "weder die Todesstrafe noch eine lebenslange Haftstrafe ohne Aussicht auf Freilassung bei zur Tatzeit unter 18-Jährigen angewandt werden dürfen".

2015 wurden im Iran mindestens vier minderjährige Straftäter_innen hingerichtet. Dazu gehören Javad Saberi, hingerichtet am 15. April, Vazir Amroddin, hingerichtet im Juni/Juli, Samad Zahabi, hingerichtet am 5. Oktober und Fatemeh Salbehi, hingerichtet am 13. Oktober. Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht vom 14. Oktober 2015: Iran: Execution of two juvenile offenders in just a few days makes a mockery of Iran’s juvenile justice system unter: https://www.amnesty.org/en/latest/news/2015/10/iran-juvenile-offenders-executed/).