Foltergefahr

Ergebnis dieser Urgent Action

Der Tunesier Walid Romdhani wurde am 20. Januar freigelassen. Man hatte ihn am 18. Januar festgenommen und hielt ihn ohne Kontakt zur Außenwelt in der Abteilung für Staatssicherheit des Innenministeriums in Haft.

Walid Romdhani ist am 18. Januar festgenommen worden und wird seitdem ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten. Er befindet sich vermutlich in der Abteilung für Staatssicherheit in der tunesischen Hauptstadt Tunis. Ihm drohen Folter und andere Misshandlungen. Seine Verhaftung steht offenbar in Verbindung mit seinem Einsatz für seinen Bruder, der von tunesischen Sicherheitskräften inhaftiert, gefoltert und misshandelt wurde.

Appell an

INNENMINISTER
Rafik Belhaj Kacem
Ministry of Interior
Avenue Habib Bourguiba
1000 Tunis
TUNESIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 216) 71 340 888

MINISTER FÜR JUSTIZ UND MENSCHENRECHTE
Lazhar Bououni
Ministry of Justice and Human Rights
31 Boulevard Bab Benat
1006 Tunis - La Kasbah
TUNESIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 216) 568 106

Sende eine Kopie an

MENSCHENRECHTSBEAUFTRAGTER IM JUSTIZMINISTERIUM
Ridha Khemakhem
General Coordinator for Human Rights
Ministry of Justice and Human Rights
31 Boulevard Bab Benat
1006 Tunis - La Kasbah
TUNESIEN

BOTSCHAFT DER TUNESISCHEN REPUBLIK
Lindenallee 16
14050 Berlin
Fax: 030-3082 0683

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. März 2010 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE

  • Drücken Sie Ihre Besorgnis darüber aus, dass Walid Romdhani ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten wird.

  • Dringen Sie bei den Behörden darauf, den Aufenthaltsort von Walid Romdhani umgehend mitzuteilen und sicherzustellen, dass er Zugang zu seiner Familie, einer anwaltlichen Vertretung seiner Wahl und eventuell notwendiger medizinischer Versorgung hat.

  • Fordern Sie die Behörden auf, sicherzustellen, dass Walid Romdhani weder gefoltert noch in anderer Weise misshandelt wird.

  • Fordern Sie außerdem seine sofortige Freilassung, wenn er nicht umgehend einer als Straftat erkennbaren Handlung angeklagt und unter Achtung der internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vor Gericht gestellt wird.

  • Bestehen Sie darauf, dass Walid Romdhani die konfiszierten Gegenstände von den tunesischen Behörden zurückerhält.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Expressing concern that Walid Romdhani is being held incommunicado;

  • Urging the Tunisian authorities to immediately disclose his whereabouts and ensure that he has access to his family, a lawyer of his own choosing and any medical care he might require;

  • Calling on them to ensure that he is not tortured or otherwise ill-treated;

  • Urging them to release Walid Romdhani, unless he is promptly charged with a recognizably criminal offence and brought to trial in proceedings that meet international standards for fair trial;

  • Calling on the Tunisian authorities to return confiscated items belonging to Walid Romdhani.

Sachlage

Am 18. Januar 2010 nahmen acht Angehörige der Abteilung für Staatssicherheit Walid Romdhani um 23 Uhr in seinem Haus in der Stadt El Mourouj in der Nähe von Tunis fest. Die anwesenden Familienangehörigen berichteten, dass ihnen kein Haftbefehl vorgelegt wurde. Sechs der Staatssicherheitskräfte durchsuchten alle Zimmer und konfiszierten Unterlagen, CDs und einen Computer.

Walid Romdhani wird seither in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gehalten und seine Familienangehörigen wurden bislang nicht über seinen Aufenthaltsort unterrichtet. Wahrscheinlich befindet er sich in der Zentrale des Staatssicherheitsdienstes im Innenministerium in Tunis. Amnesty International hat bereits über zahlreiche Fälle von Folter und anderen Misshandlungen von Gefangenen im Gewahrsam des Staatssicherheitsdienstes berichtet.

Man vermutet, dass Walid Romdhanis Festnahme mit seinen Anstrengungen zusammenhängt, die Folter und Misshandlungen seines bereits inhaftierten Bruders Ramzi Romdhani an die Öffentlichkeit zu bringen (UA-130/2009). Am Tag seiner Festnahme hatte Walid Romdhani mit dem Anwalt seines Bruders gesprochen. Er wollte Beschwerde einreichen, da sein Bruder offenbar am 24. und 25. Dezember 2009 in Haft gefoltert worden war. Seit Ramzi Romdhani seinem Bruder Walid Romdhani im April 2009 das erste Mal berichtete, dass er gefoltert und misshandelt worden sei, steht Walid Romdhani in Kontakt mit Menschrechtsverteidigern und tunesischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen, darunter auch Amnesty International.

