Drohende Hinrichtung

Für eine Welt ohne Todesstrafe

Für eine Welt ohne Todesstrafe

Im Iran ist der jugendliche Straftäter Amir Amrollahi in einem Wiederaufnahmeverfahren und nach zehn Jahren Haft zum zweiten Mal zum Tode verurteilt worden. Das Gericht wies ein offizielles gerichtsmedizinisches Gutachten zurück, nach dem Amir Amrollahi zum Tatzeitpunkt im November 2005 im Alter von 16 Jahren noch nicht die hinreichende "geistige Reife und Entwicklung" gehabt haben soll.

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Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 13. April 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Sachlage

Der jugendliche Straftäter Amir Amrollahi, der inzwischen 26 Jahre alt ist, war im August 2007 zum ersten Mal zum Tode verurteilt worden. Seine Verurteilung stand im Zusammenhang mit einem Streit mit einem anderen Jungen, bei dem dieser tödlich mit einem Messer verletzt wurde. Im November 2015 wurde er von der Abteilung 1 des Strafgerichts der Provinz Fars erneut zum Tode verurteilt. Dem Gericht lag die Expertenmeinung einer offiziellen gerichtsmedizinischen Kommission vor, zu denen zwei allgemeine Psychiater und ein Kinder- und Jugendpsychiater gehörten. Die Experten kamen zu dem Schluss, dass Amir Amrollahi zum Zeitpunkt der Tat nicht die nötige geistige Reife hatte. Das Gericht entschied jedoch, dass diese Meinung "unvereinbar" mit Aussagen sei, die Amir Amrollahi in der Haft gemacht habe. Dem Gericht zufolge zeigten Aussagen wie "Ich stieß das Messer tief in die Brust des Opfers…", dass sich Amir Amrollahi zum Zeitpunkt, als er dem Jungen die Stichwunden zufügte, in einem gesunden geistigen und emotionalen Zustand befand und sich über die Empfindlichkeit der angezielten Körpergegend bewusst war.

Amir Amrollahi war im November 2005 zum ersten Mal festgenommen und bis August 2007 in Untersuchungshaft gehalten worden. Die Abteilung 5 des Strafgerichts der Provinz Fars verurteilte ihn damals wegen Mordes zum Tode. Im Oktober 2007 bestätigte die Abteilung 27 des Obersten Gerichtshofes das Urteil und sein Fall wurde 2008 an die Vollstreckungsbehörde übergeben. In den folgenden sieben Jahren befand er sich im Todestrakt. Nachdem im Mai 2013 neue Leitlinien für strafrechtliche Sanktionen bei Minderjährigen in das Islamische Strafgesetzbuch aufgenommen worden waren, stellte Amir Amrollahi einen Antrag auf ein Wiederaufnahmeverfahren. Paragraf 91 des Islamischen Strafgesetzbuches zufolge kann das Gericht die Todesstrafe nach eigenem Ermessen in eine andere Strafe umwandeln, falls es zu der Ansicht gelangt, dass jugendliche Straftäter_innen die Art ihrer Straftat oder deren Folgen nicht begreifen, oder wenn Zweifel an ihrer "geistigen Reife und ihrem Entwicklungsstand" zum Zeitpunkt der Tat bestehen. Im Januar 2015 gab der Oberste Gerichtshof dem Antrag statt und übergab den Fall zurück an das Gericht erster Instanz, welches Amir Amrollahi nun erneut zum Tode verurteilt hat.

[SCHREIBEN SIE BITTE ]

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte stellen Sie sicher, dass Amir Amrollahi nicht hingerichtet und das Todesurteil gegen ihn sofort in eine Haftstrafe umgewandelt wird.

  • Richten Sie keine Personen hin, die zum Zeitpunkt der ihnen zur Last gelegten Straftat unter 18 Jahren waren.

  • Stellen Sie bitte unbedingt sicher, dass gesetzliche Maßnahmen ergriffen werden, um die Verhängung der Todesstrafe gegen Personen zu verbieten, die zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt jünger als 18 Jahre waren, und dass den Gerichten in dieser Hinsicht keinerlei Ermessensspielraum eingeräumt wird. Nur so wird der Iran seinen Verpflichtungen unter dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes gerecht.

[APPELLE AN]

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Hintergrundinformation

Hintergrund

Nach Amnesty International vorliegenden Informationen konnte sich die Familie von Amir Amrollahi zum Zeitpunkt des ersten Verfahrens im Jahr 2007 keinen adäquaten Rechtsbeistand leisten. Einem Anwalt zufolge, der den Fall später übernahm, berücksichtigte das Gericht nicht ausreichend die geistige Verfassung, in der sich Amir Amrollahi zum Tatzeitpunkt befand, und dass man ihm starke Beruhigungsmittel verabreichte, während er im Gefängnis auf sein Verfahren wartete.

