Aktivist wegen konstruierter Anklagen verurteilt

Zwei Hände umfassen die Gitterstäbe einer Gefängniszelle.

Der zivilgesellschaftlich engagierte Aktivist Ruslan Kutaev ist in einem unfairen Verfahren zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Der gewaltlose politische Gefangene soll unter Folter dazu gezwungen worden sein, den Besitz von illegalen Drogen zuzugeben.

Appell an

GENERALSTAATSANWALT
Yuriy Yakovlevich Chaika
Prosecutor General’s Office
15a Bolshaya Dmitrovka Street
125993 Moscow, RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Prosecutor General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 7) 495 692 17 25 oder (00 7) 495 987 5841

LEITER DER ERMITTLUNGSBEHÖRDE
Aleksandr Ivanovich Bastrykin
Investigative Committee of the Russian Federation
2, Tekhnicheskii pereulok
105005 Moscow, RUSSISCHE FÖDERATION
(Anrede: Dear Chairman / Sehr geehrter Herr Vorsitzender)
Fax: (00 7) 499 265 90 77 oder (00 7) 499 265 97 75

KOPIEN AN
PRÄSIDENT DER REPUBLIK TSCHETSCHENIEN
Ramzan Akhmadovich Kadyrov
10, Garazhnaia Street
364000 Grozny
REPUBLIK TSCHETSCHENIEN
Fax: (00 7) 8712 2230 85
(bitte sagen Sie "Fax" oder "Preemeeti Fax")

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65
10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. August 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie Ruslan Kutaev sofort und bedingungslos frei.

  • Leiten Sie bitte zudem unverzüglich eine unparteiische und wirksame Untersuchung der Vorwürfe ein, dass die Beweise gegen Ruslan Kutaev konstruiert wurden und er gefoltert oder anderweitig misshandelt wurde.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to release Ruslan Kutaev immediately and unconditionally.

  • Demand that they conduct an immediate, impartial and effective investigation into the allegations of torture and other ill-treatment, and the alleged fabrication of evidence against him.

Sachlage

Am 7. Juli 2014 ist Ruslan Kutaev zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Zudem darf er ein weiteres Jahr nicht an öffentlichen Versammlungen und Veranstaltungen teilnehmen. Es wird angenommen, dass die gegen ihn erhobenen Anklagen konstruiert wurden, um ihn so für sein zivilgesellschaftliches Engagement zu bestrafen. Ruslan Kutaevs Verurteilung folgte einem unfairen Verfahren. Die von ihm erhobenen Foltervorwürfe sind bisher nicht untersucht worden.

Ruslan Kutaev wurde am 20. Februar 2014 in Gekhi in der Republik Tschetschenien festgenommen, weil man ihm den Besitz von Heroin vorwarf. Zwei Tage vor seiner Festnahme hatte er an einer von ihm mitorganisierten Konferenz zum Gedenken an die Deportationen der Tschetschenen aus dem Kaukasus unter Stalin 1944 teilgenommen. Die Konferenzteilnehmer_innen wurden am folgenden Tag vom tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrow vorgeladen und verwarnt. Ruslan Kutaev hat noch nie Drogen genommen, zudem wird gegen Polizeikräfte in der Russischen Föderation häufig der Vorwurf erhoben, Personen Drogen unterzuschieben, um deren Festnahme und Strafverfolgung zu rechtfertigen.

Bevor man ihn auf eine Polizeiwache brachte, wurde Ruslan Kutaev laut seinem Rechtsbeistand in einem Gebäude der Präsidialverwaltung im Zentrum der tschetschenischen Hauptstadt Grozny gefoltert, um ihn so zu der Abgabe eines Geständnisses zu zwingen. Außerdem drohte man ihm damit, seiner Familie etwas anzutun, sollte er nicht gestehen. Ruslan Kutaev hat schwere Blutergüsse und eine gebrochene Rippe erlitten, wie ein medizinischer Bericht, Videoaufnahmen von ihm in Haft, sowie Aussagen seines Rechtsbeistandes und des Mitglieds einer Menschenrechtsorganisation, die ihn in Haft besucht haben, belegen. Obwohl Anzeige wegen des Einsatzes von Folter zum Erzwingen seines Geständnisses erstattet wurde, sind die von Ruslan Kutaev erhobenen Vorwürfe bisher nicht untersucht worden. Sein Verfahren war außerdem von zahlreichen Unstimmigkeiten geprägt, so gab es widersprüchliche Aussagen von Zeug_innen der Staatsanwaltschaft, und Beweismittel der Verteidigung wurden nicht beachtet. Der Rechtsbeistand von Ruslan Kutaev hat bestätigt, dass Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden sollen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ruslan Kutaev ist ein prominenter zivilgesellschaftlich engagierter Aktivist aus der Republik Tschetschenien, die im Nordkaukasus liegt und Teil der Russischen Föderation ist.

