Foltergefahr

Die äthiopischen Behörden haben anhaltende Proteste, die seit November 2015 in der Region Oromia stattfanden, brutal niedergeschlagen und mehrere friedliche Demonstrierende, Journalist_innen und Oppositionsführer_innen willkürlich festgenommen. Den Inhaftierten drohen Folter und anderweitige Misshandlungen. Sie müssen sofort und bedingungslos freigelassen werden.

Appell an

MINISTERPRÄSIDENT
Hailemariam Desalegn
FDRE Prime Minister
Addis Ababa, ÄTHIOPIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 251) 11 112 6292

MINISTER FÜR BUNDESANGELEGENHEITEN
Amb. Kassa Teklebirhan
FDRE Ministry of Federal Affairs
Addis Ababa, ÄTHIOPIEN
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 251) 11 551 1200 oder
(00 251) 11 551 3926

Sende eine Kopie an

JUSTIZMINISTER
Getachew Ambaye
FDRE Ministry of Justice
Addis Ababa, ÄTHIOPIEN
Fax: (00 251) 11 551 7755
E-Mail: justabr@ethionet.et

BOTSCHAFT DER DEMOKRATISCHEN BUNDESREPUBLIK ÄTHIOPIEN
S.E. Herrn Kuma Demeksa Tokon
Boothstraße 20 a, 12207 Berlin
Fax: 030-772 0624
E-Mail: Emb.ethiopia@t-online.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Amharisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 17. Februar 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, Diribie Erga und die friedlichen Demonstrierenden, Journalist_innen und Oppositionsführer_innen, die im Rahmen der Niederschlagung der Proteste in Oromia festgenommen wurden, sofort und bedingungslos freizulassen und sicherzustellen, dass sie bis zu ihrer Freilassung vor Folter und anderweitiger Misshandlung geschützt sind.

  • Ich bitte Sie inständig, in Übereinstimmung mit den UN-Grundprinzipien für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schusswaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen umgehend den Einsatz unverhältnismäßiger Gewalt gegen Demonstrierende einzustellen.

  • Bitte führen Sie eine umfassende, unabhängige und unparteiliche Untersuchung zu den Menschenrechtsverletzungen durch, die im Zusammenhang mit den Protesten in Oromia begangen wurden, und stellen Sie den Überlebenden wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Ethiopian authorities to immediately and unconditionally release Diribie Erga and the peaceful protesters, journalists and opposition party leaders arrested in the recent crackdown against Oromia protesters, and to ensure that they are not subjected to torture or other ill-treatment.

  • Calling on them to immediately cease the use of excessive force against protesters in accordance to the UN Basic Principles on the Use of Force and Firearms by Law Enforcement Officials.

  • Urging them to conduct a thorough, independent and impartial investigation into human rights violations committed in the context of the Oromia protests and provide effective remedies for the victims.

Sachlage

Am 18. Dezember gegen 14 Uhr durchsuchten Sicherheitskräfte und Angehörige der Bundespolizei in Zivil das Haus von Diribie Erga und nahmen die 60-Jährige anschließend fest. Diribie Erga gehörte von 2005 bis 2010 als Abgeordnete des Bezirks Jeldu dem Parlament Äthiopiens an. Sie hat 2010 ihr führendes Amt bei der Oppositionspartei Oromo Federalist Congress (OFC) niedergelegt.

Es wurden weder ein Durchsuchungs- noch ein Haftbefehl vorgelegt. Derzeit wird Diribie Erga im Maekelawi-Gefängnis, dem zentralen Untersuchungsgefängnis der äthiopischen Polizei in Addis Abeba, festgehalten und hat keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand oder ihrer Familie. Ihre Festnahme ist bisher noch nicht von dem zuständigen Gericht überprüft worden. Familienmitgliedern wurde verweigert, Diribie Erga Medikamente und Nahrungsmittel zu bringen, die sie in ihrer jetzigen Situation benötigt.

Dies ist nicht das erste Mal, dass Diribie Erga von äthiopischen Sicherheitskräften und der Polizei willkürlich festgenommen wird. 2004, als sie mit der OFC für das äthiopische Parlament kandidierte, nahm man sie in Ambo Town fest. Dabei wurde sie geschlagen und erlitt Verletzungen.

Die jüngste Festnahme von Diribie Erga steht in Zusammenhang mit der anhaltenden Niederschlagung der Proteste, die im November 2015 in der Region Oromia begonnen hatten. Grund für die Demonstrationen ist ein "integrierter Masterplan" der Regierung, die Hauptstadt Addis Abeba auf das Territorium der Region Oromia zu erweitern. Am 15. Dezember 2015 bezeichnete die äthiopische Regierung die Demonstrierenden als "Terroristinnen und Terroristen" und verschärfte das Vorgehen gegen die Proteste. In der Folge kam es zu Todesfällen, Verletzungen und Massenfestnahmen von Demonstrierenden, Oppositionsführer_innen und Journalist_innen. Bekele Gerba (stellvertretender Vorsitzender der OFC), Getachew Shiferaw (Chefredakteur der Online-Zeitung Negere Ethiopia), Yonathan Teressa (Online-Aktivist) und Fikadu Mirkana (Radio und TV Oromia) sind nur einige der zahlreichen Personen, die in Zusammenhang mit den aktuellen Protesten festgenommen wurden.

