USA: Drohende Hinrichtung nach 32 Jahren im Todestrakt

Diese Urgent Action ist beendet.

Donald Dillbeck ist am 23. Februar im US-Bundesstaat Florida hingerichtet worden. Er war 1991 zum Tode verurteilt worden, nachdem nur acht von zwölf Geschworenen für ein Todesurteil gestimmt hatten. Die damalige Verurteilung beruhte auf einem Gesetz, das inzwischen für verfassungswidrig erklärt wurde. Alle Rechtsmittel wurden vor Gericht abgewiesen und der Gouverneur von Florida, der den Hinrichtungsbefehl unterzeichnet hatte, griff nicht ein, um die Exekution zu stoppen.

Porträtfoto von Donald Dillbeck, dessen Kopf kahlrasiert ist und der eine Brille und Gefängniskleidung trägt.

Wurde 1991 im US-Bundesstaat Florida zum Tode verurteilt: Donald Dillbeck (Archivaufnahme).

Donald Dillbeck soll am 23. Februar 2023 in Florida hingerichtet werden. Der heute 60-Jährige wurde 1991 zum Tode verurteilt, nachdem nur acht Geschworene für ein Todesurteil gestimmt hatten. Die damalige Verurteilung beruht auf einem Gesetz, das inzwischen für verfassungswidrig erklärt wurde. Seine Rechtsbeistände setzen sich außerdem für die Anerkennung seiner geistigen Behinderung als strafmildernden Umstand ein. Dies würde verfassungsrechtlich eine Hinrichtung ausschließen.

Appell an

Office of Governor Ron DeSantis

State of Florida


The Capitol

400 S. Monroe St.

Tallahassee, FL 32399-0001

USA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika

I.E. Frau Amy Gutmann

Clayallee 170

14195 Berlin


Fax: 030 – 8305 10 50

E-Mail: feedback@usembassy.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, Donald Dillbeck eine Begnadigung zu gewähren und sich für die Umwandlung seines Todesurteils einzusetzen.

Sachlage

Am 26. Februar 1991 wurde Donald Dillbeck von den Geschworenen eines Gerichts in Florida für den Mord an einer Frau schuldig befunden, die am 24. Juni 1990 vor einem Einkaufszentrum in Tallahassee erstochen worden war. Donald Dillbeck war kurz nach der Tat festgenommen worden. Damals verbüßte er bereits eine lebenslange Haftstrafe für einen Mord aus dem Jahr 1979, war aber während Arbeiten außerhalb des Gefängnisses entkommen.

Nach dem Schuldspruch der Geschworenen wurde Donald Dillbeck am 15. März 1991 für diese Tat vom Gericht zum Tode verurteilt. Acht von zwölf Geschworenen hatten für die Todesstrafe gestimmt. Diese Art der Verurteilung wurde 2016 vom Obersten Gerichtshof der USA für verfassungswidrig erklärt. Angeklagte dürfen seither nur zum Tode verurteilt werden, wenn die Geschworenen einstimmig dafür stimmen. Donald Dillbeck wurde jedoch vor dieser Entscheidung zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung ist für den 23. Februar 2023 angesetzt.

Nach seinem letzten Gerichtsverfahren wurde bei Donald Dillbeck eine neurologische Verhaltensstörung im Zusammenhang mit pränataler Alkoholexposition (ND-PAE) diagnostiziert. Er weist kognitive Defizite und Anpassungsprobleme auf, die von medizinischen Expert*innen als "funktionell identisch" mit den Kriterien bewertet werden, die der Oberste Gerichtshof 2022 für die Aussetzung der Todesstrafe für Menschen mit geistiger Behinderung anerkannt hatte.

In seinem Prozess von 1991 brachte die Staatsanwaltschaft den früheren Mord, für den Donald Dillbeck bereits 1979 verurteilt worden war, als erschwerenden Umstand vor. Den Geschworenen wurde berichtet, dass der damals 15-Jährige in einem gestohlenen Auto aus Indiana geflohen und nach Florida gefahren war. Er schlief dort im Auto und wurde von einem Polizeibeamten geweckt. Als der Junge versuchte wegzulaufen, wurde er von dem Beamten gepackt. Bei dem darauffolgenden Kampf gelangte der Teenager an die Waffe des Beamten. Es fielen zwei Schüsse, die den Beamten töteten. Donald Dillbeck bekannte sich des vorsätzlichen Mordes ersten Grades schuldig. Neue Zeug*innenaussagen, die im Prozess von 1991 nicht vorgelegt worden waren, zeichnen jedoch ein anderes Bild –  das eines Jungen, der zum Tatzeitpunkt drei Tage lang praktisch nicht geschlafen hatte, unter Drogeneinfluss stand und Symptome einer schweren geistigen Behinderung zeigte. Zwei Sachverständige sind nach Prüfung der neuen Beweislage zu dem Schluss gekommen, dass der Teenager als er die Waffe abfeuerte wahrscheinlich nicht in der Lage war, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Sie äußerten außerdem Zweifel daran, dass er zum Zeitpunkt seines Geständnisses zurechnungsfähig war.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Früher erlaubte die Gesetzgebung in Florida es Geschworenen auch mit knapper Mehrheit (7:5) die Todesstrafe zu empfehlen. In Donald Dillbecks Fall stimmten die Geschworenen mit einer Mehrheit von 8:4 für die Todesstrafe. 2016 erklärte der Oberste Gerichtshof der USA in der Rechtssache Hurst gegen Florida diese Gesetzgebung jedoch für verfassungswidrig, weil sie den Geschworenen nur eine beratende Funktion bei der Verhängung von Todesurteilen eingeräumt hatte. Das sei nicht mit der Entscheidung der Rechtssache Ring gegen Arizona aus dem Jahr 2002 vereinbar, laut der die Verfassung verlangt, dass Geschworene und nicht Richter*innen die für Todesurteile erforderlichen Tatsachenfeststellungen treffen. Heute verlangt die Gesetzgebung in Florida Einstimmigkeit der Geschworenen bei Todesurteilen. Doch Donald Dillbeck gehört nicht zu denjenigen, für die dieses Urteil gilt – und zwar nicht wegen der Fakten, sondern wegen des Zeitpunkts ihrer Fälle. Ein Richter des Obersten Gerichtshofs von Florida meinte zu diesem Thema, dass der verfassungsrechtliche Schutz von "kaum mehr als einem Würfelwurf" abhänge.

