500 Roma nach Zwangsräumung obdachlos

Textfeld "Wirtschaftliche, soziale & kulturelle Rechte"

Etwa 500 Roma, darunter etwa 150 Kinder sowie schwangere Frauen und ältere Menschen, sind obdachlos, nachdem sie am 10. Mai im Rahmen einer rechtswidrigen Zwangsräumung durch die Behörden aus ihrer Siedlung in der Gemeinde Giugliano in Kampanien in Süditalien vertrieben wurden. Da die Behörden ihnen keine alternativen Unterkünfte zur Verfügung stellten, müssen die Roma-Familien jetzt ohne Unterkunft unter unmenschlichen Bedingungen leben.

Appell an

Giuseppe Conte

Palazzo Chigi, Piazza Colonna 370

00187 Rom

ITALIEN

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BOTSCHAFT DER ITALIENISCHEN REPUBLIK

S. E. Herrn Luigi Mattiolo

Hiroshimastr. 1.

10785 Berlin


Fax: 030-2544 0116

E-Mail: segreteria.berlino@esteri.it oder consolare.berlino@esteri.it

Amnesty fordert:

  • Sorgen Sie dafür, dass für die obdachlosen Familien unverzüglich kurzfristige Notunterkünfte gefunden werden, um ihr Recht auf angemessenen Wohnraum, Wasser und sanitäre Einrichtungen zu gewährleisten.
  • Suchen Sie bitte umgehend in Rücksprache mit der Gemeinschaft nach Möglichkeiten für langfristige alternative Unterkünfte, wie es in internationalen und regionalen Menschenrechtsnormen und -standards sowie der Nationalen Strategie zur Integration der Roma vorgesehen ist.

Sachlage

Etwa 500 Roma, darunter etwa 150 Kinder sowie schwangere Frauen und ältere Menschen, sind seit ihrer rechtswidrigen Zwangsräumung durch die lokalen Behörden von Giugliano in Kampanien am 10. Mai 2019 in der Ortschaft Ponte Riccio obdachlos.

Diese Roma-Familien haben in den letzten Jahren bereits unzählige Menschenrechtsverletzungen durch nationale und lokale Behörden erdulden müssen. Dazu gehörten eine rechtswidrige Zwangsräumung im Juni 2016 und die anschließende Umsiedlung auf das Gelände einer ehemaligen Feuerwerksfabrik, wo sie bis zum 10. Mai unter unmenschlichen Bedingungen leben mussten. Nachdem die Behörden es fast drei Jahre lang versäumt hatten, den Familien angemessene Unterkünfte bereitzustellen, haben sie sie schließlich erneut vertrieben und obdachlos zurückgelassen, in einer Situation, in der sie der Gefahr von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind.

Seit dem 10. Mai sind die Familien verzweifelt auf der Suche nach Unterkunftsmöglichkeiten in den umliegenden Ortschaften. In den Gemeinden der Region wird ihnen jedoch mit Feindseligkeit begegnet. Ohne Unterkunft, Zugang zu Strom, Wasser oder Kochgelegenheiten müssen die Familien auch weiterhin unter schlimmen Bedingungen leben. Besonders gravierende Folgen hat dies für Kinder, Schwangere und ältere Menschen. Zwangsräumungen sind ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Italien ist nach dem Völkerrecht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass allen, die sich nicht selbst versorgen können, angemessener Wohnraum zur Verfügung gestellt wird. Niemand sollte einer solchen Behandlung unterzogen oder ohne Unterkunft und Unterstützung der Behörden zurückgelassen werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

 Am 10. Mai wurden etwa 500 Roma – rund 350 Erwachsene und 150 Kinder – von den lokalen Behörden aus ihren Unterkünften auf dem Gelände einer ehemaligen Feuerwerksfabrik in der Ortschaft Ponte Riccio in der Gemeinde Giugliano im süditalienischen Kampanien, Provinz Neapel, vertrieben. Dort hatten sie seit Juni 2016 gelebt – nachdem sie bereits aus ihrer vorherigen Unterkunft in einem offiziellen Lager in Masseria del Pozzo vertrieben worden waren. Dieses Lager lag völlig abgelegen in der Nähe einer giftigen Mülldeponie. Damals erging eine gerichtliche Anordnung, dass die Familien aus diesem Lager zu entfernen seien. Die örtliche Verwaltung war jedoch nicht in der Lage, innerhalb der gerichtlichen Frist angemessene Alternativunterkünfte zu finden. Als einzige Alternative zur Obdachlosigkeit bot sie das Gelände der ehemaligen Feuerwerksfabrik in Ponte Riccio an.

Nach mehreren Besuchen vor Ort kennt Amnesty International die dramatisch schlechten Lebensbedingungen, unter denen diese Roma-Familien in der Ortschaft Ponte Riccio leben mussten. Wie in früheren Berichten dokumentiert (vgl. https://www.amnesty.de/urgent-action/ua-144-2016-1/rechtswidrige-zwangsraeumung), sind diese Bedingungen weitgehend auf das Versagen der Behörden zurückzuführen, das Recht der Gemeinschaft auf angemessenen Wohnraum zu schützen. Amnesty International hat die Siedlung 2016 und 2017 mehrfach besucht. Bereits damals waren die Bedingungen äußerst unzureichend, da der Zugang zu Unterkunft, Wasser und Sanitäreinrichtungen stark eingeschränkt war.

Die örtlichen Behörden führten die Zwangsräumung am 10. Mai auf der Grundlage der Gemeindeverordnung Nr. 29. vom 5. April 2019 durch. Diese sah die sofortige Räumung der Siedlung aus Gründen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit angesichts der unhygienischen und unsicheren Bedingungen des Lagers vor. Es wurde davon ausgegangen, dass das Lager von Ratten befallen und aufgrund der unsicheren Stromanschlüsse und des Vorhandenseins von Gaskanistern zum Kochen und Heizen brandgefährdet war. Darüber hinaus wurden die großen, aus der Siedlung stammenden Müllmengen entlang der Schnellstraße, die entlang der Siedlung verläuft, als Risiko für die Straßenverkehrssicherheit betrachtet.

Die lokalen Behörden haben nichts unternommen, um die Gemeinschaft umfassend zu konsultieren und eine geeignete Alternative zum derzeitigen Standort zu finden. Sie gaben den Familien nur spärliche Informationen, und die einzige angebotene Alternative war die einmalige Zahlung eines Mietzuschusses für Wohnungen auf dem privaten Mietmarkt. Viele der Roma in dieser Gemeinschaft sind staatenlos oder haben keine Dokumente, die eine regelmäßige Beschäftigung erlauben würden. Ohne festen Arbeitsplatz ist es ihnen jedoch unmöglich, auf dem privaten Markt ein Haus zu mieten. Damit ist das Angebot eines einmaligen Mietzuschusses unhaltbar und sinnlos.