Amnesty International betrachtet Diribie Erga, Bekele Gerba, Getachew Shiferaw, Yonathan Teressa und Fikadu Mirkana als gewaltlose politische Gefangene, die sich nur deshalb in Haft befinden, weil sie friedlich ihr Recht auf Versammlungsfreiheit wahrgenommen haben. Sie befinden sich in Gefahr, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Am 12. November 2015 begannen friedliche Proteste in der Stadt Ginchi, die 81 Kilometer südwestlich von Addis Abeba in der Region Oromia liegt. Grund für die Proteste war, dass die Regierung das Eigentum an einem zu einer Schule gehörenden Spielplatz und einem Stadion an private Investoren übertragen hatte. Zudem war der Naturwald Chilimo gerodet worden, ebenfalls um Platz für Investoren zu schaffen. Unter den Demonstrierenden befanden sich anfänglich hauptsächlich Studierende und Schüler_innen. Später schlossen sich ihnen weitere Bürger_innen der Stadt und Bauern an. Sie befürchten, dass der "integrierte Masterplan" für Addis Abeba nicht nur der Verfassung Äthiopiens zuwider läuft, sondern auch gegen die kulturellen und individuellen Rechte der ethnischen Gruppe der Oromo und insbesondere derjenigen, die in der Nähe der Hauptstadt wohnen, verstößt. Zudem befürchten sie, dass der Entwicklungsplan ohne angemessene Konsultation und unter Nichtbeachtung der weiteren in der Verfassung des Landes festgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt wird und in der Folge bäuerliche Gemeinschaften der Oromo von ihrem Land in der näheren Umgebung Addis Abebas vertrieben werden.

Reguläre und Sondereinheiten der Polizei von Oromia, die Bundespolizei und später auch das Militär sind mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen friedliche Demonstrierende vorgegangen. Nachdem Gazahany Oliiqaa, ein Student der Haromaya-Universität, am 1. Dezember 2015 von Angehörigen der Bundespolizei getötet wurde, kam es zu Gewaltausschreitungen. Seitdem steigt die Zahl der Toten und Verletzten im Zusammenhang mit den Protesten fast täglich. Die unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt gegen die Protestierenden hat bereits zum Tod Hunderter Menschen geführt, Tausende wurden verletzt. Unter den Todesopfern befinden sich auch Kinder im Alter von zwölf Jahren. Zahlreiche Berichte sprechen zudem davon, dass Hunderte Menschen durch Schüsse mit scharfer Munition und Schläge von den Sicherheitskräften und dem Militär verwundet worden sind. Während und nach den Protesten kam es zu Massenfestnahmen.

Am 15. Dezember erklärte die äthiopische Regierung die mehrheitlich friedlich Protestierenden zu "Terroristinnen und Terroristen". Amnesty International ist der Ansicht, dass dies zu einer Verschärfung des Vorgehens der Regierung gegen die Protestierenden, Oppositionsführer_innen und Journalist_innen geführt und einen Anstieg der Todesopfer, Verletzungen, Massenfestnahmen und Fälle von Verschwindenlassen zur Folge hatte. Gemäß dem Antiterrorgesetz 652/2009 ist es erlaubt, Personen vier Monate lang in Untersuchungshaft festzuhalten. Amnesty International hat in der Vergangenheit den weitverbreiteten Gebrauch von Folter und anderweitiger Misshandlungen während dieser langanhaltenden Untersuchungshaft gegen Oromo nach Demonstrationen dokumentiert. Zudem hat die Organisation ähnliche Angriffe gegen friedliche Demonstrierende dokumentiert. Weitere Informationen finden Sie in dem englischsprachigen Bericht "Because I am Oromo": Sweeping Repression in the Oromia Region of Ethiopia vom 28. Oktober 2014, online unter: https://www.amnesty.org/En/documents/Afr25/006/2014/En/. Darüber hinaus hat Amnesty International am 16. Dezember 2015 eine englischsprachige Pressemitteilung zur Anwendung des Antiterrorgesetzes im Zusammenhang mit den aktuellen Protesten herausgegeben. Diese finden Sie online unter: https://www.amnesty.org/en/latest/news/2015/12/ethiopia-anti-terror-rhetoric-will-escalate-brutal-crackdown-against-oromo-protesters/.