Eine dreiteilige Untersuchung, die 2018 und 2019 von neurologischen, medizinischen und psychologischen Expert*innen durchgeführt wurde, kommt zu dem Schluss, dass Donald Dillbeck "die klinischen Kriterien für ND-PAE erfüllt. Diese erfordern: eine nachgewiesene pränatale Alkoholexposition und Defizite, die sich in der Kindheit in den Bereichen der Kognition, Selbstkontrolle und Anpassungsfähigkeit manifestieren". Bei der Untersuchung wurden neurologische Tests und Hirnscans durchgeführt, die 1991 noch nicht zur Verfügung standen. Seine pränatale Alkoholexposition "übersteigt den Schwellenwert für eine ND-PAE-Diagnose bei Weitem und verursacht eine signifikante und quantifizierbare Beeinträchtigungen seiner Kognition und Anpassungsfähigkeit." Die Expert*innen sind der Auffassung, dass sich diese Defizite unmittelbar auf sein Verhalten im Zusammenhang mit sowohl dem Mord von 1990 als auch dem Fall von 1979 ausgewirkt haben. Donald Dillbecks Rechtsbeistände verweisen auf die wachsende Anerkennung von Mediziner*innen, dass "die einzigartigen kognitiven, praktischen und sozialen Beeinträchtigungen, die mit ND-PAE einhergehen, nicht von denen einer geistigen Behinderung zu unterscheiden sind".

Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und uneingeschränkt ab. Seit 1976, als der Oberste Gerichtshof der USA neue Todesstrafengesetze bestätigte, wurden in den USA 1.562 Todesurteile vollstreckt. 2023 wurden bereits vier Hinrichtungen vollstreckt. Donald Dillbecks wäre die erste in Florida seit 2019 und die hundertste seit 1976. (Vgl. Darkness visible in the Sunshine State, 2018)

Hintergrundinformationen – Fortsetzung (auf englisch)

In late 2016 the Florida Supreme Court (FSC) ruled that Hurst applied retroactively only to about half of the more than 300 people then on death row – those individuals whose death sentences had not yet been 'finalized’ (meaning affirmed on initial automatic direct appeal) by the time of the Ring ruling. One dissenting Justice argued that to avoid arbitrariness Hurst should be applied across the board. Another accused the majority of "arbitrarily draw[ing] a line between June 23 and June 24, 2002 – the day before and the day after Ring was decided", but without providing "a convincing rationale" for this differential treatment and leaving "constitutional protection [to] depend on little more than a roll of the dice." Donald Dillbeck’s death sentence became final in 1995, and in 2018 the FSC affirmed that he could not benefit from Hurst. Some 150 others, meanwhile, have obtained relief under Hurst.

The USA ratified the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR) in 1992. The UN Human Rights Committee, the expert body established under the ICCPR to monitor its implementation, have said of the absolute prohibition of the arbitrary deprivation of life that the notion of arbitrariness must be interpreted "to include elements of inappropriateness, injustice, lack of predictability and due process of law." Amnesty International considers that the FSC’s application of Hurst falls short of these elements.

In Atkins v. Virginia in 2002, the USSC banned the execution of individuals with intellectual disability, due to their diminished culpability. In 2014, it emphasised that "in determining who qualifies as intellectually disabled" states must consult "the medical community’s opinions." In 2020, two USSC Justices added that "the medical standards used to assess that disability constantly evolve as the scientific community’s understanding grows". While Donald Dillbeck’s IQ score means he has not received a formal diagnosis of intellectual disability, his lawyers are arguing in their efforts in court, citing expert opinion, that "the specific cognitive and adaptive impairments caused by his extensive prenatal alcohol exposure are functionally identical to (and in some cases exceed) the criteria Atkins recognized as necessitating exemption from execution. As a result of his Neurobehavioral Disorder Associated with Prenatal Alcohol Exposure ("ND–PAE") …, Mr. Dillbeck embodies the lessened culpability described in Atkins". They also state that "IQ is a particularly inaccurate measure of intellectual functioning in individuals with ND–PAE. For example, someone with ND–PAE who has an IQ in the 80s may function adaptively as though their IQ is in the 60s or 70s."