Mehr als 2000 Menschen droht die Zwangsräumung

Textfeld "Wirtschaftliche, soziale & kulturelle Rechte"

Etwa 2.000 Bewohner_innen der informellen Siedlung Deep Sea in Nairobi sind erneut unmittelbar von der rechtswidrigen Zwangsräumung bedroht. Die Siedlung soll einer EU-finanzierten Straße weichen. Am 1. Februar gab ein Verwaltungsangestellter des Unterbezirks Westlands den Bewohner_innen vier Tage Zeit, um ihre Häuser zu räumen. Falls sie dieses Ultimatum nicht einhalten, droht ihnen die Zwangsräumung durch die Regierung. Das muss verhindert werden.

Appell an

Hon Fred Matiangi

Ministry of interior & coordination of national security

P.O Box 30510 - 00100

Nairobi

KENIA

Sende eine Kopie an

Leiter der Behörde KURA

Director General

Eng. Silas Kinoti

Kenya Urban Roads Authority

P.O Box 41727 – 00100

Nairobi, KENIA

E-Mail: skinoti@kura.go.ke

Botschaft der Republik Kenia

S. E. Herrn Joseph Kipng'etich Magutt

Markgrafenstraße 63

10969 Berlin

Fax: 030-25 92 66 50

E-Mail: office@kenyaembassyberlin.de

 

Amnesty fordert:

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass in Deep Sea keine rechtswidrigen Zwangsräumungen durchgeführt werden, in deren Folge die Bewohner_innen obdachlos wären.
  • Stellen Sie bitte sicher, dass die Bewohner_innen von Deep Sea die laufenden Verhandlungen über ihre Umsiedlung fortführen können, ohne Angst vor Drohungen und Einschüchterungen haben zu müssen.
  • Gewährleisten Sie bitte außerdem, dass bei allen Räumungen Kenias nationale und internationale menschenrechtliche Verpflichtungen eingehalten werden.

Sachlage

Wie die Bewohner_innen von Deep Sea Amnesty International berichteten, besuchte der Verwaltungsvertreter des Unterbezirks Westlands (Deputy County Commissioner of Westlands Subcounty – DCC) am 1. Februar die informelle Siedlung. Der DCC sei in Begleitung weiterer Beamt_innen gekommen, von denen acht Personen bewaffnet waren. Er gab den Bewohner_innen vier Tage Zeit, um ihre Häuser zu räumen, andernfalls würde sich die Regierung das Land mit Gewalt nehmen. Die Ursache des Konflikts ist ein von der Europäischen Union finanziertes Straßenbauprojekt der kenianischen Straßenbaubehörde (Kenya Urban Roads Authority – KURA).

Die Bewohner_innen verhandeln mit der KURA bereits seit 2015 über die Umsiedlungen. Sie haben wiederholt bekräftigt, dass sie nicht gegen den Bau der Straße sind. Sie möchten aber, dass die KURA ihr Recht auf angemessenen Wohnraum achtet und sicherstellt, dass der Räumungsprozess internationalen Menschenrechtsstandards entspricht. Dazu zählen eine wirkliche Konsultation der Betroffenen, eine angemessene Kündigungsfrist sowie Maßnahmen zur Sicherstellung, dass niemand in Folge der Räumung obdachlos wird. Die KURA stimmte ursprünglich zu, Land für die Umsiedlungen zu erwerben und die Gemeinde fand neun verschiedene zur Verfügung stehende Grundstücke. Doch nach Verzögerungen auf Seiten der KURA stand das Land nicht mehr zum Kauf zur Verfügung. Die aktuelle Räumungsandrohung wird von den Bewohner_innen von Deep Sea als mangelnder Wille seitens der KURA gewertet, die Betroffenen wirklich zu konsultieren und die laufenden Verhandlungen fortzuführen.

Die Zwangsräumung droht den Bewohner_innen von Deep Sea schon seit 2009. Vor zwei Monaten erhielten die Verhandlungsführer_innen der Bewohner_innen von Deep Sea nach eigenen Aussagen Morddrohungen von einem Angestellten der Verwaltung Nairobi. Sollten sie nicht aus den Verhandlungen aussteigen und den Bereich der zukünftigen Straße räumen, könnte "Amnesty International Leichen in Deep Sea aufsammeln und sich dort über Leichen statt Häuser aufregen".

Hintergrundinformation

Hintergrund

Deep Sea ist eine informelle Siedlung in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, in der fast 12.000 Menschen leben. Seit 2009 ist diese Gemeinde von der rechtswidrigen Zwangsräumung bedroht. Grund dafür ist das Straßenbauprojekt "Missing Link" der kenianischen Straßenbaubehörde KURA, das mit Mitteln der Europäischen Union und der kenianischen Regierung finanziert wird. Die Straße soll durch das Handelszentrum und die Hauptstraße der Siedlung Deep Sea führen und etwa 2.000 der dort lebenden Bewohner_innen betreffen. Die 1,6 km lange Straße wird gebaut, um die beiden Hauptstraßen Limuru Road und Thika Road zu verbinden.

Das Recht auf angemessenen Wohnraum ist als ein einklagbares Recht in der kenianischen Verfassung verankert: Artikel 43(1)(b) der Verfassung schreibt vor, dass "jede Person das Recht auf zugänglichen und angemessenen Wohnraum und ausreichende Sanitäranlagen" hat. Kenia ist durch eine Reihe von Menschenrechtsverträgen, darunter der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker, dazu verpflichtet, rechtswidrige Zwangsräumungen zu unterlassen und zu verhindern. Der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen betont, dass Zwangsräumungen nur als letztes Mittel eingesetzt werden dürfen, nachdem alle möglichen Alternativen geprüft wurden und nur wenn angemessene verfahrenstechnische und rechtliche Schutzmaßnahmen getroffen wurden.

Zu den von den Vereinten Nationen vorgesehenen Schutzmaßnahmen für die Bewohner_innen gehören neben der wirklichen Konsultation der Betroffenen, einer angemessenen Kündigungsfrist, der Bereitstellung einer angemessenen alternativen Unterkunft und der Entschädigung aller Verluste auch Schutzmaßnahmen für die Durchführung der Räumungen und der Zugang zu Rechtsmitteln und Gerichtsverfahren, einschließlich gegebenenfalls des Zugangs zu Prozesskostenhilfe. Die Regierungen müssen sicherstellen, dass niemand infolge einer Zwangsräumung obdachlos wird oder dem Risiko weiterer Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist. Internationalen Menschenrechtsstandards zufolge müssen auch legitime Räumungen den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Die Staaten müssen gewährleisten, dass sämtliche Schutzmaßnahmen ergriffen und rechtsstaatliche Verfahren eingehalten werden.