Sorge um Gesundheit

Dr. Homa Hoodfar

Dr. Homa Hoodfar

Der gesundheitliche Zustand der renommierten Anthropologie-Professorin Dr. Homa Hoodfar, die sich seit dem 6. Juni in Einzelhaft befindet, hat sich stark verschlechtert. Sie leidet an einer neurologischen Erkrankung, für die sie keine fachärztliche Behandlung erhält. Es wird befürchtet, dass die Behörden ihr auch die erforderlichen Medikamente verweigern.

Appell an

(bitte senden Sie Ihre Appelle über die Botschaft)
RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT
Hassan Rouhani
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 27. Oktober 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie Dr. Homa Hoodfar sofort und bedingungslos frei, da sie eine gewaltlose politische Gefangene ist, die nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit inhaftiert ist.

  • Sorgen Sie bitte dringend dafür, dass sie bis zu ihrer Freilassung Zugang zu fachärztlicher Behandlung außerhalb des Gefängnisses erhält. Zudem möchte ich Sie daran erinnern, dass eine Verweigerung der medizinischen Behandlung Folter und anderweitiger Misshandlung gleichkommen kann.

  • Stellen Sie bitte auch sicher, dass sie regelmäßigen Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl und zu ihrer Familie, einschließlich ihrer im Ausland lebenden Verwandten, hat. Zudem müssen ihr ausreichend Zeit und angemessene Räumlichkeiten bereitgestellt werden, um vertraulich mit ihrem Rechtsbeistand sprechen zu können. Bitte gewähren Sie ihr außerdem Zugang zu den konsularischen Vertreter_innen Kanadas und Irlands.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Iranian authorities to release Homa Hoodfar immediately and unconditionally, as she is a prisoner of conscience, held solely for the peaceful exercise of her rights to freedom of expression and association.

  • Urging them to ensure that, pending her release, she is granted access to adequate specialized medical care outside prison and reminding them that depriving her of medical care could amount to torture and other ill-treatment.

  • Urging them to ensure that she has regular access to a lawyer of her choice and to her family, including those living abroad, to guarantee the time and facilities to communicate and consult with her lawyer confidentially; and requesting them to allow her access to Canadian and Irish consular officials.

Sachlage

Dr. Homa Hoodfar verfügt über die kanadische, iranische und irische Staatsbürgerschaft und ist eine renommierte Anthropologie-Professorin an der Concordia University in Montreal. Seit ihrer willkürlichen Festnahme am 6. Juni befindet sie sich als gewaltlose politische Gefangene im Evin-Gefängnis in Teheran in Einzelhaft. Ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich zusehends. Sie leidet an einer neurologischen Erkrankung namens Myasthenia gravis. Hierbei handelt es sich um eine chronische Autoimmunerkrankung, die durch eine gestörte Signalübertragung zwischen Nerv und Muskel gekennzeichnet ist und sich unter Stress verschlimmert. Ihre Angehörigen durften sie nur ein Mal im August besuchen. Dabei erfuhren sie, dass Dr. Homa Hoodfar um den 8. August vorübergehend in das Gefängnis-Krankenhaus oder ein Krankenhaus außerhalb des Gefängnisses verlegt worden war, weil sie große Schwierigkeiten beim Schlucken hatte – Symptom einer fortgeschrittenen Myasthenia gravis. Ihre Familie erfuhr nicht, was für eine Behandlung sie erhalten und wann man sie ins Gefängnis zurück gebracht hatte. Das Treffen dauerte nur zehn Minuten und fand in Anwesenheit von Beamt_innen des Geheimdienstes satt, sodass sie sich nicht frei unterhalten konnten. Die Angehörigen von Dr. Homa Hoodfar gaben an, dass sie verwirrt wirkte, ihre Hände zitterten und sie Probleme beim Laufen und Sprechen hatte.

Dr. Homa Hoodfar wird seit ihrer Festnahme das Recht auf rechtlichen Beistand verwehrt. Auch während ihrer Verhöre darf ihr Anwalt nicht anwesend sein. Die Justizbehörden weigern sich, ihrem Rechtsbeistand die Gerichtsakte zu ihrem Fall zu übermitteln und haben ihm lediglich mündlich mitgeteilt, dass sie wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und "Zusammenarbeit mit feindlichen Regierungen" angeklagt sei. Im Juli gewährte man ihr ein kurzes Treffen mit ihrem Anwalt, verweigerte ihr jedoch das Recht, sich mit ihm vertraulich zu unterhalten, da das Treffen in Anwesenheit von Geheimdienstbeamt_innen stattfand. Anschließend wurden alle Anträge ihres Anwalts, sie in Haft besuchen zu dürfen, abgelehnt. Auch seine wiederholten Anträge auf eine Freilassung gegen Kaution blieben erfolglos. Im August teilten die Justizbehörden ihrem Anwalt mit, dass er Dr. Homa Hoodfar nicht länger vertreten könne. Ihre Familie beauftragte anschließend einen neuen Rechtsbeistand, dem jedoch ebenfalls mitgeteilt wurde, dass er den Fall nicht übernehmen könne. Derzeit versucht ihre Familie, einen dritten Rechtsbeistand zu beauftragen. Der Fall von Dr. Homa Hoodfar ist der Abteilung 15 des Revolutionsgerichts in Teheran übergeben worden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 31. August veröffentlichte die staatlich finanzierte Nachrichtenagentur Fars News Agency einen Artikel, in dem es hieß, dass die Behauptungen, der Gesundheitszustand von Dr. Homa Hoodfar habe sich verschlechtert, falsch seien. In dem Artikel wurde der Cousin von Dr. Homa Hoodfar zitiert: "Die Angaben (…) stimmen nicht. Homa Hoodfar geht es gut, und sie ist nicht im Krankenhaus. (…) Sie wird nicht in Einzelhaft festgehalten und (…) befindet sich im allgemeinen Trakt des Gefängnisses." Amnesty International befürchtet, dass die Behörden den Cousin von Dr. Homa Hoodfar gezwungen haben könnten, diese falsche Aussage zu machen, um so zu versuchen, die Empörung über ihre Einzelhaft zu unterdrücken. Bis zur dritten Augustwoche wurden alle von ihrer Familie und ihrem Rechtsbeistand eingereichten Anträge auf Besuche und die Übergabe von Kleidung und Medikamenten abgelehnt. Danach erlaubte man es ihrem Anwalt zumindest, die Medikamente ins Evin-Gefängnis zur bringen, die ihre Verwandten aus Kanada in den Iran geschickt hatten. Die Gefängnisbeamt_innen nahmen die Medikamente zwar an, es ist jedoch nicht klar, ob sie Dr. Homa Hoodfar auch verabreicht werden.

