Südsudan: Nach Rückführung kein Kontakt zur Außenwelt

Das Bild zeigt das Porträtbild eine Mannes

Der südsudanesische Menschenrechtsaktivist Morris Mabior Awikjo 

Am 4. Februar wurde der südsudanesische Regierungskritiker Morris Mabior Awikjok Bak Berichten zufolge willkürlich von bewaffneten kenianischen Sicherheitskräften und einem südsudanesischen Mann in Zivil an seinem Wohnort in der kenianischen Hauptstadt Nairobi festgenommen. Man geht davon aus, dass er nach Dschuba im Südsudan, gebracht wurde und dort ohne Kontakt zur Außenwelt in einer Hafteinrichtung des Nationalen Sicherheitsdienstes festgehalten wird. Die südsudanesischen Behörden müssen das Schicksal und den Verbleib von Morris Mabior Awikjok Bak offenlegen.

Appell an

Präsident der Republik Südsudan

Salva Kiir Mayardit

c/o.
Botschaft der Republik Südsudan


Herrn Andrew Makur Madol Yor

Botschaftsrat

Leipziger Platz 8

10117 Berlin

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, umgehend die Freilassung von Morris Mabior Awikjok Bak zu veranlassen, sofern er nicht wegen einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt ist.
  • Bitte gewähren Sie ihm die Freiheit, den Südsudan zu verlassen, falls er dies wünscht.
  • Bitte sorgen Sie dafür, dass Morris Mabior Awikjok Bak vor jeglicher Form der Folter oder anderweitiger Misshandlung geschützt ist.
  • Stellen Sie außerdem sicher, dass er regelmäßigen Zugang zu seiner Familie und den Rechtsbeiständen seiner Wahl sowie zu der von ihm benötigten medizinischen Versorgung durch qualifizierte Ärzt*innen erhält.

Sachlage

Augenzeug*innenberichten zufolge wurde der südsudanesische Kritiker Morris Mabior Awikjok Bak am 4. Februar willkürlich von bewaffneten kenianischen Sicherheitskräften und einem südsudanesischen Zivilisten in seinem Wohnviertel in Nairobi festgenommen.

Amnesty International hat Grund zu der Annahme, dass Morris Mabior Awikjok Bak in die südsudanesische Hauptstadt Dschuba gebracht wurde. Er soll dort am 5. oder 6. Februar angekommen und in eine Hafteinrichtung des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSS) gebracht worden sein. Nach Angaben seiner Familienangehörigen wird Morris Mabior Awikjok Bak dort ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Die Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt leistet Folter und anderen Formen der Misshandlung sowie dem Verschwindenlassen Vorschub. Je nach Situation kann diese Form der Inhaftierung selbst Folter oder andere Form der Misshandlung darstellen.

Die südsudanesischen Behörden haben bereits in der Vergangenheit rechtswidrige Überwachungsmaßnahmen angewandt, um südsudanesische Dissident*innen und andere Regierungskritiker*innen, darunter auch Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen, die den Südsudan in Richtung Kenia verlassen haben, zu verfolgen, willkürlich zu inhaftieren oder verschwinden zu lassen. Kritiker*innen werden rechtswidrig in den Südsudan zurückgeführt, wo sie durch den NSS an mehreren Orten, darunter auch in der als "Blue House" bekannten Hafteinrichtung des NSS, willkürlich und im Geheimen festgehalten und zuweilen gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Einige von ihnen wurden später außergerichtlich hingerichtet.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Amnesty International hat zahlreiche willkürliche Inhaftierungen des NSS dokumentiert. In mehreren Hafteinrichtungen sind die Gefangenen Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt – einige werden ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand oder Familienangehörigen festgehalten.

Erst vor Kurzem, am 3. und 4. Januar, hat der NSS sechs Medienschaffende im Zusammenhang mit einem geleakten Video, das in den sozialen Medien kursierte, festgenommen. In dem Video soll zu sehen sein, wie Präsident Salva Kiir Mayardit sich während einer offiziellen Zeremonie einnäßt. Zwei Medienschaffende wurden inzwischen wieder freigelassen.

