Gnadengesuch muss geprüft werden

Jacqueline Montanez

Jacqueline Montanez

Der scheidende Gouverneur von Illinois entscheidet zum 11. Januar über das Gnadengesuch von Jacqueline Montanez. Sie war wegen eines Verbrechens, das sie als Minderjährige begangen hat, zu lebenslangem Freiheitsentzug ohne die Möglichkeit auf vorzeitige Haftentlassung verurteilt worden. Dieses Strafmaß verstößt gegen völkerrechtliche Bestimmungen. Sie befindet sich nun schon ihr halbes Leben lang im Gefängnis.

Appell an

GOUVERNEUR VON ILLINOIS
Governor Pat Quinn
Office of the Governor
207 State House
Springfield
IL, 62706
USA
E-Mail: über https://www2.illinois.gov/gov/Pages/ContacttheGovernor.aspx

Sende eine Kopie an

JUSTIZZENTRUM FÜR KINDER UND JUGENDLICHE
Ms. Alison R. Flaum
Bluhm Legal Clinic
Northwestern University
School of Law
357 East Chicago Avenue
Chicago, IL 60611
USA
E-Mail: a-flaum@law.northwestern.edu

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
S. E. Herrn John Bonnell Emerson
Pariser Platz 2, 10117 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: über http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 11. Januar 2015 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch.

Amnesty fordert:

E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte keineswegs die Verantwortung von Minderjährigen für ihre Taten abstreiten, vertrete aber die Auffas-sung, dass in der Frage der Strafmündigkeit die Jugend und Unreife von Minderjährigen sowie ihre Entwicklungsmöglichkeiten berücksichtigt werden müssen, mit dem Ziel, ihnen die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen.

  • Ich weise darauf hin, dass die Verhängung einer lebenslangen Haftstrafe ohne die Möglichkeit der Bewährung gegen eine Person, die zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt noch keine 18 Jahre alt war, gegen die weltweit anerkannten internationalen Menschenrechtsnormen verstößt.

  • Ich bitte Sie eindringlich, das Gnadengesuch von Jacqueline Montanez zu prüfen. Die gegen sie verhängte Strafe läuft international anerkannten völkerrechtlichen Menschenrechtsnormen und rechtlichen Grundsätzen zuwider.

Sachlage

1993 wurde Jacqueline Montanez für schuldig befunden, im Jahr 1992 im Alter von 15 Jahren zwei Morde begangen zu haben. Man verurteilte sie zu lebenslanger Haft ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Haftentlassung. Da man Jacqueline Montanez des Mordes anklagte, kam automatisch das Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung und sie erhielt das Strafmaß, das in Illinois für diese Art der Straftat vorgeschrieben ist – lebenslang ohne Bewährung. Die Tatsache, dass man sie nicht nach Jugendstrafrecht verurteilt hat, bedeutet, dass ihr Alter, ihr Missbrauchshintergrund, ihre psychischen Probleme sowie ihre Offenheit für Rehabilitierungsmaßnahmen nicht berücksichtigt wurden. Eine solche Strafe gegen eine zur Tatzeit minderjährige Person zu verhängen, stellt einen Verstoß gegen das Völkerrecht dar.

Jacqueline Montanez ist in ihrer Kindheit immer wieder missbraucht worden und gehörte einer Straßenbande an, die mit der Bande ihres Stiefvaters verfeindet war. Sie konsumierte bereits ab ihrem neunten Lebensjahr Drogen und Alkohol und befand sich wegen suizidalem Verhalten mehrmals in klinischer Behandlung; unter anderem hatte sie mit zwölf Jahren eine Überdosis Drogen eingenommen. Jacqueline Montanez sagt über ihre Kindheit: "15 Jahre meines Lebens wurde ich geschlagen, sah meine Eltern Drogen nehmen, lieferte Drogen für meinen [Stief]vater aus und wurde vergewaltigt … jeden Tag wurde ich geschlagen, stellte Drogen her und füllte sie ab. Ich dachte, das sei normal." Jacqueline Montanez ist mittlerweile 37 Jahre alt und hat 21 Jahre im Gefängnis verbracht. Sie zeigt tiefe Reue angesichts ihrer Tat. In Haft hat sie einen Abschluss erlangt, der einem High-School-Abschluss gleichkommt, sie ist zertifizierte Ausbilderin von Begleithunden für Menschen mit Behinderungen, und hat Gedichte veröffentlicht. Sie betätigt sich als Mentorin für andere Häftlinge und setzt sich für Jugendliche mit schwierigem Hintergrund ein, die misshandelt worden sind oder wie sie in einer Kultur von Straßenbanden aufgewachsen sind.

Jacqueline Montanez hat am 26. Januar 2012 ein Gnadengesuch eingereicht. Am 11. April 2012 fand vor dem Haftprüfungsausschuss von Illinois die Anhörung statt. Die vertrauliche Empfehlung des Haftprüfungsausschusses wurde an den Gouverneur von Illinois weitergeleitet. Dies ist nun beinahe drei Jahre her. Gouverneur Pat Quinn scheidet am 11. Januar aus dem Amt aus und hat bisher keine Entscheidung verkündet.