Walid Romdhani sagt, dass Angehörige des Staatssicherheitsdienstes ihm bereits zuvor gedroht hätten, dafür zu sorgen, dass er seinen Job verliere. Außerdem sollen sie ihm damit gedroht haben, ihn auf Grundlage konstruierter Anklagen strafrechtlich zu verfolgen und zu inhaftieren. Walid Romdhani sollte dadurch davon abgehalten werden, Menschenrechtsorganisationen von den Folter- und Misshandlungsvorwürfen seines Bruders zu berichten und Beschwerde einzureichen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im April 2009 teilte Ramzi Romdhani seinem Bruder mit, dass er von Gefängnisangestellten im Mornaguia-Gefängnis in der Nähe von Tunis gefoltert und anderweitig misshandelt worden sei. Er sitzt dort eine 29-jährige Haftstrafe ab, zu der er unter dem Antiterrorgesetz von 2003 verurteilt wurde. Als ihn sein Bruder Walid Romdhani am 23. April besuchte, berichtete Ramzi Romdhani ihm, dass Gefängniswärter ihn mit Stöcken geschlagen, mit Militärstiefeln getreten, mit Zigaretten an mehreren Körperstellen verbrannt und seinen Kopf mehrmals in einen Wassereimer getaucht hatten, so dass er befürchtete, zu ertrinken. Schließlich habe er das Bewusstsein verloren. Er sagte, dass man ihn anschließend in das Gefängniskrankenhaus brachte, wo er zwei Tage lang an ein Beatmungsgerät angeschlossen war und medizinische Versorgung für seine Verletzungen erhielt. Sein Bruder konnte sehen, dass Ramzi Romdhani Prellungen hatte und dass ihm anscheinend mehrere Zähne ausgeschlagen worden waren.

Im August 2009 wurde Ramzi Romdhani erneut vom Wachpersonal des Gefängnisses geschlagen und anschließend zum Staatssicherheitsdienst gebracht, wo man ihn Berichten zufolge unter anderem mit Elektroschocks folterte und ihn einer Scheinhinrichtung durch Erhängen unterzog. Im Dezember 2009 sollen Angehörige des Staatssicherheitsdienstes ihn geschlagen, ihm Verbrennungen an Fingern und Fingernägeln zugefügt und seinen Kopf rund 30 Minuten lang immer wieder in heißes Wasser gedrückt haben. Außerdem fügte man ihm durch Schläge schwere Verletzungen an den Augen zu.

Amnesty International hat schon über zahlreiche Häftlinge berichtet, die ohne Anklage von der dem Innenministerium unterstellten Abteilung für Staatssicherheit in andauernder Haft ohne Kontakt zur Außenwelt gehalten werden. Ihre Haft wird häufig um Wochen oder Monate verlängert, ohne dass in dieser Zeit eine Bestätigung ihrer Festnahme erfolgt oder Informationen über das Schicksal und den Aufenthaltsort der Häftlinge bekannt gegeben werden. Dadurch haben die Betroffenen keine Möglichkeit auf Schutz durch das Rechtssystem oder die Justiz und sind als Opfer des "Verschwindenlassens" anzusehen.

Amnesty International liegen zahlreiche Berichte über Folterungen und Misshandlungen durch die tunesischen Sicherheitskräfte vor. Entsprechende Vorwürfe werden so gut wie nie untersucht und kaum einer der mutmaßlichen Täter vor Gericht gestellt. In größter Foltergefahr befinden sich Gefangene, die ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft gehalten werden. Zu den häufigsten Foltermethoden zählen Schläge, vor allem auf die Fußsohlen, aber auch andere Körperteile, das Aufhängen an den Handgelenken oder in schmerzhaften Positionen sowie Elektroschocks und Verbrennungen mit Zigaretten. Weitere Meldungen sprechen von Scheinhinrichtungen, sexuellem Missbrauch wie etwa der Vergewaltigung mit Flaschen oder Stöcken und der Androhung von sexueller Gewalt gegen weibliche Familienangehörige.

Tunesische und internationale Menschenrechtsorganisationen sowie die UN haben das tunesische Antiterrorgesetz wiederholt wegen seiner vagen und unspezifischen Formulierungen kritisiert, da sie zur Unterdrückung politisch Andersdenkender missbraucht werden können. Bedenken dieser Art hat beispielsweise der UN-Menschenrechtsausschuss im März 2008 in den schlussfolgernden Beobachtungen zu Tunesien deutlich zum Ausdruck gebracht.