Journalist bedroht und angegriffen
Kuba
© Amnesty International
Roberto de Jesús Guerra Pérez, der Leiter der unabhängigen Nachrichtenagentur Hablemos Press hat telefonische Drohungen erhalten und wurde auf offener Straße in Havanna, der Hauptstadt Kubas, angegriffen. Er glaubt, dass es sich um Versuche der kubanischen Behörden handelt, ihn von seiner Arbeit als Journalist abzuhalten.
Roberto de Jesús Guerra Pérez ist Mitbegründer und Leiter der unabhängigen Nachrichtenagentur Hablemos Press. Seit dem 6. Juni ist er bereits mehrfach telefonisch bedroht worden. Unterschiedliche männliche Anrufer haben ihn auf seinem Handy sowie bei ihm Zuhause angerufen, wo sich auch das Büro der Hablemos Press befindet, und ihn mit dem Tode bedroht.
Appell an
STAATS- UND REGIERUNGSCHEF
Raúl Castro Ruz
Presidente de la República de Cuba
La Habana, KUBA
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (0041) 22 758 9431 (kubanische Vertretung in Genf)
oder (001) 212 779 1697 (über die ständige Vertretung Kubas bei den UN)
E-Mail: cuba@un.int (c/o Cuban Mission to UN)
GENERALSTAATSANWALT
Dr. Darío Delgado Cura
Fiscal General de la República
Fiscalía General de la República, Amistad 552, e/Monte y Estrella, Centro Habana
La Habana, KUBA
(Anrede: Dear Attorney General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt / Sr. Fiscal General)
Sende eine Kopie an
INNENMINISTER
General Abelardo Colomé Ibarra,
Ministro del Interior y Prisiones
Ministerio del Interior,
Plaza de la Revolución,
La Habana, KUBA
Fax: (001) 212 779 1697 (über die ständige Vertretung Kubas bei den UN)
E-Mail: correominint@mn.mn.co.cu
BOTSCHAFT DER REPUBLIK KUBA
S.E. Herrn René Juan Mujica Cantelar
Stavanger Str. 20, 10439 Berlin
Fax: 030-916 4553
E-Mail: recepcion@botschaft-kuba.de
embacuba-berlin@botschaft-kuba.de
embacuba-berlin@t-online.de
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 1. August 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.
Amnesty fordert:
E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN
-
Ich fordere Sie eindringlich auf, sofort eine Untersuchung zu dem Angriff auf Roberto de Jesús Guerra Pérez vom 11. Juni sowie zu den telefonischen Drohungen gegen ihn einzuleiten und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.
- Stellen Sie bitte sicher, dass alle BürgerInnen friedlich Gebrauch von ihren Rechten auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit machen können, ohne Drangsalierungen oder Einschüchterungsversuche fürchten zu müssen.
PLEASE WRITE IMMEDIATELY
-
Calling on the Cuban authorities to immediately investigate the assault on 11 June against Roberto de Jesús Guerra Pérez as well as telephone threats against him and to bring those found responsible to justice.
- Calling on the authorities to ensure that citizens who seek to peacefully exercise their right to freedom of expression, assembly and association are able to so without harassment or intimidation.
Sachlage
Am 11. Juni befand sich Roberto de Jesús Guerra Pérez um kurz nach 11 Uhr morgens auf dem Weg zur tschechischen Botschaft, um dort das Internet zu benutzen. Im Bezirk Plaza de La Revolución im Zentrum Havannas griff ihn ein Unbekannter ohne Warnung an und schlug und trat auf ihn ein. Der Journalist trug eine gebrochene Nase und zahlreiche Hämatome am ganzen Körper davon. Während der unbekannte Mann auf ihn einschlug, hielten vier weitere Männer auf zwei Motorrädern von dem Typ, der häufig von Angehörigen der kubanischen Abteilung für Staatssicherheit verwendet wird, neben ihm an. Roberto de Jesús Guerra Pérez gab an, dass einer der Männer "Ok, das reicht" gesagt habe, bevor sie wieder wegfuhren. Einen der vier hatte er zu einem früheren Zeitpunkt einmal gesehen, als dieser an der Niederschlagung einer Demonstration von Regierungskritiker_innen beteiligt gewesen war. Roberto de Jesús Guerra Pérez und seine Frau haben wegen des Angriffs Anzeige bei der Polizei im Bezirk Cerro erstattet. Der Journalist musste noch in derselben Nacht erneut auf die Polizeiwache kommen, wo er seinen Angreifer auf Fotos identifizieren konnte, die ihm gezeigt wurden.
