Jugendaktivist erhebt Foltervorwürfe

Diese Urgent Action ist beendet.

Alain Didah Kemba, ein Sprecher der tschadischen Jugendbewegung IYINA, wurde am 26. Februar nach einem Termin mit der Staatsanwaltschaft bedingungslos entlassen. Drei Tage zuvor war er aus gesundheitlichen Gründen bereits aus der Haft freigelassen worden. Zu diesem Zeitpunkt konnte er kaum stehen. Seinen Angaben zufolge wurde er während eines Verhörs in Gewahrsam geschlagen. Er wurde nicht unter Anklage gestellt.

Zeichnung einer Figur mit Mütze und Jacke, auf der "Polizei" steht

Alain Didah Kemba, ein Sprecher der tschadischen Jugendbewegung IYINA, wurde am 19. Februar in der tschadischen Hauptstadt N’Djamena festgenommen, weil er versucht haben soll, einen Reifen auf der Straße anzuzünden. Er wird ohne Anklage in der Polizeizentrale festgehalten. Alain Didah Kemba berichtete, während eines Verhörs auf die Beine und die Fußsohlen geschlagen worden zu sein. Seinem Rechtsbeistand zufolge kann der Inhaftierte als Folge der Schläge kaum stehen.

Appell an

Mahamat Saleh Youssouf

Tribunal de Grande Instance de Ndjamena

Tschad

Sende eine Kopie an

Minister für öffentliche Sicherheit

Ahmat Mahamat Bachir

E-Mail: bachiram62@gmail.com

Botschaft der Republkim Tschad

S.E. Herrn Abdoulaye Senoussi Mahamat

Lepsiusstraße 114

12165 Berlin


Fax: 030-3199 16220

E-Mail: contact@ambatchadberlin.com

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie bitte Alain Didah Kemba umgehend und bedingungslos frei, sofern er keiner international anerkannten Straftat angeklagt wird.
  • Sorgen Sie bitte dafür, dass Alain Didah Kemba bis zu seiner Freilassung vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt wird und regelmäßigen Zugang zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand sowie etwaig benötigter medizinischer Versorgung erhält.
  • Leiten Sie bitte eine gründliche und unparteiische Untersuchung der Vorwürfe ein, Alain Didah Kemba sei in Gewahrsam gefoltert und misshandelt worden. Stellen Sie darüber hinaus sicher, dass die Verantwortlichen in einem internationalen Standards entsprechenden Gerichtsverfahren zur Rechenschaft gezogen werden.
  • Unterbinden Sie bitte die anhaltende Unterdrückung von Menschenrechtsverteidiger_innen und sorgen Sie dafür, dass diese ihrer Tätigkeit ohne Angst vor Einschüchterung und Vergeltungsmaßnahmen nachgehen können.

Sachlage

Alain Didah Kemba, Sprecher der tschadischen Jugendbewegung IYINA ("Wir sind es leid" im örtlichen Arabisch), wurde am frühen Morgen des 19. Februar von einem Polizisten festgenommen. Später an diesem Tag teilte ein Polizeisprecher den Medien mit, dass ein leitender Angehöriger der Polizei Alain Didah Kemba festgenommen habe, als dieser im Begriff gewesen sei, mit einer benzingefüllten Flasche einen Autoreifen anzuzünden. Als der Rechtsbeistand von Alain Didah Kemba sich auf der Polizeistation nach seinem Mandanten erkundigte, bekam er die gleiche Version der Ereignisse zu hören. Der Rechtsbeistand hatte nicht die Möglichkeit, den Inhaftierten zu sprechen. Am selben Tag sagte der zuständige Staatsanwalt Amnesty International, er wisse nichts über die Verhaftung oder den Verbleib von Alain Didah Kemba.

Am 20. Februar versuchte der Rechtsbeistand von Alain Didah Kemba erneut, seinen Mandanten auf der Polizeistation zu besuchen. Ihm wurde dort jedoch mitgeteilt, dass sich dieser nicht im Gewahrsam der Polizei befände. Später bestätigten Freund_innen und Familienangehörige allerdings, dass Alain Didah Kemba sehr wohl in der Polizeistation in Haft saß – ein Zustand, an dem sich bis heute nichts geändert hat. Erst nach dieser Bestätigung konnte Alain Didah Kemba von seinem Rechtsbeistand besucht werden. Der Rechtsbeistand sagte Amnesty International, dass sein Mandant kaum stehen könne – ganz offensichtlich eine Folge der Schläge auf Beine und Fußsohlen, die Alain Didah Kemba, laut eigener Aussage, von Polizeibeamt_innen während eines Verhörs zugefügt worden waren.