Dr. Homa Hoodfar ist eine angesehene Akademikerin, die in den Bereichen Frauenrechte, Sexualität, Entwicklung und Wahlpolitik lehrt und forscht. Sie hat eine Reihe von Büchern geschrieben bzw. mitverfasst, wie z. B.: Between Marriage and the Market: Intimate Politics and Survival in Cairo (Comparative Studies on Muslim Societies); Electoral Politics: Making Quotas Work for Women; und Sexuality in Muslim Contexts: Restrictions and Resistance. Zudem ist sie in der internationalen feministischen Netzwerkorganisation Women Living Under Muslim Laws (WLUML) aktiv. Sie hat an zahlreichen Projekten der WLUML mitgearbeitet, in denen es um verbesserte Geschlechtergleichheit, Gerechtigkeit und Frauenrechte im Zusammenhang mit dem Islam geht.

Am 24. Juni erklärte der Generalstaatsanwalt von Teheran, dass die "strafrechtliche" Verfolgung von Dr. Homa Hoodfar in Verbindung mit ihrem feministischen Engagement und Straftaten gegen die nationale Sicherheit stehe. Einige Tage zuvor hatten Medienagenturen, die den Revolutionsgarden nahestehen, Artikel veröffentlicht, in denen behauptet wurde, dass sie "eine iranische Agentin einer Operation zum Aufbau eines feministischen Netzwerks" sei. In den Artikeln hieß es zudem, dass ihre Arbeit bei der WLUML zur Förderung des Feminismus, der Gleichberechtigung der Frau in muslimischen Ländern und für stärkere Selbstbestimmung der Frau darauf abziele "die öffentliche Ordnung zu stören" und sozio-kulturelle Veränderungen hervorzurufen, die letztendlich den Weg für einen Umsturz bereiten könnten. Die Festnahme von Dr. Homa Hoodfar und die gegen sie erhobenen Anklagen wegen Straftaten gegen die nationale Sicherheit geschehen vor dem Hintergrund eines verschärften Vorgehens gegen Frauenrechtler_innen im Iran. In der ersten Hälfte des Jahres 2016 haben die Behörden Frauenrechtler_innen verstärkt eingeschüchtert und drangsaliert. Zudem werden gemeinschaftlichen Initiativen, die sich dem Feminismus und den Frauenrechten widmen, immer häufiger kriminelle Aktivitäten vorgeworfen. Seit Januar 2016 sind bereits mehr als ein Dutzend Frauenrechtler_innen in Teheran von den Revolutionsgarden zu langen, intensiven Verhören vorgeladen und mit Inhaftierung aufgrund von Straftaten gegen die nationale Sicherheit bedroht worden. Weitere Informationen hierzu finden Sie in dem englischsprachigen Amnesty-Bericht "Iran: Women’s rights activists treated as 'enemies of the state’ in renewed crackdown" unter https://www.amnesty.org/en/latest/news/2016/08/iran-womens-rights-activists-treated-as-enemies-of-the-state-in-renewed-crackdown/.

Dr. Homa Hoodfar war am 11. Februar 2016 in den Iran gereist, um ihre Familie zu besuchen und historische Forschungen über die Beteiligung von Frauen an den Wahlen im Iran seit 1906 durchzuführen. Am 10. März wollte sie den Iran wieder verlassen. Doch am Abend des 9. März durchsuchten Angehörige der Spionageabwehreinheit der Revolutionsgarden ihre Wohnung und beschlagnahmten persönliche Gegenstände, darunter ihre drei Reisepässe, ihr Mobiltelefon und ihren Computer. Vom 10. März bis zu ihrer Festnahme am 6. Juni wurde Dr. Homa Hoodfar wiederholt von Angehörigen der Revolutionsgarden auf dem Festnetz angerufen und zum Verhör vorgeladen. Während dieser Verhöre, bei denen ihr Rechtsbeistand nicht anwesend sein durfte, wurde sie zu ihren feministischen Ansichten, ihrer Arbeit mit der WLUML und ihren Verbindungen zu iranischen Frauenrechtler_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen befragt. Die Befragungen waren lang und intensiv, da die Behörden über ihren Computer Zugang zu ihrer E-Mail-Korrespondenz vieler Jahre hatten.