Um etwa 18 Uhr am 17. Juni stand der Mann, der Roberto de Jesús Guerra Pérez angegriffen hatte, vor dessen Haus und drohte ihm laut schreiend unter anderem damit, ihn zu töten und sein Haus anzuzünden. Die Frau von Roberto de Jesús Guerra Pérez ging erneut zu der Polizeiwache in Cerro, um eine Anzeige zu erstatten. Die BeamtInnen weigerten sich jedoch diese aufzunehmen und sagten ihr, es gäbe keine Grundlage für eine weitere Anzeige ("la denuncia no procedía").
Hintergrundinformation
Roberto de Jesús Guerra Pérez wird immer wieder von den Behörden drangsaliert. Man hat ihn bereits mehrfach festgenommen und ihm mit Haftstrafen gedroht, sollte er weiter als Journalist arbeiten. Am 6. April 2014 kehrte er von einer Auslandsreise zurück und wurde von der Polizei noch am Flughafen in Havanna aufgegriffen. Sie hielten ihn sechs Stunden lang fest und beschlagnahmten Materialien, die er bei sich getragen hatte. Darunter befanden sich auch Dokumente der Interamerikanischen Menschenrechtskommission in Washington, wo er am 25. März im Zusammenhang mit dem Thema Meinungsfreiheit in Kuba an einer Veranstaltung teilgenommen hatte.
Am 11. September 2012 wurde Roberto de Jesús Guerra Pérez in ein Auto gezerrt und Berichten zufolge anschließend auf dem Weg zur Polizeiwache geschlagen. Vor seiner Freilassung sagte man ihm, dass er zum "regimefeindlichen Journalisten Nr. 1" geworden sei und ihm die Inhaftierung drohe, sollte er seine Arbeit weiterführen.
Hablemos Press ist eine im Februar 2009 von unabhängigen JournalistInnen und MenschenrechtsaktivistInnen gegründete, inoffizielle Nachrichtenagentur. Sie wurde laut der Webseite der Agentur ins Leben gerufen, "um Nachrichten innerhalb des Landes und für den Rest der Welt zu sammeln und zu verbreiten". Die Hablemos Press gibt zudem monatliche Berichte zu willkürlichen Inhaftierungen von unabhängigen JournalistInnen, MenschenrechtsverteidigerInnen und politischen AktivistInnen heraus.
Die kubanischen Medien unterstehen strengen und tiefgreifenden Einschränkungen, mit denen das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung der EinwohnerInnen Kubas in deutlicher Weise verletzt wird. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten. Der kubanische Staat hat noch immer ein Monopol auf das Fernsehen, das Radio, die Presse, alle Internetanbieter sowie auf andere elektronische Kommunikationsmittel.
Artikel 53 der kubanischen Verfassung erkennt die Pressefreiheit an, verbietet aber ausdrücklich Privatbesitz an Massenmedien: "Den Bürgerinnen und Bürgern wird die Rede- und Pressefreiheit gemäß den Zielen der sozialistischen Gesellschaft zuerkannt. Die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung dieser Rechte sind dadurch gegeben, dass sich Presse, Radio, Fernsehen, Kino und andere Massenmedien in staatlichem oder gesellschaftlichem Eigentum befinden und in keinem Falle Gegenstand privaten Eigentums sein können. Dies garantiert die ausschließliche Nutzung der genannten Medien durch und für das arbeitende Volk und im Interesse der Gesellschaft. Die Ausübung dieser Freiheiten ist gesetzlich festgelegt."
Obgleich es kein Zensur-Gesetz gibt, das die Arbeit der Presse ausdrücklich reguliert oder festlegt, welche Inhalte veröffentlicht werden, müssen JournalistInnen der kubanischen Journalistenvereinigung (Unión de Periodistas Cubanos - UPEC) beitreten, um für die staatlichen Medien arbeiten zu dürfen. Die UPEC ist zwar autonom, erkennt die Kommunistische Partei Kubas in seiner Satzung jedoch als "die höchste führende Kraft der Gesellschaft und des Staates" an und stimmt der Einhaltung von Artikel 53 der kubanischen Verfassung zu (s. o.). Eine vorgeschriebene Mitgliedschaft in einer Berufsvereinigung als Voraussetzung für das Ausüben journalistischer Tätigkeiten stellt eine unrechtmäßige Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und einen Verstoß gegen das Recht auf Vereinigungsfreiheit dar. In Artikel 20 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es: "Niemand darf gezwungen werden, einer Vereinigung anzugehören". Da die Mitglieder der UPEC als ArbeitnehmerInnen beim Staat Kuba angestellt sind, ist eine vorgeschriebene Mitgliedschaft in diesem Fall ein Mittel zur Ausübung politischer Kontrolle im Bereich der Kommunikation. Ausschließlich die JournalistInnen, deren Ansichten der offiziellen Regierungspolitik entsprechen, werden von der UPEC akkreditiert. Unabhängige JournalistInnen können der Vereinigung daher nicht beitreten.