Bisher ist der Aktivist nicht unter Anklage gestellt worden. Alain Didah Kemba bestreitet, zum Zeitpunkt seiner Festnahme im Besitz einer mit Benzin gefüllten Falsche gewesen zu sein. Seinen Aussagen zufolge wurde er während seines morgendlichen Lauftrainings von der Polizei festgenommen, als er gerade an einem Reifen vorbeilief.

Während die Unzufriedenheit im Land weiter wächst – unter anderem wegen der mittlerweile fünften Amtszeit von Präsident Idriss Déby und der von der Regierung beschlossenen Sparmaßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise – kam es in den vergangenen zwei Jahren wiederholt zur Unterdrückung von Menschenrechtsverteidiger_innen und Regierungskritiker_innen im Tschad. Als offener Regierungskritiker sprach sich Alain Didah Kemba gegen die Sparmaßnahmen aus und beteiligte sich an mehreren friedlichen, von IYINA organisierten Demonstrationen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im Jahr 2015 wurde die Wirtschaft des Tschad hart von den international gesunkenen Rohölpreisen getroffen, was 2016 zu einem Negativwachstum von -3 Prozent führte. Um den Auswirkungen der Wirtschaftskrise entgegenzuwirken, beschloss die Regierung im August 2016 ein Reformpaket mit 16 Sparmaßnahmen, zu denen auch die ersatzlose Streichung von Stipendien für Studierende in ländlichen Regionen zählte. Diese Sparmaßnahmen und die steigenden Lebenshaltungskosten führten zu weitreichenden Streiks, an denen sich auch Beamt_innen, Studierende und Oppositionsgruppen in den großen Städten des Landes wie N'Djamena, Sarh, Pala und Bongor beteiligten.

Am 16. Januar lösten Sicherheitskräfte unter Einsatz von Tränengas eine Studierendendemonstration auf, die sich gegen neue Studiengebühren in Höhe von 50.000 XAF (rund 94 USD) richtete. Am folgenden Tag organisierten die Studierenden eine weitere Demonstration, die von den Behörden auf gleiche Weise aufgelöst wurde. Am 25. Januar riefen zivilgesellschaftliche Organisationen zu einer friedlichen Demonstration gegen die hohen und weiter steigenden Lebenshaltungskosten im Tschad auf, bei der die Behörden erneut äußerst repressiv und mit unverhältnismäßiger Gewalt einschritten.

Am 6. Februar drohte der Minister für Sicherheit, alle Organisationen zu verbieten, die sich an der Veranstaltung von Demonstrationen beteiligten. Wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" löste der Minister zwei Tage später vorübergehend zehn Oppositionsparteien auf, nachdem diese eine Demonstration gegen die von der Regierung beschlossenen Sparmaßnahmen und den damit verbundenen Anstieg der Lebenshaltungskosten organisiert hatten.

IYINA ist eine Jugendbewegung und bringt Studierende, Kunstschaffende und junge Aktivist_innen zusammen, die mehr Bewusstsein in Sachen Regierungsführung und Demokratie schaffen wollen.

Von Anfang 2016 bis zum September 2017 wurden mehrere Demonstrationen verboten und andere Proteste, für die keine behördliche Genehmigung vorlag, von den Sicherheitskräften aufgelöst. Im April 2017 nahm die Nationale Sicherheitsbehörde (Agence Nationale de Sécurité – ANS) die zwei IYINA-Mitglieder Nadjo Kaina and Bertrand Solloh fest und hielt sie über einen Zeitraum von fast zwei Wochen hinweg ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Die beiden Aktivisten wurden wegen Verschwörung und der Organisation einer unerlaubten Versammlung angeklagt. Nadjo Kaina und Bertrand Solloh erhielten jeweils eine sechsmonatige Haftstrafe auf Bewährung. Am 28. November 2017 unterbanden die Sicherheitsbehörden ein von IYINA organisiertes Konzert, mit dem an die Werte des Landes erinnert und die schlechte Regierungsführung kritisiert werden sollte. Dabei riegelten Polizeibeamt_innen und Angehörige der Gendarmerie den Veranstaltungsort ab, sodass Konzertbesucher_innen keinen Zutritt hatten.

Im Dezember 2017 kündigte die Regierung an, im Rahmen der Maßnahmen zur Reduzierung der Staatsausgaben die Gehälter im öffentlichen Dienst um 45 % zu senken. Am 29. Januar 2018 riefen die Gewerkschaften einen Generalstreik der Staatsbediensteten auf, um sich gegen die Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst und die Einkommenssteuererhöhung zu wenden.