Die USA sind vermutlich der einzige Staat, in dem Jugendliche zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung verurteilt werden. Zwar schließen die Gesetze in einigen anderen Ländern diese Praxis nicht prinzipiell aus, Amnesty International ist jedoch nicht bekannt, dass dieses Strafmaß in den vergangenen Jahren in einem anderen Land verhängt worden wäre. Amnesty International bezieht keine Stellung dazu, welches Strafmaß in solchen Fällen angemessen ist, betont aber, dass die Strafe internationalen Grundsätzen entsprechen muss.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 12. Mai 1992 fuhr Jacqueline Montanez zusammen mit zwei weiteren Mädchen ihrer Straßenbande in einen Park. Dort trafen sich sie drei Mädchen mit Hector Reyes und James Cruz, zwei Männern aus der Straßenbande ihres Stiefvaters. Jacqueline Montanez erschoss Hector Reyes und gab die Waffe anschließend an eines der anderen Mädchen weiter, das dann James Cruz erschoss. Nachdem Jacqueline Montanez am folgenden Tag festgenommen worden war, legte sie während ihres Verhörs ein Geständnis ab. Weder ein Jugendschutzbeauftragter noch die Mutter von Jacqueline Montanez waren während ihrer Befragung anwesend. Kurz nach ihrem 17. Geburtstag wurde Jacqueline Montanez in ein Gefängnis für Erwachsene verlegt. Dort war sie die jüngste Gefangene. Zu Beginn brachte man sie in einem Trakt für psychisch Kranke unter, wo sie fast drei Jahre blieb. Laut eines psychologischen Gutachtens habe sie immer wieder Rückblenden von den Verbrechen und solle zu ihrem eigenen Schutz in diesem Trakt bleiben. Man gewährte Jacqueline Montanez ein zweites Verfahren, das 1999 stattfand. Sie wurde erneut schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft ohne die Möglichkeit einer Bewährung verurteilt, welches in Illinois das zwingende Strafmaß für eine solche Straftat ist. In diesem Verfahren präsentierten ihre Rechtsbeistände keine Beweise für mildernde Umstände, da ihrer Ansicht nach "das Gesetz ganz klar lebenslang[e Haft] vorschreibt. Angesichts dessen haben wir keine mildernden Umstände, auf die wir uns berufen." Jacqueline Montanez befindet sich nun schon ihr halbes Leben lang im Gefängnis.

Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), den die USA 1992 ratifiziert haben, erkennt ausdrücklich die Notwendigkeit an, Jugendlichen bei der Strafverfolgung eine Sonderstellung einzuräumen, und misst ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft besondere Bedeutung bei. In Artikel 14(4) des IPBPR heißt es dementsprechend: "Gegen Jugendliche ist das Verfahren in einer Weise zu führen, die ihrem Alter entspricht und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft fördert". Der UN-Menschenrechtsausschuss, der die Einhaltung des IPBPR überwacht, hat die USA im Jahr 2006 darauf hingewiesen, dass die Verurteilung von Jugendlichen zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne Bewährung den Grundsätzen des Paktes widerspricht. Dementsprechend rief der Menschenrechtsausschuss die USA auf, sicherzustellen, dass Jugendliche zu keiner derartigen Strafe verurteilt werden. Die 194 Staaten, die das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes ratifiziert haben, sind zur Einhaltung des in Artikel 37(a) festgeschriebenen Grundsatzes verpflichtet, in dem es heißt: "Für Straftaten, die von Personen vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs begangen worden sind, darf weder die Todesstrafe noch lebens-lange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit vorzeitiger Entlassung verhängt werden". Nur Somalia, Südsudan und die USA haben das Übereinkommen über die Rechte des Kindes bisher nicht ratifiziert. Allerdings haben die USA die Konvention unterzeichnet und sind somit völkerrechtlich dazu verpflichtet, Ziel und Zweck des Vertragswerks in keiner Weise zu gefährden. Mit Artikel 37(b) werden die Vertragsstaaten zudem aufgefordert, Freiheitsstrafen bei Kindern nur "als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit" anzuwenden.

Weiter auf Englisch:
On 25 June 2012, the US Supreme Court outlawed mandatory life imprisonment without the possibility of parole for offenders who were under 18 years old at the time of the crime in its Miller v. Alabama ruling. States have responded inconsistently ways to the 2012 US Supreme Court decision. The Illinois Supreme Court has ruled that the ban on mandatory life without parole sentences for juveniles should be applied retroactively to trigger resentencing for those juvenile offenders issued these sentences prior to the Miller v. Alabama ruling. On 12 December 2014, the US Supreme Court announced it would hear the Toca v. Louisisana case regarding the issue of retroactivity in juvenile life without parole sentences. While the banning of mandatory life without parole sentences in 2012 was welcome, and despite the Court commenting that "we think appropriate occasions for sentencing juveniles to this harshest possible penalty will be uncommon", life without parole remains a sentencing option for juveniles in many jurisdictions across the USA.