Beginnend mit dem 23. Februar 1944 wurde innerhalb weniger Tage die gesamte ethnische tschetschenische Bevölkerung aus dem Kaukasus nach Zentralasien oder in andere abgelegene Gegenden der damaligen Sowjetunion deportiert. Damit sollten die Menschen für ihre mutmaßliche Unterstützung der deutschen Besatzungstruppen während des Zweiten Weltkriegs bestraft werden. Viele andere ethnische Gruppen aus dem Kaukasus und anderen Gegenden ereilte dasselbe Schicksal. Unzählige Menschen sind auf diese Weise ums Leben gekommen. Die Vertriebenen konnten erst nach Stalins Tod in ihre Heimat zurückkehren.

Der Präsident Tschetscheniens Ramzan Kadyrow soll angeordnet haben, dieses Jahr keine Gedenkveranstaltungen für die Opfer der Deportationen unter Stalin abzuhalten. In anderen Republiken des Nordkaukasus wie Dagestan und Inguschetien wurden die Gedenkveranstaltungen offenbar auf den 24. Februar verlegt oder von den Behörden gänzlich untersagt. Obwohl es keine offizielle Erklärung für dieses Vorgehen gab, gehen unabhängige Kommentatoren davon aus, dass so verhindert werden sollte, dass diese Veranstaltungen mit der offiziellen Abschlussfeier der Olympischen Winterspiele in Sotschi zusammenfielen.

Trotz der Warnungen hielten Ruslan Kutaev und andere AktivistInnen und Akademiker_innen am 18. Februar eine Konferenz mit dem Titel "Die Deportation des tschetschenischen Volkes. Was ist damals geschehen und können wir das vergessen?" ab. Tags darauf wurden alle Teilnehmer_innen der Konferenz von einem hochrangigen Staatsbediensteten zu einem Treffen mit Präsident Kadyrow beordert, bei dem Ramzan Kadyrow Mahnungen an die Betreffenden ausgesprochen haben soll. Ruslan Kutaev nahm als Einziger nicht an dem Treffen teil.

Am 20. Februar hatte Ruslan Kutaev den Leiter des Ausschusses gegen Folter, einer Menschenrechts-NGO, angerufen und gesagt, dass man ihn immer mehr unter Druck setze und er glaube, dass man ihn bald festnehmen werde. Nur zwei Stunden später wurde Ruslan Kutaev in Gekhi dann tatsächlich während einer angeblichen "Stichprobenüberprüfung" von etwa 20 bewaffneten Männern festgenommen. Unter ihnen sollen sich Sicherheitsbedienstete des Präsidenten Ramzan Kadyrow sowie Polizisten und Männer ohne identifizierende Kennzeichen befunden haben. Während der Gerichtsverhandlung machten die Beamten Berichten zufolge jedoch widersprüchliche Aussagen hinsichtlich der Umstände seiner Inhaftierung. Zudem soll ein Zeuge der Staatsanwaltschaft angegeben haben, dass Ruslan Kutaev nicht auf offener Straße, wie die Polizei behauptet hatte, sondern im Hinterhof seines Hauses festgenommen worden war.

Laut seinem Rechtsbeistand wurde Ruslan Kutaev nach seiner Festnahme in ein Gebäude der Präsidialverwaltung im Zentrum von Grozny gebracht, wo man ihn und in einen Keller eingesperrt habe. Er wurde gezwungen, seine Kleidung auszuziehen, und dann mit Schlägen und Elektroschocks traktiert. Außerdem soll man ihm gedroht haben, seiner Familie etwas anzutun, sollte er nicht gestehen. Ein Angehöriger des Ausschusses gegen Folter, eine NGO, besuchte Ruslan Kutaev am 24. Februar und dokumentierte seine schweren Prellungen. Amnesty International wurden zudem Videoaufnahmen gezeigt, in denen Ruslan Kutaev mit großen Blutergüssen und einer seltsam hervorstehenden Rippe zu sehen ist. Ruslan Kutaev sagte seinen Rechtsbeiständen, dass er an schweren Kopf- und Kieferschmerzen leide. In einem medizinischen Bericht vom 13. März heißt es, eine seiner Rippen sei verletzt. Laut seinem Rechtsbeistand erhielten Angehörige von Ruslan Kutaev auch nach seiner Festnahme weiterhin Drohungen.

Das tschetschenische Innenministerium hat als Grund für die Festnahme von Ruslan Kutaev den Verdacht auf illegalen Drogenbesitz angegeben. Einige Tage nach der Festnahme von Ruslan Kutaev soll jedoch der Präsident Tschetscheniens, Ramzan Kadyrow, im Fernsehen mitgeteilt haben, dass Ruslan Kutaev wegen seiner Beteiligung an einer nicht autorisierten Konferenz zum Gedenken an die Opfer der Deportationen aus dem Kaukasus unter Stalin festgenommen worden sei.