Die Hinrichtung von Straftäter_innen, die zum Tatzeitpunkt jünger als 18 Jahre alt waren, ist nach internationalen Menschenrechtsnormen und -standards verboten. Als Vertragsstaat des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention) muss der Iran dafür sorgen, dass die Definition eines Kindes als Person unter 18 Jahren in der gesamten Gesetzgebung verankert ist. Laut der Kinderrechtskonvention liegt das Standardalter zur Erreichung der Strafmündigkeit als Erwachsener bei Jungen wie Mädchen bei 18 Jahren. Es besteht ein Unterschied zum Mindestalter für Strafmündigkeit, dem Alter, unter dem Kinder nicht festgenommen und einer Straftat angeklagt werden dürfen. Das Mindestalter für die Strafmündigkeit ist von Land zu Land unterschiedlich. Laut UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes ist ein Strafmündigkeitsalter unter zwölf Jahren jedoch nicht akzeptabel. Personen, die gegen das Gesetz verstoßen haben und das Mindestalter für Strafmündigkeit erreicht haben, aber noch unter 18 Jahre alt sind, können strafrechtlich verfolgt, vor Gericht gestellt und bestraft werden. Allerdings dürfen sie nicht mit der Todesstrafe oder einer lebenslangen Haftstrafe ohne die Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung belegt werden.

Im Iran liegt das Alter für die Strafmündigkeit als Erwachsener bei Mädchen bei neun Mondjahren und bei Jungen bei 15 Mondjahren. Von diesem Alter an werden Kinder bei hudud-Vergehen (Vergehen gegen den Willen Gottes, die nach dem islamischen Recht der Scharia bestimmten Strafen unterliegen) und qesas-Taten (Vergeltung in Verbindung mit einer Straftat) im Allgemeinen genau wie Erwachsene behandelt und bestraft. Seit der Einführung des überarbeiteten Islamischen Strafgesetzbuchs von 2013 ist es jedoch dem Ermessen des Gerichts überlassen, bei minderjährigen Straftäter_innen auf die Todesstrafe zu verzichten, falls es zu der Ansicht gelangt, dass diese die Art ihrer Straftat oder deren Folgen nicht begreifen oder Zweifel an ihrer "geistigen Reife und ihrem Entwicklungsstand" zum Zeitpunkt der Tat bestehen.

Die Kriterien für die Beurteilung von "geistiger Reife und Entwicklungsstand" sind unklar und willkürlich. Richter_innen können die Expertenmeinung der Iranischen Rechtsmedizinischen Organisation einholen (eine staatliche gerichtsmedizinische Institution, die dem Gerichtswesen untergeordnet ist) oder sich auf ihre eigene Einschätzung verlassen, selbst wenn es ihnen an ausreichendem Wissen und Expertise im Bereich der Kinder- und Jugendpsychologie mangelt. Neben dem Fall von Amir Amrollahi hat Amnesty International weitere Fälle von zur Tatzeit jugendlichen Straftätern dokumentiert, darunter Hamid Ahmadi, Milad Azimi und Siavash Mahmoudi, in denen Richter_innen fälschlicherweise die verringerte Schuldfähigkeit von Jugendlichen aufgrund ihrer fehlenden Reife mit der verringerten Verantwortlichkeit von Personen mit geistigen Behinderungen oder Erkrankungen gleichstellten. In der Folge kamen sie oftmals zu dem Schluss, dass der jugendliche Straftäter oder die jugendliche Straftäterin nicht "geisteskrank" sei und deswegen die Todesstrafe verdiene.

Im Januar 2016 überprüfte der UN-Ausschuss über die Rechte des Kindes die Umsetzung der Kinderrechtskonvention durch den Iran. In seinen Abschlussbemerkungen äußerte der Ausschuss "große Bedenken" angesichts der Tatsache, dass der Erlass der Todesstrafe für minderjährige Straftäter_innen "im absoluten Ermessen von Richter_innen liegt, die die Möglichkeit, aber keine Verpflichtung zur Einholung eines forensischen Gutachtens haben, und mehrere Personen nach entsprechenden Wiederaufnahmeverfahren erneut zum Tode verurteilt wurden". Neben Amir Amrollahi sind Amnesty International mindestens sieben weitere jugendliche Straftäter_innen bekannt – Salar Shadizadi, Hamid Ahmadi, Sajad Sanjari, Siavash Mahmoudi, Himan Uraminejad, Amanj Veisee und Fatemeh Salbehi –, in deren Wiederaufnahmeverfahren eine ausreichende "geistige Reife" zum Zeitpunkt der Tat konstatiert und das Todesurteil erneuert wurde. Fatemeh Salbehi, die zum Zeitpunkt der ihr vorgeworfenen Tat 17 Jahre alt war, wurde im Oktober 2015 hingerichtet.

Amnesty International hat zwischen 2005 und 2015 mindestens 73 Hinrichtungen jugendlicher Straftäter_innen dokumentiert. Den Vereinten Nationen zufolge befinden sich derzeit mindestens 160 zur Tatzeit minderjährige Straftäter_innen im Iran im Todestrakt. Weitere Informationen finden Sie im englischsprachigen Bericht Growing up on death row: The death penalty and juvenile offenders in Iran, https://www.amnesty.org/en/documents/mde13/3112/2016/en/.