Die südsudanesische Regierung, und vor allem der NSS, nutzen von Israel gekaufte Ausrüstung und die Unterstützung von Telekommunikationsunternehmen, um Kommunikationsüberwachung durchzuführen. Der NSS führt auch physische Überwachungen durch. Er verfügt über ein weit verzweigtes, grenzüberschreitendes Netzwerk von Informant*innen und Agent*innen, das alle Ebenen der Gesellschaft und des täglichen Lebens umspannt, und die Medien und sozialen Netzwerke überwacht. Wenn jegliche Art von Versammlung veranstaltet werden soll, müssen die Organisierenden sich außerdem zuerst Genehmigung einholen. Der NSS setzt diese Formen der Überwachung rechtswidrig und unter Verletzung des Rechts auf Privatsphäre ein, um Personen willkürlich festzunehmen und rechtswidrig zu inhaftieren. Dadurch werden auch die Pressefreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit eingeschränkt.

Das Spionage-Netzwerk des NSS erstreckt sich über ganz Ostafrika. So werden auch diejenigen erfasst, die in den Nachbarstaaten Zuflucht gefunden haben. In einem Fall wurden Dong Samuel Luak, ein südsudanesischer Menschenrechtsanwalt und anerkannter Flüchtling, und Aggrey Ezbon Idri, Vorsitzender des Ausschusses für humanitäre Angelegenheiten der SPLM/A-IO, am 23. bzw. 24. Januar 2017 in der kenianischen Hauptstadt Nairobi Opfer des Verschwindenlassens. 2019 fand das Expert*innengremium der Vereinten Nationen für den Südsudan heraus, dass Dong Samuel Luak und Aggrey Ezbon Idri am 27. Januar 2017 in einem mit Hilfe der südsudanesischen Botschaft in Kenia gecharterten Verkehrsflugzeug unter Zwang in den Südsudan ausgeflogen worden waren. Sowohl das Expert*innengremium der Vereinten Nationen als auch Amnesty International konnten bestätigen, dass die beiden nach ihrer Ankunft im Südsudan im "Blue House" des NSS festgehalten worden waren. Am 27. Januar 2017 wurden sie aus der Einrichtung fortgebracht. Laut dem Expert*innengremium der Vereinten Nationen ist es "sehr wahrscheinlich", dass NSS-Agent*innen die beiden Regierungskritiker in eine NSS-Trainingseinrichtung auf der Farm des Präsidenten Salva Kiir Mayardit in Luri, nahe Dschuba, brachten und dort am 30. Januar 2017 außergerichtlich hinrichteten. Das Verschwindenlassen und die vermutete außergerichtliche Hinrichtung von Dong Samuel und Aggrey Ezbon Idri sowie die grenzüberschreitenden Aktivitäten des NSS hatten einen starken einschüchternden Effekt auf Aktivist*innen im Südsudan und in den Nachbarstaaten.

Dong Samuel Luak und Aggrey Ezbon Idri sind jedoch nicht die einzigen südsudanesischen Staatsbürger*innen, die in Kenia entführt und anschließend rechtswidrig in den Südsudan zurückgebracht wurden. Im November 2016 schoben die kenianischen Behörden den anerkannten Flüchtling James Gatdet, Sprecher der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung/-armee in Opposition (SPLM/A-IO), rechtswidrig in den Südsudan ab, wo er infolgedessen zum Tode verurteilt wurde. Am 31. Oktober 2018 wurde er durch Präsident Salva Kiir Mayardit begnadigt. Im Dezember 2017 wurde der SPLM/A-IO-Gouverneur Marko Lokidor Lochapio aus dem Geflüchtetenlager Kakuma in Kenia entführt, nach Dschuba gebracht und bis zu seiner Freilassung am 25. Oktober 2018 im "Blue House" festgehalten. Peter Biar Ajak musste am 23. Juli 2020 mit seiner Familie in die USA flüchten. Der bekannte südsudanesische Akademiker und Vorsitzende des Forum Junger Südsudanesischer Führungskräfte verließ das Land nachdem er sich fünf Wochen lang in Nairobi versteckt hatte. Er hatte zuvor Anrufe von hochrangigen Regierungsbeamt*innen erhalten, die ihn nach eigenen Angaben davor warnten, dass NSS-Agent*innen auf dem Weg nach Nairobi wären, um ihn zu entführen oder zu töten.